MESOP: DIE ISLAMISIERUNG AUCH LATEINAMERIKAS DURCH TEHRAN & HEZBOLLAH

Rätselhafter Tod eines Staatsanwalts – Die Spur nach Qom / Von Matthias Rüb

Die jüdischen Verbände in Argentinien fordern, dass der Tag der Beerdigung Alberto Nismans zum nationalen Trauertag erklärt wird. Wurde der Staatsanwalt Opfer eines Stellvertreterkrieges in Lateinamerika, in dem Iran keine unbedeutende Rolle spielt?

Die jüdischen Verbände in Argentinien fordern, dass der Tag der Beerdigung des getöteten Staatsanwalts Alberto Nisman zum nationalen Trauertag erklärt wird. Nisman soll in Buenos Aires auf dem jüdischen Friedhof im Vorort La Tablada auf jener Parzelle begraben werden, wo viele der 85 Todesopfer des Bombenschlags auf das jüdische Gemeindezentrum vom 18. Juli 1994 bestattet sind. Bisher haben die Behörden den Leichnam Nismans, der am 18. Januar in seiner Wohnung unter ungeklärten Umständen durch einen Kopfschuss getötet worden war, wegen fortdauernder forensischer Untersuchungennoch nicht freigegeben.

Die jüdischen Verbände teilten zudem mit, dass ihre führenden Vertreter an diesem Dienstag nicht an der offiziellen Veranstaltung der argentinischen Regierung aus Anlass des Internationalen Gedenktages für die Opfer des Holocausts teilnehmen werden. Stattdessen wollen die Verbände mit einer eigenen Veranstaltung der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren gedenken.

Zur Begründung des Boykotts hieß es, es gebe „Uneinigkeiten und Probleme“ mit der Regierung. Nisman hatte Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und Außenminister Héctor Timerman bezichtigt, durch ein Geheimabkommen mit Teheran von 2013 die Strafverfolgung der mutmaßlichen iranischen Hintermänner des Anschlags von 1994 hintertrieben zu haben. Außenminister Timerman, der selbst Jude ist, hat die Anschuldigungen ebenso zurückgewiesen wie Präsidentin Kirchner.

 Nismann sollte am vergangenen Montag vor dem argentinischen Parlament über einem von ihm verfassten Ermittlungsbericht aussagen. Schon einmal war in der Vergangenheit ein Auftritt Nismanns vor einem Parlamentsausschuss vereitelt worden. Im Juli 2013 hätte Nisman nicht vor argentinischen Volksvertretern, sondern vor dem Kongress in Washington aussagen sollen. Gegenstand der Anhörung wäre sein Ende Mai 2013 vorgelegter 500 Seiten starker Bericht gewesen, in dem Nisman und seine Mitarbeiter ein umfangreiches Geheimnetz von islamistischen Terrorzellen sowie von libanesischstämmigen Drogenschmugglern und Geldwäschern in mehreren Ländern Lateinamerikas ausgeleuchtet hatten.

Gefährliche Schläferzellen

Nach Nismans Überzeugung waren die Islamisten der schiitischen Terrororganisation Hizbullah und des gleichfalls schiitischen iranischen Mullah-Regimes unter anderem in Argentinien, Brasilien, Chile, Guyana, Kolumbien, Paraguay, Uruguay, Trinidad und Tobago sowie Surinam tätig. „Dabei handelt es sich um Schläferzellen“, sagte Nisman bei der Vorstellung seines Berichts in Buenos Aires im Mai 2013: „Es sind Aktivitäten, von denen sich die Welt keine Vorstellung macht. Manchmal sterben die Schläfer eines natürlichen Todes, ohne dass sie jemals den Auftrag zu einem Anschlag erhalten hätten.“

Nisman war überzeugt, dass Iran seit den achtziger Jahren „die Länder Lateinamerikas infiltriert und dort geheime Kommandozentralen eingerichtet hat, um internationale Terroranschläge vorzubereiten und zu verüben“. Deshalb könne man auch den Bombenanschlag des damals 21 Jahre alten libanesischen Hizbullah-Selbstmordattentäters Ibrahim Hussein Berro auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires vom 18. Juli 1994 mit 85 Toten nicht als isoliertes Ereignis begreifen, sondern müsse ihn „als Segment einer längeren Kette von Entwicklungen untersuchen“.

Zu der geplanten Kongressanhörung Nismans in Washington Anfang Juli 2013 kam es aber dann nicht. Seinerzeit untersagte die argentinische Generalstaatsanwältin Alejandra Gils Carbó die Reise Nismans nach Washington mit der Begründung, Aussagen vor einem Parlament im Ausland gehörten nicht zu den Aufgaben eines argentinischen Strafverfolgers. Gils Carbó war Ende August 2012 von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner in ihren Posten eingesetzt worden.

