MESOP NEWS : ERDOGAN’S GOLDJUNGEN Türkei „Nun werdet ihr den Zusammenbruch eines Imperiums erleben“ / DIE ROLLE VON FRAU ERDOGAN

Von Boris Kálnoky | Stand: 09:53 Uhr | WELT N  24

Es klingt wie die Geschichte eines Agentenfilms: Ein türkisch-iranischer Goldhändler, verheiratet mit einer Popsängerin und ein Banker, der in den USA festgenommen wurde – Figuren einer Affäre, die Erdogan belastet.Quelle: N24 / Kevin Knauer  – Ein dubioser türkisch-iranischer Goldhändler, seine Ehe mit einer Popsängerin und ein in den USA verhafteter Top-Banker – wie eine Korruptionsaffäre Präsident Recep Tayyip Erdogan belastet.

Er ist eine Schlüsselfigur diverser Korruptionsvorwürfe rund um den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, nun wurde er am New Yorker Flughafen von der amerikanischen Polizei verhaftet. Mehmet Hakan Atilla, stellvertretender Chef der staatlichen türkischen Halkbank, zuständig für internationale Geschäfte, gilt als zentraler Partner des iranischen Goldhändlers Resa Sarrab.

Der wurde bereits im vergangenen Jahr bei einem USA-Besuch von den dortigen Behörden festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Sein Name stand im Mittelpunkt von Korruptionsermittlungen in der Türkei 2013/14 gegen Erdogans engsten Umkreis.

Sarrab war damals zusammen mit drei Ministersöhnen verhaftet worden, bald darauf aber wurden alle wieder freigelassen, die Ermittlungen gestoppt, die zuständigen Staatsanwälte und Ermittler entlassen oder strafversetzt.

Den USA geht es um Iran-Sanktionen und Geldwäsche

Erdogan hatte die Ermittlungen damals als amerikanisches Komplott gegen ihn dargestellt – und als Umsturzversuch des, in den USA lebenden, Predigers Fethullah Gülen. Die zuständigen Staatsanwälte galten als dessen Anhänger.

Die amerikanischen Vorwürfe gegen Sarrab und Atilla lauten allerdings nicht auf Korruption in der Türkei. Es geht vielmehr um den Verdacht, dass beide Männer in enger Zusammenarbeit riesige Summen in den Iran brachten und damit erstens die amerikanischen Sanktionen gegen das Land umgingen und zweitens Geldwäsche im größten Stil betrieben.

Gleichwohl weiß die Regierung in Ankara, dass die beiden Männer, die Erdogan mit ihrem Insiderwissen am meisten schaden können, nun in amerikanischem Gewahrsam sind und dort verhört werden. Erdogan geht gewiss davon aus, dass die Amerikaner das tun werden, was er in ähnlicher Lage tun würde: Alle belastenden Informationen gegen ihn in Erfahrung bringen, um sie bei gegebener Gelegenheit zu verwenden.

Gold gegen Öl, getarnt als Lebensmittellieferungen

Atillas Verhaftung kommt überdies zu einem höchst ungelegenen Zeitpunkt: Am 16. April findet in der Türkei ein Verfassungsreferendum statt, das Erdogan alle Macht geben soll. Die Umfragen zeigen, dass sein Sieg keineswegs sicher ist – und nun dies. Die Ermittler interessieren sich vor allem für den schwunghaften Goldhandel, den Sarrab über Jahre betrieb.

Im Kern geht es um das amerikanische Wirtschaftsembargo gegen den Iran. Sarrab ermöglichte es Teheran, das Embargo zu umgehen, indem statt der immer schwierigeren Banktransfers auf komplizierten Umwegen Gold gegen Öl getauscht wurde.

Teilweise wurden Summen aus diesem Handel auch über die Halkbank überwiesen. Dank Bankmanager Atilla, so der Verdacht, wurden diese Transfers aber „frisiert“ und sahen dann so aus, als gehe es um Geld für Lebensmittellieferungen. Die waren aus humanitären Gründen vom Embargo ausgenommen.

Millionen an die Stiftung von Erdogans Frau?

Sarrab wurde sehr reich mit diesen Geschäften. Er soll eine ganze Reihe hoher türkischer Politiker bestochen haben. Unter anderem soll er Millionenbeträge an die gemeinnützige Stiftung von Emine Erdogan überwiesen haben, die Frau des Staatspräsidenten.

Zu Sarrabs Vermögenswerten, die von den damaligen türkischen Ermittlern zunächst beschlagnahmt und dann wieder freigegeben wurden, zählen ein Privatjet und ein Rennpferd. Das spektakuläre Privat- und Liebesleben des erst 33-jährigen Sarrab und die Heirat mit einer beliebten türkischen Popsängerin beschäftigten die Boulevardpresse, seine Geschäfte waren aber lange Jahre hindurch kein Thema für die Medien.

Die USA hatten sowohl die türkische Regierung als auch die Halkbank schon vor Jahren wiederholt, aber diskret aufgefordert, den verdächtigen Goldhandel zu stoppen oder zu reduzieren. Ohne Erfolg. Vor etwa dreieinhalb Jahren soll daraufhin der damalige US-Botschafter in Ankara, Francis Ricciardone, bei einem Abendessen mit westlichen Diplomaten prophezeit haben: „Nun werdet ihr den Zusammenbruch eines Imperiums erleben.“ Das suggerierte, er habe von den türkischen Ermittlungen gegen Sarrab gewusst, bevor diese bekannt wurden. Ricciardone hat das dementiert.

Ein Verteidiger ist ein Vertrauter Donald Trumps

Die jetzigen amerikanischen Ermittlungen stehen erst am Anfang. Es ist nicht zu erwarten, dass sie von der Regierung torpediert werden wie die damaligen Verfahren in der Türkei. Allerdings: Zu Sarrabs Verteidigern gehört auch ein Intimus des US-Präsidenten Donald Trump, Rudy Giuliani.

Was die Beweise gegen Sarrab und Atilla betrifft, gibt es der US-Staatsanwaltschaft zufolge Telefonmitschnitte. Sie sollen belegen, dass beide Männer darüber sprachen, wie man den Anschein erwecken könnte, es seien Lebensmittellieferungen aus Dubai in den Iran erfolgt und per Banküberweisung vom Iran bezahlt worden.

Auch die türkischen Ermittlungen fußten auf Telefonmitschnitten, für die Erdogan damals die „Gülenisten“ und westliche Geheimdienste verantwortlich machte. Nun muss man sich fragen, ob die Amerikaner Sarrab oder Atilla tatsächlich abgehört haben. Wenn ja: Wen noch? Und wie gerieten diese Mitschnitte ins Internet? Denn dort wurden sie über Twitter verbreitet.

Oder aber es waren – eventuell mit Gülen verbündete – Ermittler in der Türkei? Doch wie geriet das Material dann in die Hände der Amerikaner? Die entscheidende Frage aber ist, ob vor dem Referendum am 16. April Informationen aus den US-Ermittlungen in die Medien gelangen. Ansonsten ist kaum vorstellbar, dass die Affäre irgendeinen Einfluss auf den Ausgang der Volksabstimmung haben wird.