MESOP NEWS KONFRONTATION: EIN NEUER UNAUSWEICHLICHER KRIEG -„Ich habe Putin klargemacht, dass wir das stoppen werden, wenn es nicht von selbst aufhört“, sagte Netanjahu Ende Januar bei einem seiner vielen Besuche in Moskau. Putin erwiderte nichts.

 Israel, Libanon und Syrien : Auf Konfrontationskurs

Von Jochen Stahnke , FAZ – Tel Aviv – Aktualisiert am 10.02.2018-13:38 –  Im Norden Israels, an der Grenze zum Libanon und zu Syrien, wächst die Kriegsgefahr. Auch wenn das eigentlich niemand will.

Der Luftschlag in jener Januarnacht vor drei Jahren war ein gewagter Schritt. Er galt einer Gruppe aus Hizbullah-Kommandeuren und einem iranischen General, die sich auf der syrischen Seite der Golanhöhen eingefunden hatte. Der israelische Hubschrauberangriff war erfolgreich, sie wurden getötet. Israel hatte aus damaliger Sicht eine schiitische Kommandogruppe vernichtet und verhindert, dass diese ihre Operationen in Syrien auf das unmittelbare Grenzgebiet zu Israel ausweitet. Aus heutiger Sicht war Israel einem direkten Krieg gegen die Hizbullah und ihre Schutzmacht Iran nie so nahe wie damals.

Es kam nicht zur Eskalation. Teherans Reaktion blieb aus, und die Hizbullah beschränkte sich zur Vergeltung auf einen einzigen Raketenangriff aus dem Libanon, der zwei israelische Soldaten das Leben kostete.

Das Risiko der israelischen Führung zahlte sich aus. Iranische und proiranische Kräfte hielten sich von der Grenze fortan weitgehend fern. Doch dann griff Russland in den Syrien-Krieg ein. Zusammen mit Teheran hat Moskau dem Diktator Baschar al Assad das Überleben gesichert, dessen Regime jetzt wieder den größten Teil Syriens kontrolliert. Zuletzt nahmen Assad-Truppen den unmittelbar an der Grenze zu Israel gelegenen Ort Beit Jinn ein. Dass die versehrte syrische Armee solche Eroberungen nur gemeinsam mit der Hizbullah oder iranischen Kräften bewerkstelligen kann, ist das jüngste Zeichen dafür, wie sehr sich das Bündnis auf Konfrontationskurs mit Israel befindet. Die israelischen Luftschläge haben sich in jüngster Zeit noch verstärkt, aber es gibt keine Garantie, dass sie weiterhin unerwidert bleiben.

Rote Linien für Netanjahu

Iran hat mit Assad längst Abkommen im Energie-, Mobilfunk- und Landwirtschaftsbereich geschlossen und etwas zu verlieren. Israel ist besorgt, dass Iran seine Kriegsdividende darüber hinaus auch in einen Kriegshafen, in Flugplätze, iranische Kasernen und Raketenfabriken in Syrien verwandelt. Für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sind das rote Linien, während sich Russland in der Sache nicht festlegt. „Ich habe Putin klargemacht, dass wir das stoppen werden, wenn es nicht von selbst aufhört“, sagte Netanjahu Ende Januar bei einem seiner vielen Besuche in Moskau. Putin erwiderte nichts. Tage später zerstörten israelische Kampfflugzeuge eine Forschungsanlage vor Damaskus, in der die Hizbullah mit iranischer Hilfe ihre Mittelstreckenraketen modernisiert haben soll.

