MESOP NEWS REPORT : ERDOGANS VERNICHTUNGSWERK IM KURDISCHEN SÜDOSTEN / UN BERICHT GENF

UN Bericht spricht von schwersten Zerstörungen und schweren Menschenrechtsverletzungen seit Juli 2015 im Südosten der Türkei

GENF (10. März 2017) – Das Büro der Vereinten Nationen für Menschenrechte veröffentlichte am Freitag einen Bericht mit Einzelheiten zu den Behauptungen schwerster Zerstörungen, Tötungen und einer Vielzahl anderer schwerwiegender Verletzungen der Menschenrechte, die zwischen Juli 2015 und Dezember 2016 im Südosten der Türkei begangen wurden, als der türkische Staat Sicherheitsoperationen durchführte, die mehr als 30 Städte und Bezirke betrafen und wo zwischen 350.000 und einer halben Million Menschen meist kurdischen Ursprungs vertrieben wurden.

Der Bericht beschreibt das Ausmaß der Zerstörung in der Stadt Nusaybin in der Provinz Mardin, wo offenbar 1.786 Gebäude zerstört oder beschädigt wurden, und im Bezirk Sur von Diyarbakir, wo nach Schätzungen der örtlichen Stellen 70 Prozent der Gebäude im östlichen Teil des Bezirks systematisch durch Granatbeschuss zerstört wurden. Die Zerstörung hielt offenbar selbst nach Beendigung der Sicherheitsoperationen an und erreichte während des Monats August 2016 einen Höhepunkt. Satellitenaufnahmen von Nusaybin und Sur vorher und nachher beweisen, dass ganze Bezirke dem Erdboden gleichgemacht wurden.

Das Büro der Vereinten Nationen für Menschenrechte zeigt sich ‚besonders alarmiert über die Ergebnisse der Auswertung der Satellitenaufnahmen, die ein enormes Ausmaß von Zerstörung von Wohngebäuden durch schwere Waffen ausweisen‘, wie der Bericht sagt.

Schwere Schäden werden auch aus einer Reihe anderer Städte, darunter Cizre in der Provinz Şirnak gemeldet, wo Augenzeugen und Familienangehörige von Opfern ‚ein apokalyptisches Bild der pauschalen Zerstörungen von Stadtteilen‘ schildern, wo Anfang 2016 bis zu 189 Männer, Frauen und Kinder wochenlang in Kellern ohne Wasser, Nahrung, medizinische Versorgung und Strom eingeschlossen waren, bevor sie durch Feuer, ausgelöst durch Granatbeschuss, getötet wurden.

‚Die anschließende Sprengung der Gebäude zerstörte Beweismittel und hat dadurch weitgehend die grundsätzliche Identifizierung und Aufspürung sterblicher Überreste verhindert‘, fährt der Bericht fort. ‚Anstatt eine Untersuchung zu den Umständen einzuleiten, die den berichteten übermäßigen Einsatz von Gewalt, Einsatz schwerer Waffen und den sich daraus ergebenden Tötungen begleiten, beschuldigten die örtlichen Behörden noch die getöteten Menschen der Zugehörigkeit zu terroristischen Organisationen und ergriffen repressive Maßnahmen gegen die Angehörigen von deren Familien‘.

Der Bericht beschreibt, wie die Familie einer Frau ‚vom Staatsanwalt aufgefordert wurde, ihre Überreste abzuholen, die aus drei kleinen Stücken verbrannten Fleisches bestanden, die identifiziert worden waren anhand eines DNA Abgleiches. Die Familie erhielt keinerlei Erklärung darüber, wie sie getötet wurde, noch erhielt sie einen forensischen Bericht. Die Schwester des Opfers, die diejenigen zur Rechenschaft gezogen wissen wollte, die für ihren Tod verantwortlich seien und versucht hatte, den Weg eines Gerichtsverfahrens einzuschlagen, wurde terroristischer Straftaten beschuldigt.‘

Der Bericht führte auch Information an, die von türkischen Regierung eingingen und besagten, dass die Kurdische Arbeiterpartei (PKK), die von der Regierung als terroristische Organisation eingestuft wird, ‚eine Reihe gewalttätiger Angriffe ausgeführt hätte, die Tote

und Verletzte unter türkischen Sicherheitskräften und anderen Einzelpersonen verursacht hätten. Nach Aussage der Regierung sei die PKK auch in Entführungen, auch von Kindern; Aushebung von Gräben und Einrichtung von Straßensperren in Groß- und Kleinstädten und in der Verhinderung von medizinischer Versorgung in Notfällen involviert gewesen‘.

