MESOP DOCUMENTE : SCHLUSSRESOLUTION EU PARLAMENT ZUR LAGE DER TÜRKEI 2016 / DEUTSCHER TEXT

Europäisches Parlament

2014-2019

 

Plenarsitzungsdokument – RC8-1276/2016<RepeatBlock-  NoDocSe>                                                                                      <NoDocSe><NoDocSe>

European Parliament resolution on EU-Turkey relations, as adopted in Strasbourg on the 24th of November 2016

(GERMAN VERSION)

Das Europäische Parlament,

–     unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, insbesondere jene vom 27. Oktober 2016 zu der Lage der Journalisten in der Türkei[1] und vom 14. April 2016 zu dem Bericht 2015 über die Türkei[2],

–     unter Hinweis auf den Jahresbericht 2016 über die Türkei, den die Kommission am 9. November 2016 veröffentlicht hat (SWD(2016)0366),

–     unter Hinweis auf den Verhandlungsrahmen der EU für die Türkei vom 3. Oktober 2005,

–     unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 18. Juli 2016 zur Türkei,

–     unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 231/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 zur Schaffung eines Instruments für Heranführungshilfe (IPA II)[3],

–     unter Hinweis auf das Recht auf freie Meinungsäußerung, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), deren Vertragspartei die Türkei ist, verankert ist,

–     unter Hinweis auf die Absichtserklärungen des Menschenrechtskommissars des Europarats,

–     unter Hinweis auf die Erklärung des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 26. Juli 2016 zu den Maßnahmen, die in der Türkei unter Berufung auf den Ausnahmezustand ergriffen wurden;

