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Gedicht an Hochschulfassade : Kann Bewunderung herabsetzend sein?  Von Sandra Kegel und Jan Wiele  – FAZ

Löschen, überschreiben? So wirbt die Alice-Salomon-Hochschule auf ihrer Homepage für die Neugestaltung ihrer Südfassade. Derzeit ist dort das Gedicht „avenidas“ von Eugen Gomringer zu lesen: „avenidas / avenidas y flores / flores / flores y mujeres / avenidas / avenidas y mujeres / avenidas y flores y mujeres y / un admirador“ (alleen / alleen und blumen / blumen / blumen und frauen / alleen / alleen und frauen / alleen und blumen und frauen und / ein bewunderer).

Der 1925 als Sohn einer Indianerin und eines Schweizers in Bolivien geborene Gomringer veröffentlichte das Gedicht 1953 in der Schweizer Zeitschrift „Spirale“. In seinem 1954 erschienenen Aufsatz „Vom Vers zur Konstellation“ wertete er es programmatisch als Überwindung traditioneller Dichtungsauffassungen. Der Asta der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin will ein Gedicht Eugen Gomringers von der Fassade entfernen lassen, weil es Frauen herabsetze. Ein Gespräch mit dem Hochschulrektor Uwe Bettig über das Gedicht, den Protest und die Folgen.

Auf der Südfassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin (ASH) steht das spanische Gedicht „avenidas“ von Eugen Gomringer, der 2011 mit dem Poetik-Preis dieser Hochschule ausgezeichnet wurde. In einem Offenen Brief hatte der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der ASH sich im vergangenen Jahr dafür ausgesprochen, das Gedicht von der Fassade zu entfernen, denn es reproduziere „nicht nur eine klassische patriarchale Kunsttradition, in der Frauen* ausschließlich die schönen Musen sind, die männliche Künstler zu kreativen Taten inspirieren“, sondern erinnere „zudem unangenehm an sexuelle Belästigung, der Frauen* alltäglich ausgesetzt sind“. Das Gedicht wirke „wie eine Erinnerung daran, dass objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können“.

Ferner heißt es in dem Brief: „Zwar beschreibt Gomringer in seinem Gedicht keineswegs Übergriffe oder sexualisierte Kommentare, und doch erinnert es unangenehm daran, dass wir uns als Frauen* nicht in die Öffentlichkeit begeben können, ohne für unser körperliches ,Frau*-Sein‘ bewundert zu werden. Eine Bewunderung, die häufig unangenehm ist, die zu Angst vor Übergriffen und das konkrete Erleben solcher führt.“ Der Asta befürchtet für Frauen angesichts des Gedichts eine „Degradierung zu bewunderungswürdigen Objekten im öffentlichen Raum, die uns Angst macht“.

Ende Juli hat die ASH einen Aufruf zur Neugestaltung der Fassade veröffentlicht (unser Bild); bis zum 15. Oktober können Vorschläge eingereicht werden. Danach erfolgt eine Online-Abstimmung. Voraussetzung sei, so heißt es dort, dass die Vorschläge „nicht diskriminierenden Inhaltes“ seien. Der Rektor der Hochschule und Professor für Betriebswirtschaftslehre, Uwe Bettig, nimmt im Gespräch dazu Stellung. (F.A.Z.)

Wie fasst die Hochschulleitung den prägenden Sprechakt des Gomringer-Gedichts auf? Teilen Sie die Ansicht des Asta, dass Bewunderung hier herabsetzend gemeint sei?

Auch in der Hochschulleitung wurde über den Beschluss diskutiert. Ich persönlich sehe den Beschluss des Akademischen Senats sehr kritisch und hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht.

Teilen Sie die Ansicht des Asta, dass Eugen Gomringer ein Dichter ist, dessen Zeilen zu „Angst vor Übergriffen und das konkrete Erleben solcher führen“?

Nein, in keinster Weise.

Teilen Sie die Ansicht des Asta, dass dieses Gedicht „wie eine Farce“ wirke und daran erinnere, „dass objektivierende und potentiell übergriffige und sexualisierende Blicke überall sein können“?

Nein, aber wir nehmen diese Rückmeldung von Studierenden sehr ernst, insbesondere dann, wenn sich Personen diskriminiert fühlen.

Teilen Sie die Ansicht des Asta, dass der Dichter Eugen Gomringer in diesem Werk Frauen herabsetzt?

Ich persönlich teile diese Ansicht nicht. Tatsache ist aber, dass einige Frauen sich durch dieses Gedicht herabgesetzt fühlen.

Betrachten Sie die bisherige Gestaltung der Fassade mit Eugen Gomringers Gedicht als gelungenes Kunstwerk?

Ja, ich persönlich empfinde sowohl das Gedicht als auch die Anbringung auf unserer Fassade als gelungenes Kunstwerk.

Aus welchen Gründen haben Sie sich seinerzeit dazu entschlossen, das Gedicht für die Hochschulwand auszuwählen?

Das Gedicht hat Gomringer als Preisträger des Alice-Salomon-Poetik-Preises 2011 als Dank unserer Hochschule zur Verwendung überlassen. Die damalige Rektorin hat entschieden, dies auf der Südfassade der ASH Berlin zur Geltung zu bringen. Einer der jetzigen Kritikpunkte ist daher, dass darüber im Vorfeld keine hochschulöffentliche Diskussion – der Nutzerinnen und Nutzer des Gebäudes – stattgefunden hat.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/asta-der-alice-salomon-hochschule-will-ein-gedicht-von-der-fassade-entfernen-lassen-15172671.html