Das Büro der Vereinten Nationen für Menschenrechte sagt, dass es fast ein Jahr lang versucht habe, Zugang zu den betroffenen Teilen im Südosten der Türkei zu erhalten, um dort unabhängig Behauptungen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen nachzugehen. In Ermangelung eines angemessenes Zugangs wurde der Bericht – der erste einer Reihe von Berichten – auf der Grundlage von Fernüberwachung, unter Benutzung sowohl öffentlicher wie auch vertraulicher Quellen, Satellitenaufnahmen und Interviews zur Sammlung von Informationen über das Vorgehen und die Auswirkungen der Sicherheitsmaßnahmen im Südostend es Landes erstellt.

Der Bericht dokumentiert auch Berichte über Folterungen, Zwangsvertreibungen, Aufwiegelungen zu Hass, Verhinderung des Zugangs zu medizinischer Versorgung in Notfällen, Nahrung, Wasser und Lebensunterhalt sowie Gewalt gegen Frauen und Ausdruck der Besorgnis ‚über Enteignungsmaßnahmen nach Abschluss der Sicherheitsoperationen’ unter Nennung einer Reihe von Beispielen, darunter die Entscheidung des Ministerrats vom März 2016, die den Berichten nach zu der Enteignung von bis zu 100 Prozent der Grundstücke in Sur führte.

Maßnahmen, die unter dem Ausnahmezustand im Anschluss an den versuchten Staatsstreich vom Juli 2016 ergriffen wurden, einschließlich der Entlassung von mehr als 100.000 Personen aus der Verwaltung oder dem privaten Sektor während des Berichtszeitraums haben ebenfalls die Menschenrechtslage im Südosten schwer beeinträchtigt. Gut 10.000 Lehrer wurden ohne ordentliches Gerichtsverfahren den Berichten nach entlassen unter dem Verdacht von Verbindungen zu der PKK. Der Einsatz von Gesetzgebung zu Terrorismusbekämpfung zur Entfernung demokratisch gewählter Beamter beziehungsweise Angestellter im öffentlichen Dienst mit kurdischer Herkunft, die schwere Belästigung unabhängiger Journalisten, die Schließung unabhängiger und kurdischsprachiger Medien und Bürgervereinigungen und Massenentlassung von Richtern und Staatsanwälten haben ebenfalls das Prinzip der Gewaltenteilung und den Schutz der Menschenrechte ernsthaft geschwächt.

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al Hussein, räumte die komplexen Herausforderungen ein, vor denen die Türkei beim Umgang mit dem versuchten Staatsstreich vom Juli 2016 und in Reaktion auf eine Reihe von Terrorangriffen gestanden hat. Er sagte allerdings auch, dass die erkennbar signifikante Verschlechterung der Menschenrechtslage in dem Land Grund zur Beunruhigung sei und nur zu einer Vertiefung der Spannungen und zur Förderung von Instabilität beitragen würde.

‚Ich bin besonders besorgt durch Berichte darüber, dass keinerlei glaubwürdige Untersuchung von Hunderten behaupteter ungesetzlicher Tötungen einschließlich derer von Frauen und Kindern während eines Zeitraums von 13 Monaten zwischen Ende Juli 2015 und Ende August 2016 stattgefunden hat. Es hat sich herausgestellt, dass kein einziger Verdächtiger verhaftet und keine einzige Person strafrechtlich verfolgt worden ist‘, sagte der Hohe Kommissar Zeid.

‚Die türkische Regierung hat uns keinen Zugang erlaubt, hat aber die Glaubhaftigkeit der sehr schwerwiegenden Behauptungen angezweifelt, die in diesem Bericht erhoben werden. Aber die Schwere der Behauptungen, das Ausmaß der Zerstörungen und die Vertreibung von mehr als 355.000 Menschen bedeuten, dass eine unabhängige Untersuchung sowohl dringend erforderlich wie auch geboten ist‘.

Der komplette Bericht in englischer Sprache http://www.ohchr.org/Documents/Countries/TR/OHCHR_South-East_TurkeyReport_10March2017.pdf