MESOP MIDEAST WATCH: KURDISCHE REGIONALREGIERUNG IRAK = PARTNER DER BRD DEUTSCHLAND / EINE PLEITE MIT KORRUPTION

Erbil Immer mehr Menschen verlassen die einst aufstrebende autonome Region im Nordirak. Die Wirtschaft ist in der Krise.  – Von Birgit Svensson RP ONLINE  2-12-20221

Es sind vor allem junge Kurden wie Karwan, die sich nach Belarus aufmachen, um von dort in die EU zu gelangen.

Schon seit zwei Jahren wollte er nur noch weg aus dem Irak, aus Kurdistan, das seine Heimat ist. „Hier ist alles schlecht“, sagte er zur Begründung, „wir jungen Leute haben keine Perspektive“. Eigentlich ging es Karwan gut in Erbil, der Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Irak. Er hatte Arbeit an der Rezeption eines Vier-Sterne-Hotels, wohnte bei seinen Eltern, hatte Freunde. Doch er sah keine Zukunft.

Wie ihm ergeht es Tausenden Kurden derzeit. Viele ließen sich vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenkos anlocken, über Minsk nach Polen zu reisen. Die meisten wollen weiter nach Deutschland. Karwan hat Familie dort. Sein Kollege im Hotel meint, er habe es geschafft. Er habe ja ein Visum bekommen. Dass diese Einreisegenehmigung nur für Belarus gilt und Karwan vielleicht noch an der Grenze festsitzt, will der Rezeptionist nicht gelten lassen. „Was? Belarus gehört nicht zur EU?“

In der Klasse elf der Deutschen Schule Erbil (DSE) geht es in Gemeinschaftskunde um Fake News. Die neun Schüler – drei Mädchen, sechs Jungen – sollen sich Gedanken darüber machen, wie man Fakten von Fälschungen unterscheiden lernt. Dabei kommt schnell das Thema Migration zur Sprache. Der Cousin einer Schülerin ist ebenfalls nach Minsk geflogen. Er habe nach dem Studienabschluss verzweifelt versucht, einen Job zu finden, vergebens. Perspektivlosigkeit nennen alle neun den Hauptgrund für die Abwanderung aus Kurdistan. Ähnliches zeigt eine Umfrage der UN aus 2020: Darin geben 30 Prozent der befragten Jugendlichen in Irak-Kurdistan an, darüber nachzudenken, außerhalb der Region einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu suchen. Auch die Schülerinnen und Schüler der elften Klasse der DSE wollen mehrheitlich im Ausland studieren. Allerdings denken sie daran, wieder zurückzukehren, wenn sich die Lage in Kurdistan gebessert hat. Da sie alle in Deutschland geboren sind, ist das für sie kein Problem, ihren Aufenthaltsort selbst zu wählen.

Anders als für diejenigen, die in der Kälte an der polnischen Grenze ausharren. Laut Angaben aus dem Migrationsministerium in Bagdad sollen es noch immer etwa 4000 Iraker sein, die in Belarus ausharren, 3556 sollen bereits von der staatlichen Fluggesellschaft Iraqi Airways zurücktransportiert worden sein, vornehmlich Kurden.

Als „blauäugig“ bezeichnen einige der Schüler der Klasse elf in Erbil das Verhalten ihrer Landsleute. Deutschland sei nicht das Paradies, von dem alle träumten. Die deutsche Schule in Erbil wurde 2010 gegründet, als die Bewegung andersherum verlief. Damals sind Tausende Kurden aus Europa nach Kurdistan zurückgekommen. Sie waren vor Saddam Hussein nach Deutschland, Österreich oder Schweden geflohen. Nach seinem Sturz lockte eine verheißungsvolle Zukunft im Nordirak. Schätzungen zufolge sind zwischen 2005 und 2011 mindestens 50.000 Kurden zurückgekommen.