–     gestützt auf Artikel 123 Absätze 2 und 4 seiner Geschäftsordnung,

  1. in der Erwägung, dass die Europäische Union und das Europäische Parlament den gescheiterten Militärputsch in der Türkei aufs Schärfste verurteilt und die legitime Pflicht der türkischen Behörden zur strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen und Beteiligten anerkannt haben;
  2. in der Erwägung, dass die Türkei ein wichtiger Partner ist, von dem als Bewerberland erwartet wird, dass er sich an die höchsten demokratischen Standards hält, was die Achtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Grundfreiheiten und des Rechts aller auf ein faires Verfahren einschließt; in der Erwägung, dass die Türkei seit 1950 Mitglied des Europarats und daher an die EMRK gebunden ist;
  3. in der Erwägung, dass die repressiven Maßnahmen der türkischen Regierung, die unter Berufung auf den Ausnahmezustand ergriffen wurden, unverhältnismäßig sind, gegen die von der türkischen Verfassung geschützten grundlegenden Rechte und Freiheiten sowie gegen die demokratischen Werte verstoßen, auf denen die Europäische Union beruht, und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zuwiderlaufen; in der Erwägung, dass die Staatsorgane seit dem Putschversuch 10 Mitglieder der Großen Nationalversammlung der Türkei verhaftet haben, die der Oppositionspartei HDP angehören, sowie etwa 150 Journalisten (die höchste Zahl solcher Verhaftungen weltweit); in der Erwägung, dass 2 386 Richter und Staatsanwälte sowie 40 000 weitere Personen in Haft genommen wurden, von denen über 31 000 nach wie vor in Haft sind; in der Erwägung, dass nach dem von der Kommission verfassten Bericht 2016 über die Türkei 129 000 öffentliche Bedienstete entweder weiterhin suspendiert sind (66 000) oder entlassen wurden (63 000) – in den meisten Fällen bis heute ohne Erhebung einer Anklage;
  4. in der Erwägung, dass sich Präsident Erdoğan und die Mitglieder der türkischen Regierung wiederholt zur Wiedereinführung der Todesstrafe geäußert haben; in der Erwägung, dass der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 18. Juli zur Türkei bekräftigt hat, dass die eindeutige Ablehnung der Todesstrafe ein wesentlicher Bestandteil des Besitzstands der Union ist;
  5. in der Erwägung, dass erhebliche Bedenken geäußert wurden über die Lage der Personen, die nach dem Putschversuch verhaftet und inhaftiert worden sind, sowie über die schwerwiegenden Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Presse- und Medienfreiheit in der Türkei;
  6. in der Erwägung, dass Nummer 5 des Verhandlungsrahmens vorsieht, dass die Kommission im Fall einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der für die Union grundlegenden Werte der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei von sich aus oder auf Antrag von einem Drittel der Mitgliedstaaten die Aussetzung der Verhandlungen empfehlen und die Bedingungen für eine mögliche Wiederaufnahme vorschlagen wird;
  7. in der Erwägung, dass eine Aussetzung der Verhandlungen bedeuten würde, dass die laufenden Gespräche eingefroren, keine neuen Kapitel eröffnet und keine neuen Initiativen im Zusammenhang mit dem Verhandlungsrahmen der EU für die Türkei ergriffen werden würden;
  8. verurteilt die unverhältnismäßigen repressiven Maßnahmen, die seit dem gescheiterten Militärputsch im Juli 2016 in der Türkei ergriffen werden, aufs Schärfste; setzt sich nach wie vor dafür ein, dass sich die Türkei der EU verbunden fühlt; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten jedoch auf, die laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vorübergehend auszusetzen;
  9. sagt zu, seinen Standpunkt zu überprüfen, wenn die unverhältnismäßigen Maßnahmen, die in der Türkei unter Berufung auf den Ausnahmezustand ergriffen wurden, aufgehoben werden; erklärt, dass es sich bei seiner Überprüfung davon leiten lassen wird, ob die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte im ganzen Land wieder hergestellt sind; vertritt die Auffassung, dass eine solche Überprüfung angebracht wäre, wenn der Ausnahmezustand aufgehoben ist;
  10. bekräftigt, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe durch die türkische Regierung eine offizielle Aussetzung des Beitrittsprozesses zur Folge haben müsste;
  11. weist darauf hin, dass die Türkei nach wie vor 7 der insgesamt 72 Vorgaben im Fahrplan für die Visaliberalisierung, von denen einige besonders wichtig sind, nicht erfüllt;
  12. weist darauf hin, dass die Stärkung der Zollunion wichtig für die Türkei ist; hebt hervor, dass die Aussetzung der Arbeit im Hinblick auf die Stärkung der Zollunion schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für das Land hätte;
  13. ist zutiefst besorgt über Erklärungen, in denen der Vertrag von Lausanne infrage gestellt wird, der die Grenzen der modernen Türkei festlegt und fast ein Jahrhundert lang zur Wahrung von Frieden und Stabilität in der Region beigetragen hat;
  14. fordert die Kommission auf, sich in dem für 2017 geplanten Bericht über die Halbzeitbewertung des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) Gedanken über die aktuellen Entwicklungen in der Türkei zu machen; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob die Unterstützung für die türkische Zivilgesellschaft aus Mitteln des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte aufgestockt werden kann;
  15. regt die Kommission, den Europarat und die Venedig-Kommission dazu an, den türkischen Behörden zusätzliche Rechtshilfe anzubieten;
  16. hebt hervor, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei für beide Seiten von strategischer Bedeutung sind; stellt fest, dass, die Türkei zwar ein wichtiger Partner der EU ist, der politische Wille zur Zusammenarbeit bei einer Partnerschaft jedoch von beiden Seiten kommen muss; vertritt die Auffassung, dass die Türkei diesen politischen Willen nicht an den Tag legt, wobei die Maßnahmen der Regierung die Türkei weiter vom europäischen Weg abbringen;
  17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin und Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln.

[1] Angenommene Texte, P8_TA(2016)0423.

[2] Angenommene Texte, P8_TA(2016)0133.

[3] ABl. L 77 vom 15.3.2014, S. 11.

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