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Syrien: Wer die Rebellen sind, die Assad bekämpfen

Offensive in Syrien : Wer die Rebellen sind, die Assad bekämpfen

Von Christoph Ehrhardt 2.12.2024, FAZ – Syriens Diktator ist in Bedrängnis. Hinter der Offensive der jüngsten Tage stecken auch Islamisten, die sich neuerdings gern im Anzug zeigen. Ihr Anführer wird auf der US-Terrorliste geführt.

Als die Islamistenallianz „Hay‘at Tahrir al-Scham“ (HTS) ihren Eroberungszug gegen die nordsyrische Großstadt Aleppo führte, gab es eine klare Aufforderung des Anführers: Seine Leute sollten sich benehmen, die Bevölkerung sollte wie ihr Besitz geschützt werden, erklärte Abu Muhammad al-Golani.

Die Anordnung passt ins Bild, denn Golani versucht schon länger, sich als geläuterter Dschihadistenführer zu präsentieren, der sich zu einem syrischen Anführer gewandelt hat. Seine 2017 gegründete Islamistengruppe steht jetzt an der Spitze der Offensive gegen das syrische Regime, die den Namen „Abschreckung der Aggression“ trägt.

Der Siegeszug ist erst einmal gebremst worden, das Regime und seine Alliierten haben eine Gegenoffensive angekündigt. Golani ist der Herrscher über die syrische Nordwestprovinz Idlib. Seine HTS-Allianz, deren Name sich als „Komitee zur Befreiung Großsyriens“ übersetzen lässt, ist aus einer mit Al Qaida verbündeten Gruppe namens Nusra-Front hervorgegangen. Von dem dschihadistischen Terrornetz hat sich Golani öffentlich losgesagt. Seine Leute präsentieren sich inzwischen in Anzügen, reden der wirtschaftlichen Entwicklung, Infrastrukturmaßnahmen und öffentlichen Dienstleistungen das Wort. Der HTS-Anführer selbst, der nach wie vor auf der US-Terrorliste geführt wird, ist sogar schon in Jeans aufgetreten.

„Golani versucht sich als eine Art sunnitischer Hassan Nasrallah zu etablieren“, sagt der syrische Politikberater Malik al-Abdeh. Wie der Anführer der libanesischen Schiitenorganisation wolle er zugleich eine religiöse Führungsperson sein, Vaterfigur für die eigene Klientel, syrischer Politiker und Partner ausländischer Mächte.

Widerwillen in der Bevölkerung

Nicht allen Kräften innerhalb der Gruppe gefällt die öffentliche Abkehr vom radikalen Islam. In der Bevölkerung von Idlib herrscht Widerwillen gegen den brutalen HTS-Sicherheitsapparat, der auch vor Folter nicht zurückschreckt, um Kritik und Widerstand zu unterdrücken. Ein Gutteil der dort lebenden Menschen ist nicht bereit, die Assad-Diktatur, gegen die sie sich erhoben hatte, gegen eine HTS-Autokratie einzutauschen. In Idlib hatte es über Monate Proteste gegeben.

Auch innerhalb der bewaffneten Gruppen der Assad-Gegner hat die militärisch gut organisierte und schlagkräftige Islamistenallianz Feinde. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit bewaffnete Grabenkämpfe gegeben. Für die jetzige Offensive gegen Assad haben sich in einer gemeinsamen Operationszentrale HTS-Brigaden mit anderen arabischen Milizen zusammengetan, die teils früher zu ihren Rivalen zählten, sich aber zuletzt an Golani angenähert haben.

Diese neuen Partner im Kampf gegen Assad sind Rebellengruppen aus einem türkeitreuen Dachverband, der sich „Syrische Nationale Armee“ (SNA) nennt. Sie haben nach den Worten von Malik al-Abdeh in den vergangenen Monaten massive Waffen- und Munitionslieferungen aus der Türkei erhalten. „HTS versucht, eine gewisse Distanz zu Ankara zu wahren. Sie besteht darauf, Kontakte über den türkischen Geheimdienst zu wahren, um den Einfluss zu begrenzen.“ In vielen Regionen Nordsyriens, in denen SNA-Rebellenmilizen dominieren, ist die türkische Regierung allgegenwärtig, wird in türkischer Währung bezahlt, gibt es türkische Postämter.

Doch die Hand der türkischen Förderer reicht nicht überall in die Einflussgebiete der SNA. Es gibt auch Gegenden, in denen sich die Milizen wie kriminelle Banden aufführen und die Bevölkerung terrorisieren. Während die Rebellen unter HTS-Führung das Regime in Aleppo und auch der Provinz Hama unter Druck setzten, führten SNA-Milizen eine weitere Offensive: die Operation „Morgenröte der Freiheit“. Diese richtet sich nicht nur gegen das Regime in Gegenden östlich von Aleppo, sondern auch gegen die Autonomieregierung im Nordosten Syriens, die von kurdischen Kräften dominiert ist. Deren Kader und Kämpfer der „Volksverteidigungskräfte“ (YPG) sind eng mit der PKK-Organisation verbandelt. Der Türkei gelten sie daher als Feind.

 

Die YPG hatten sich indes unter dem Banner der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ im Krieg gegen die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ als wichtiger Partner Washingtons etabliert. Zugleich weiteten sie ihr Einflussgebiet aus. Am Wochenende wurden Bilder feiernder SNA- Milizionäre in Tell Rifaat verbreitet. Kurdische Freischärler hatten dort 2016 die Kontrolle der Stadt übernommen, deren Bewohner sowohl vom IS bedrängt worden waren als auch von russischen Luftangriffen.