In Kurdistan setzte ein noch nie dagewesener Boom ein. Während im Rest Iraks der Terror von Al-Kaida und der Widerstand gegen die amerikanischen und britischen Besatzer tobte, erwiesen sich die kurdischen Provinzen Erbil, Dohuk und Suleimanija als sichere Häfen. Milliarden von Dollar wurden investiert. Neue Stadtviertel wuchsen wie Pilze aus dem Boden, neue Ölfelder wurden erschlossen. Innerhalb von fünf Jahren verdoppelte sich die Einwohnerzahl und machte die Kurdenmetropole Erbil zu einer Millionenstadt. Viele Kurden träumten von einer Situation wie in den Golfstaaten, wo der Emir für seine Untertanen sorgt und alle vom Reichtum profitieren.

Doch Kurdistan wurde kein Emirat und aus den Träumen wurde nichts, im Gegenteil. Die Baukräne stehen seit Jahren still, die Wirtschaft ist auf Talfahrt. Steigende Preise, riesige Einkommensunterschiede, mangelnde Aussichten auf sozioökonomische Mobilität, Lohnausfall im öffentlichen Dienst – und das über Monate. Einem Bericht der UN-Organisation für Entwicklung zufolge sank das Durchschnittseinkommen eines Haushalts in der kurdischen Region um 31 Prozent in den letzten drei Jahren, während der Restirak lediglich zwölf Prozent Rückgang verzeichnet. „Wir haben verloren“, sagt der ehemalige Oberbürgermeister von Erbil, Nihad Qoja, der am Aufstieg der Stadt mitgewirkt hat und seit einiger Zeit den Niedergang Kurdistans beobachtet. Er habe von Anfang an gesagt, die Entwicklung gehe zu schnell, „die Blase wird platzen“. Doch die Gier nach mehr war nicht zu bremsen. 2013 ist die Blase geplatzt. Danach ging es bergab.

Damals brach der Ölpreis erstmals ein und die kurdische Regionalregierung, allen voran der damalige Kurdenpräsident Masoud Barzani, bekam Krach mit Bagdad. Die Überweisungen aus der Hauptstadt – immerhin 17 Prozent des irakischen Haushalts – blieben aus und die Öleinnahmen halbierten sich nahezu. Ein Jahr später rollte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) über den Nordirak, zwar nicht in die Kurdengebiete, aber haarscharf daran vorbei. Als der IS besiegt war, wähnte sich Barzani stark genug, um einen unabhängigen Kurdenstaat anzustreben und ließ eine Volksbefragung abhalten, die mit großer Mehrheit für ein eigenständiges Kurdistan ausfiel. Doch der Alleingang des Kurdenführers kam ihn teuer zu stehen. Denn nicht nur Bagdad war alarmiert, sondern auch die Nachbarn Türkei und Iran opponierten massiv. Und selbst Kurdistans engste Verbündete, die USA, distanzierten sich von dem Ansinnen. In letzter Minute konnte ein Waffengang zwischen der irakischen Armee und den kurdischen Peschmerga verhindert werden. Dann kam Covid.

In Suleimanija brachen im November Studentenproteste aus, die sich in kleinerem Umfang auch auf andere Städte der Autonomiegebiete ausweiteten. Die Sicherheitskräfte griffen hart durch und feuerten auch scharfe Munition ab. Unmittelbar ging es den Studenten um die Wiedereinführung eines bescheidenen monatlichen Stipendiums, das die kurdische Regionalregierung vor 2014 für sie bereitgestellt hatte und das seitdem nicht mehr gezahlt wurde. In den Provinzen Erbil und Dohuk herrschen die Barzanis und deren politische Partei KDP, in Suleimanija die Talabanis und die PUK. Während sich in Suleimanija eine Opposition herausbildet, gibt es in den beiden anderen Provinzen kaum Widerstand. Die Leute gehen einfach nur weg. Auch die Schülerzahl der Deutschen Schule in Erbil hat sich halbiert.