Allein im benachbarten Libanon besitzt die Hizbullah nach israelischen Erkenntnissen mittlerweile 130.000 Raketen. Größtenteils soll es sich um alte, ungelenkte Geschosse handeln. Israels Regierung befürchtet, dass diese jetzt nach und nach mittels günstig käuflicher GPS-Sender aufgerüstet und zu präzisen Lenkwaffen werden können. Bis zuletzt ist man in Israel davon ausgegangen, dass weder Iran noch die Hizbullah Interesse an einem offenen Krieg gegen Israel haben. Die Schlachten in Syrien kosten Kräfte der schiitischen Miliz, die mit Tausenden eigenen Verletzten und Toten umzugehen hat. Auch wenn man in Israel bis zuletzt vermutete, dass auch Iran keinen Krieg gegen Israel anstrebt, ziehe sich „die Schlinge um Israel herum“ zusammen, wie Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sagte. Dem Bild Liebermans entsprechen der große Einfluss der proiranischen Hizbullah im Libanon, der proiranischen Houthi-Rebellen im Jemen, schiitischer Macht im Irak sowie die Rückeroberung Syriens durch Teherans Verbündeten Assad. Iran sucht den strategischen Druck von den eigenen Grenzen wegzuhalten und kämpft lieber woanders ohne viele eigene Soldaten. Der verheerende Krieg in den achtziger Jahren gegen den Irak ist nicht vergessen, der Hunderttausende Iraner das Leben kostete. Im Zuge der jüngsten Volksproteste in Iran fielen Parolen, man wolle das eigene Blut dem Mutterland schenken, es aber nicht auf fernen Kriegsschauplätzen wie Syrien vergießen.

Dieses Bild könnte Israel weiter bestärken, den von Teheran bis Beirut reichenden „schiitischen Korridor“ jetzt in Syrien zu durchtrennen und dort dauerhaft iranische Einrichtungen zu verhindern. Auch Israel strebt keinen richtigen Krieg an: Diese Woche ließ Netanjahu über den amerikanischen Diplomaten David Satterfield in Beirut übermitteln, dass Israel keine Eskalation mit dem Libanon sucht. Während Schiiten im Irak die knappe Bevölkerungsmehrheit und im Libanon gut ein Drittel bilden, handelt es sich in Syrien nur um einen kleinen Prozentsatz. Im Libanon ist die Hizbullah in der Bevölkerung und der Regierung verwurzelt, aber in Syrien gibt es derartig enge Verbindungen nicht. Dortige Hizbullah-Stellungen liegen außerhalb der Bevölkerungszentren. Israelische Schläge kosten in Syrien also deutlich weniger zivile Opfer als im Libanon, wo die Hizbullah als „Beschützerin des Volkes“ auf israelische Angriffe anders reagieren müsste.

 

Im Gegensatz zum Libanon hat Israel in Syrien schon mindestens einhundert Luftangriffe auf die Hizbullah geflogen, ohne dass die Miliz, Iran oder Assad darauf wirkmächtig reagiert hätten. Doch gibt es keine Garantie dafür, dass das so bleibt. Auch Russland lässt die israelischen Angriffe in Syrien geschehen – noch. Denn wie weit Moskaus Garantien gehen, ist ebenso unklar wie das künftige Verhalten des Syrers Assad an der Grenze zu Israel. Zwar ist die syrische Armee für Israel keine Gefahr, aber im Militärhauptquartier in Tel Aviv gibt es Sorge, dass sich auch andere Kräfte syrische Uniformen überziehen. Israel verlangt eine vierzig Kilometer breite Pufferzone hinter den Golanhöhen, in der sich keine ausländischen Kräfte aufhalten – sie würde bis zur Straße zwischen Daraa und Damaskus reichen. Russland aber gibt keine Zustimmung. Die Israelis misstrauen Moskau längst.

Durch die weitgehende militärische Abwesenheit der Vereinigten Staaten in dieser Region muss sich Netanjahu stärker auf Putin verlassen, als ihm lieb ist. Wie weit allerdings der russische Einfluss auf Iran und Assad, der iranische Einfluss auf Assad und die Hizbullah und der amerikanische Einfluss auf den Libanon reicht, sind Gleichungen mit vielen Unbekannten. Israel testet ebenso wie die anderen Akteure fortwährend in kleinen militärischen Schritten aus, wie weit es gehen kann. Die Lage sei so komplex geworden, dass „ein größerer Krieg nur eine Fehlkalkulation entfernt ist“, heißt es in einer neuen Studie der Denkfabrik International Crisis Group. Israel hat jetzt den Aufbau eines neuen Raketenkorps angekündigt. Und an der Nordgrenze wird dieses Jahr eine der größten Luftlandeübungen seit Jahren stattfinden.

 

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/israel-libanon-und-syrien-auf-konfrontationskurs-15440849.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0