MESOP MIDEAST WATCH : Ukraine wird auch „vor der Tür warten müssen“: Erdogan zu EU-Beitrittsverhandlungen
Der türkische Präsident, dessen Land seit fast 20 Jahren EU-Beitrittskandidat ist, sprach über die Aussichten für die Ukraine und Moldau.
Katerina Alexandridi BERLINER ZEITUNG 20.12.2023 | 20:43 Uhr
Recep Tayyip Erdogan äußerte sich zum grünen Licht der EU für die Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau. Die Entscheidung, Verhandlungen aufzunehmen, fällten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union trotz ungarischen Widerstands am vergangenen Donnerstag bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem „Sieg für die Ukraine“ und „für ganz Europa“.
„Ihnen den Kandidatenstatus zu geben, bedeutet nicht, dass sie EU-Mitglieder werden. Es wird ein Prozess mit ihnen eingeleitet und sie werden hingehalten“, sagte am Dienstag Erdogan auf dem Rückflug in die Türkei nach einem Staatsbesuch in Ungarn vor Journalisten, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet. „Keines dieser Länder ist die Türkei. Es ist falsch, dass die Türkei, die eher bereit ist, der EU beizutreten, als viele andere Mitgliedstaaten, seit Jahren aufgrund politischer Hindernisse vor der Tür gehalten wird.“
Erdogan behauptete, dass die Türkei mit ihrem „strategischen und wirtschaftlichen Potenzial“ bereits die Vollmitgliedschaft in der EU erreicht haben sollte. „Die Prozesse, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig und einflussreich die Türkei ist“, so der türkische Präsident. „Die EU muss jetzt von diesem Fehler zurückkehren.“
Der Beitrittsprozess der Türkei selbst ist ins Stocken geraten
Die Türkei stellte 1987 einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft (damals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) und wurde 1999 zum Bewerberland erklärt. Im Oktober 2005 wurden die Verhandlungen offiziell aufgenommen, der Prozess ist aber ins Stocken geraten. Von den 35 Kapiteln, die die Grundlage für die Verhandlungen bilden und sich auf Bereiche von der Wirtschaft bis zur Rechtsstaatlichkeit beziehen, gelten derzeit für die Türkei acht als blockiert.
„Die Türkei hat sich weiter von der EU entfernt und den negativen Trend in Bezug auf Reformen nicht umgekehrt, obwohl sie sich wiederholt zum EU-Beitritt bekannt hat“, heißt es im jüngsten Bericht der Europäischen Kommission über den Beitrittsprozess des Landes, der im November veröffentlicht wurde. Erdogans Äußerungen gegen die israelische Militäraktion im Gazastreifen nach dem von der Hamas am 7. Oktober verübten Massaker werden ebenfalls hervorgehoben. „In der Außen- und Sicherheitspolitik hielt die Türkei eine sehr niedrige Angleichungsrate von 10 Prozent an die EU-Haltung aufrecht (Stand: August 2023), verglichen mit 8 Prozent im Jahr 2022“, heißt es weiter in dem Bericht. „Ihre Rhetorik zur Unterstützung der Terrorgruppe Hamas nach deren Angriffen auf Israel am 7. Oktober 2023 steht in völligem Widerspruch zum EU-Ansatz.“