Hochbrisante Abhandlungen

Man muss die beiden Berichte Nismans vom Mai 2013 und vom Januar 2015 als aufeinanderfolgende Kapitel eines einzigen Narrativs lesen. Und sie gehen jeweils weit über das hinaus, was ein Staatsanwalt in einem Strafverfahren gewöhnlich in den Blick nimmt: Es sind politisch hochbrisante Abhandlungen mit geostrategischen Implikationen. Dazu wurde Nisman durch seinen Gegenstand gezwungen.

Nach einem im September 2004 mit dem Freispruch aller 22 argentinischen Angeklagten spektakulär gescheiterten ersten Versuch der Behörden, den Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum von 1994 aufzuklären, wurde Nisman Anfang 2005 der Fall vom damaligen argentinischen Präsidenten Néstor Kirchner übergeben. Um den blutigsten antisemitischen Anschlag außerhalb Israels seit dem Zweiten Weltkrieg aufzuklären, verfolgte Nisman sogleich die Spuren in die iranische Botschaft in Buenos Aires und zur libanesischen Hizbullah, die von Teheran unterstützt wird.

Welche Rolle hatte Mohsen Rabbani?

2006 erreichte Nisman, dass Haftbefehl gegen sieben ranghohe Funktionäre des iranischen Regimes erlassen wurde und die Verdächtigen – unter ihnen der frühere Präsident Akbar Haschemi Rafsandschani und der einstige Außenminister Ahmad Wahidi – von Interpol auf die „rote Liste“ der international meistgesuchten Verdächtigen gesetzt wurden. Als maßgeblichen Drahtzieher des Anschlags nannte Nisman Mohsen Rabbani, den damaligen Kulturattaché an der iranischen Botschaft in Buenos Aires.

Rabbani nimmt in Nismans Berichten von 2013 und 2015 jeweils eine prominente Stellung ein. Rabbani ist heute Leiter eines Ausbildungszentrums in Qom, dem Zentrum schiitischer Theologie in Iran, das sich mit spanischsprachigen Kursen gezielt an muslimische Konvertiten aus Lateinamerika wendet; diese werden auf Kosten Teherans aus ihren Heimatländern nach Iran geflogen und für ihre Studien in Qom mit einem Vollstipendium ausgestattet. Teheran bestreitet energisch die Verwicklung Rabbanis und aller anderen iranischen Angeklagten in den Anschlag von Buenos Aires.

Und Rabbanis Zentrum in Qom, das auf Englisch „Oriental Thought Cultural Institute“ heißt, dient nach offizieller Darstellung Teherans einzig zur Vermittlung der schiitisch-islamischen Glaubenslehre. Nisman war überzeugt, dass dort potentielle Schläfer für den (terroristischen) Kampf in Lateinamerika gegen Israel sowie dessen wichtigsten Verbündeten, die Vereinigten Staaten, ausgebildet wurden. Tatsache ist, dass Iran zur Erweiterung seines Einflusses in Lateinamerika seit 2005 in sechs weiteren Staaten Südamerikas neue Botschaften eingerichtet hat; die Islamische Republik unterhält jetzt in elf Ländern der Region Botschaften. Außerdem wurden 17 Kulturzentren in Lateinamerika geschaffen.

Im Auftrag der Hizbullah?

Neben Rabbani nehmen aus Libanon und aus Syrien stammende Schiiten im Dreiländereck von Paraguay, Argentinien und Brasilien eine prominente Stellung in Nismans Bericht von 2013 ein. Von der Stadt Ciudad del Este in Paraguay, verbunden durch die „Brücke der Freundschaft“ über den Grenzfluss Paraná mit Brasilien, sind nach Überzeugung Nismans und internationaler Terrorfachleute viele Millionen Dollar aus dem Drogenschmuggel zur Hizbullah in den Libanon geflossen. Und aus der Schmuggelmetropole Ciudad del Este reiste nach Überzeugung Nismans wenige Tage vor dem Anschlag vom 18. Juli 1994 auch der libanesische Selbstmordattentäter nach Buenos Aires – im Auftrag der Hizbullah und angeleitet vom damaligen Kulturattaché Rabbani.

 

Im „Fortsetzungsbericht“ vom Januar 2015 bezichtigt Nisman Präsidentin Kirchner und deren Außenminister Héctor Timerman nun, mit einem seit 2011 mit Teheran verfolgten Geheimabkommen die Strafverfolgung der mutmaßlichen iranischen Hintermänner des Anschlages hintertrieben zu haben. Hintergrund seien wirtschaftliche Interessen gewesen. Kirchner weist die Vorwürfe Nismans als absurd zurück und sieht hinter ihnen – wie auch bei der mutmaßlichen Ermordung des Staatsanwalts vom 18. Januar – ehemalige Führungsfiguren des argentinischen Geheimdienstes am Werk. Die Behauptung ist nicht mehr und nicht weniger plausibel als die Hypothese, dass zur Aufklärung einer weiteren Bluttat in Buenos Aires mit einem jüdischen Opfer abermals eine iranische Spur verfolgt werden müsse. https://www.facebook.com/