MESOP MIDEAST WATCH : ZWEI WEGE ZU EINEM ATOMWAFFEN-FREIEN NAHEN OSTEN
ANGESICHTS DER ZUNEHMENDEN NUKLEAREN BEDROHUNGEN SIND DER JÜNGSTE VERTRAG ÜBER DAS VERBOT VON ATOMWAFFEN UND DIE LAUFENDEN BEMÜHUNGEN UM DIE SCHAFFUNG EINER ATOMWAFFENFREIEN ZONE IM NAHEN OSTEN FÜR BEIDE SEITEN VON VORTEIL.
Mahmoud Javadi CARNEGIE ENDOWMENT 22.2.24
Das zweite Treffen der Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags (TPNW) ist im Dezember 2023 zu Ende gegangen. Der Vertrag, der 2021 in Kraft trat, entstand als Reaktion auf die weltweite Ernüchterung über die langsamen Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung, wie sie im Atomwaffensperrvertrag (NVV) von 1970 dargelegt sind.
Bis Februar 2024 haben dreiundneunzig Länder den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet, von denen neunundsechzig ihn ratifiziert haben oder ihm beigetreten sind. Darüber hinaus gelten dreiundvierzig Staaten, die weder Vertragsparteien noch Unterzeichner des Vertrags sind, als “andere Unterstützer” des TPNW, seit sie 2017 für seine Verabschiedung gestimmt haben. So befürworten fast 70 Prozent der UN-Mitgliedstaaten und der ständigen Beobachter den Vertrag in verschiedenen Funktionen.
Von den zweiundzwanzig Mitgliedstaaten der Arabischen Liga haben sechs Staaten – Algerien, Libyen, Sudan, Dschibuti, Palästina und die Komoren – den Vertrag unterzeichnet, wobei die beiden letzteren Vertragsstaaten sind. Die arabische Welt stellt einen bedeutenden Teil der anderen Unterstützer des Vertrags dar, zu denen vierzehn Staaten der Arabischen Liga gehören. Syrien und Saudi-Arabien werden als unentschlossen eingestuft, was weder Unterstützung noch Ablehnung des Vertrags bedeutet. So erkennt fast die gesamte arabische Welt den Atomwaffenverbotsvertrag als “eine bedeutende Ergänzung des globalen nuklearen Abrüstungs- und Nichtverbreitungsregimes” an.
Diese Reaktion auf den Atomwaffenverbotsvertrag ist nur das jüngste Beispiel für die langjährige arabische Unterstützung für die Nichtverbreitung von Atomwaffen im gesamten Nahen Osten. Nach dem Inkrafttreten des Atomwaffensperrvertrags brachten Ägypten und der vorrevolutionäre Iran im August 1974 gemeinsam eine Resolution der UN-Generalversammlung ein, in der sie sich für die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten (MENWFZ) aussprachen. Seitdem hat sich die arabische Welt konsequent für diese Sache eingesetzt, wenn auch mit begrenztem Erfolg. Im Jahr 2018 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen, eine jährliche Konferenz über die MENWFZ abzuhalten, deren vierte Sitzung im November 2023 stattfinden wird, und die Idee einer MENWFZ hat im Rahmen des Atomwaffenverbotsvertrags allgemeine Anerkennung gefunden.
Doch trotz dieser Anerkennung haben mehrere Faktoren die arabischen Staaten davon abgehalten, den Atomwaffenverbotsvertrag uneingeschränkt zu unterstützen. Bemerkenswert ist, dass Israels absichtliche Zweideutigkeit in Bezug auf sein Atomprogramm, gepaart mit den nuklearen Ambitionen des Iran und anderen militärischen Bedrohungen, die Vorstellung unter den arabischen Ländern gestärkt hat, dass Atomwaffen ein wesentliches Abschreckungsmittel sind. Während es für die arabischen Staaten schwierig, wenn nicht unmöglich wäre, solche Waffen tatsächlich zu erlangen, könnten sie von der Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags absehen, um diese Option zu wahren.
Der jüngste Anstieg der Spannungen im Nahen Osten ist gekennzeichnet durch die provokative israelische Nuklearrhetorik gegen die Palästinenser und Teherans zunehmende Undurchsichtigkeit seiner Atomprogramme – trotz des Atomabkommens des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA). Dies bietet düstere Aussichten für die breite Akzeptanz des Atomwaffenverbotsvertrags in der arabischen Welt in absehbarer Zeit: Anhaltende nukleare Provokationen sowohl durch Israel als auch durch den Iran dürften das Konzept der nuklearen Abschreckung verewigen.
Nichtsdestotrotz können das MENWFZ und der Atomwaffenverbotsvertrag für beide Seiten von Vorteil sein. Durch die Aufnahme der MENWFZ in die künftige Kernagenda des Atomwaffenverbotsvertrags kann der Vertrag als zusätzliches rechtliches und politisches Instrument für die arabische Welt dienen. Um die arabischen Staaten mit ins Boot zu holen, sollten die Vertragsstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags die bevorstehende Zwischensitzungsperiode bis 2025 nutzen, um die MENWFZ im Rahmen des Atomwaffenverbotsvertrags zu unterstützen und eine Arbeitsgruppe zu bilden, die festlegen soll, wie die Schaffung einer MENWFZ am besten erleichtert werden kann.
Um diesen Ansatz glaubwürdig zu machen, sollten die Arabische Gruppe und die arabischen Staaten des Atomwaffenverbotsvertrags den Vertrag in ihren Erklärungen vor dem Ersten Ausschuss der Vereinten Nationen, der Generalversammlung und anderen Foren ausdrücklich als komplementären Weg für die MENWFZ anerkennen. Auch wenn der Prozess der gegenseitigen Verstärkung nicht zu unmittelbaren Ergebnissen führen mag, steht er doch im Einklang mit den Bestrebungen der TPNW-Befürworter und der arabischen Welt gleichermaßen, die sich weigern, tatenlos zuzusehen, wie die nuklearen Risiken zunehmen.
Mahmoud Javadi ist KI-Governance-Forscher an der Erasmus-Universität Rotterdam (EUR) und war zuvor mit Carnegie Europe verbunden, wo er zu den EU-Außenbeziehungen forschte. Er vertritt EUR im EU-Konsortium für Nichtverbreitung und Abrüstung. Folgen Sie ihm auf X @mahmoudjavadi2.