MESOP Unvorstellbare Folgen – Ex-CIA-Vize: Wenn diese vier Dinge eintreten, könnte der IS gewinnen

Donnerstag, 04.06.2015, 03:07 · von FOCUS-Online-Redakteur Julian Rohrer – Die Führer der westlichen Welt schwören ihre Länder auf einen langen Kampf gegen den Islamischen Staat ein, der in Syrien zuletzt beängstigende Erfolge erzielte. Aber was wäre, wenn die Terroristen tatsächlich gewinnen würden? Der Ex-Vize der CIA beschäftigt sich mit diesem Horrorszenario und nennt vier Bedingungen, die es möglich machen könnten.

Es wird ein langer Kampf. Das war das Fazit einer Konferenz der Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) in Paris. Doch auch wenn alle betonen, dass ein „langer Atem“ vonnöten sei – echte Zweifel daran, dass es letztendlich irgendwie gelingen wird, den IS zu besiegen, äußerte auf der Konferenz niemand.

Doch was wäre eigentlich, wenn es der Koalition nicht gelänge, den IS langfristig zurückzudrängen? Ist es denn wirklich völlig ausgeschlossen, dass der IS gewinnt? Der ehemalige CIA-Vizepräsident John Edward McLaughlin stellt sich diese Frage und entwickelt in einem Gastkommentar für die „Washington Post“ vier mögliche Entwicklungen – sollten diese eintreten, könnte der IS wirklich gewinnen, so seine These.

  1. Koalition schickt keine Bodentruppen

Das erste Szenario, das McLaughlin beschreibt, sieht vor, dass die US-geführte Koalition nicht in der Lage ist, eine ausreichend schlagkräftige Bodentruppe in Gang zu setzen. Bomben alleine reichten nicht, um den IS nachhaltig zu schwächen, argumentiert der US-Amerikaner – wie auch viele andere Experten.Doch die irakische Armee verfügt nicht über die nötige Schlagkraft – und die Vorstellung von US-Bodentruppen im Wüstensand, das stößt in den Vereinigten Staaten nach den verlustreichen Irakkriegen auf wenig Gegenliebe. Die arabischen Staaten hätten zwar den Willen, eine Truppe aufzustellen, doch ihnen fehlt es an Erfahrung und Einigkeit, schreibt McLaughlin.Solange es keine Bodenoffensive gebe, kann der IS weiterhin seine Schmuggelrouten über Land nutzen, Gebietsgewinne verzeichnen und sich in eigene Stellungen eingraben.

  1. Der IS erreicht Bagdad

Würde der IS nach seinen Expansionserfolgen auch noch in die irakische Hauptstadt Bagdad einfallen, hätte das schwerwiegende Konsequenzen für die ganze Region. Die Stadt würde zwar bis aufs Blut von schiitischen Milizen gegen den sunnitisch geprägten IS verteidigt – doch, schreibt McLaughlin, wahrscheinlich müsste der IS die Stadt nicht einmal erobern, um erfolgreich zu sein.

Der Experte vergleicht die Situation mit dem Vietnamkrieg: In der Tet-Offensive von 1968 sei es dem Vietkong auch nicht gelungen, Saigon einzunehmen. Im Gegenteil: Die Kämpfer wurden klar zurückgeschlagen. Doch allein, dass der Feind den Angriff gewagt hat und einen Fuß in die Stadt setzen konnte, hätte massive Folgen gehabt: Der Süden Vietnams wurde dadurch demoralisiert und in den USA wuchs die bittere Erkenntnis, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen sei.

Gleiches gelte für den IS: Es würde schon reichen, Kämpfer und Waffen nach Bagdad zu schleusen, um dort Chaos anzurichten und zu zeigen, dass die Verteidigungslinien den Dschihadisten nicht standhalten. Das würde den Einfluss des IS auf die Anbar-Provinz, in der auch die jüngst eroberte Stadt Ramadi liegt, noch weiter festigen.

  1. Irak fällt weiter auseinander

Sollte der Irak weiter auseinander fallen, würde das Land auch für die von dort aus operierende Koalition noch unsicherer. Die Minderheiten im Irak driften immer weiter auseinander: Die Sunniten zweifeln zunehmend an der schiitisch dominierten Regierung Haider al-Abadis. Der Drang zur Autonomie der Kurden sei zwar derzeit durch die Kämpfe unterbrochen, schreibt McLaughlin. Doch sollten sie die Führung bei einer Bodenoffensive gegen den IS übernehmen, weil Iraks Armee sich weiterhin zurückhält, stiege der Wille zur kurdischen Unabhängigkeit wieder– und das Land zerfiele endgültig.

  1. Der Iran zieht seine Kräfte zurück

Einige Erfolge der jüngeren Zeit gehen auf das Konto des Irans, militärisch spielen die Kämpfer der Revolutionsgarde eine besondere Rolle. Deswegen, so die These des Ex-Agenten, würde ein Rückzug der iranischen Kräfte die Koalition nachhaltig schwächen. Und so unwahrscheinlich ist das gar nicht, denn eigentlich ist weder Saudi-Arabien noch den USA an einer stärkeren Einbindung Teherans gelegen. Die Regierung in Riad hat Angst davor, dass die iranischen Truppen nicht an der saudi-arabischen Grenze Halt machen würden. Washington wiederum will nichts weniger, als eine Stärkung des Einflusses aus Teheran auf Kosten einer Schwächung der eigenen Position in der Region.

Und so kann der IS dennoch besiegt werden

Der Ex-CIA-Vize leitet aus seinen Betrachtungen zwei Punkte ab, die unabdingbar für ein Zurückschlagen des IS seien: Zum einen müsse so viel Land von dem selbsternannten Kalifat zurückerobert werden, dass dessen Führer keinen Flächenstaat mehr unter sich hätten.Zum anderen müsse die Diskriminierung der sunnitischen Bevölkerung im Irak und in Syrien beendet werden. Das würde den steten Strom neuer Kämpfer unterbrechen, denn das Ausschließen sei der stärkste Motor der IS-Rekrutierung. http://www.focus.de/politik/ausland/islamischer-staat/unvorstellbare-folgen-ex-cia-vize-wenn-diese-vier-dinge-eintreten-koennte-der-is-wirklich-gewinnen_id_4726918.html?fbc=fb-shares