MESOP : DAS DEUTSCHE FELDLAGER „CAMP ERBIL“ – SITUATIONSBERICHT

 Bundeswehr will Feldlager in Kurdistan einrichten – Axel Lier – 31 Jan 2015 – 100 Bundeswehr-Soldaten werden in den Irak geschickt. Sie werden in einem Feldlager in der autonomen Region Kurdistan untergebracht. B.Z.-Reporter waren vor Ort.

Nach der Entscheidung des Bundestages, 100 Bundeswehrsoldaten in den Irak zu senden, ist jetzt klar, wo die Soldaten arbeiten und leben werden – Sie werden in einem internationalen Feldlager untergebracht. Das erfuhren B.Z.-Reporter bei Recherchen in der autonomen Region Kurdistan. Das Verteidigungsministerium plant, die Soldaten in einem Camp in der Provinzhauptstadt Erbil gemeinsam mit Soldaten anderer Nationen zu stationieren.

Bislang sind die knapp 20 Bundeswehrangehörigen dort in einem Hotel untergebracht. Sie trainieren die kurdischen Peschmerga (übersetzt: “Die dem Tod ins Auge sehen”) im Umgang mit Waffen aus Deutschland. Die Kurden kämpfen im Nordirak gegen die Terrormiliz “ISIS”. Die Ausbildungsmission werde dann vermutlich mehrere Jahre dauern, heißt es aus Bundeswehrkreisen.

Nach B.Z.-Informationen sind von den 150.000 Peschmerga-Kämpfern bislang 136 von der Bundeswehr an Ausrüstung und Waffen eingewiesen worden. Jetzt geht die Munition aus. Peschmerga-Oberst Karwan Baban (50): “Die Hilfe der Deutschen ist sehr gut und wichtig. Aber wir brauchen mehr. Was nützen uns Gewehre und Panzerfäuste, wenn wir keine Munition mehr haben.” Die Frontlinie sei mittlerweile 1050 Kilometer lang. “ISIS” verfüge über moderne Hightech-Waffen und habe klare Vorteile im Orts- und Nachtkampf. “Die Peschmerga kommen aus den Bergen, dort kennen wir uns aus. Wir hoffen, die Deutschen bilden uns künftig auch in Taktik, Minenabwehr und Erste Hilfe aus – und liefern weitere Waffen”, so der Oberst. Vor allem zwei Rüstungsgüter haben die Herzen der Peschmerga im Sturm erobert: die Milan-Raketen (30 geliefert), die die mit Sprengstoff beladenen “ISIS”-Fahrzeuge sehr genau zerstören. Und die Dingo-Radpanzer (5 geliefert), die wegen ihrer Widerstandsfähigkeit u.a. gegen versteckte Bomben überzeugen.

Die B.Z.-Reporter besuchten am Dienstagabend den Peschmerga-Stützpunkt Serewani, eine halbe Stunde Autofahrt entfernt im hügeligen Grasland oberhalb von Erbil. Das Camp ist etwa 60 Kilometer von der Front entfernt. Gerade weil die Kurden Nachteile im Nachtkampf haben, bilden acht Fallschirmjäger der Bundeswehr die Kämpfer an der Schweren Panzerfaust 84 aus, die seit Mitte der 90er Jahre nur noch zum Verschießen von Leuchtmunition verwendet wird. “Die Motivation, Wissbegierde und Lernwilligkeit der Peschmerga ist herausragend. Sie wissen, wofür sie hier lernen – für den Kampf gegen die Terroristen”, so Fallschirmjäger Andreas M. (33). Die Peschmerga würden nicht nur für ihr Land, sondern für uns alle einstehen, ergänzt ein anderer Soldat.

15 Schuss “Leucht” können die 20 Peschmerga an diesem Abend in die Hügel schießen. In den kommenden Tagen sind Einweisungen in Nachtsichtgeräte, Pistole und scharfer Panzerfaust geplant. “Dass die Peschmerga kampferfahren sind, merken wir auch an Ihren Fragen”, sagt Bundeswehr-Sprecher Robert Habermann. “Sie wollen wissen, wie sie es schnell schaffen können, die von uns gelieferten Waffen in Notsituationen unbrauchbar zu machen, so dass sie nicht “ISIS” in die Hände fallen”, so Habermann. Trotz genauer Einweisungen – ausschließen könne das aber niemand. Auch nicht, dass die Waffen in anderen Konflikten eingesetzt werden. Mit der kurdischen Nationalregierung habe man eine so genannte “Endverbleibserklärung” abgeschlossen. Darin verpflichten sich die Kurden, die Waffen nur “zum vorgesehen Zweck” einzusetzen und nicht an Dritte weiter zu geben. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Die B.Z.-Reporter fuhren mit Peschmerga-Oberst Baban höher in die Berge, zum so genannten Panzergraben, der die 500.000-Einwohner-Stadt Erbil auf einer Länge von 250 Kilometern umgibt. Dieser etwa 2.50 Meter tiefe Verteidigungsring wurde innerhalb von nur zwei Monaten von Einwohnern und Behörden gegraben – ab Februar 2014. Bereits damals hatte der kurdische Geheimdienst Hinweise darauf, dass “ISIS” die Nähe gelegene Metropole Mossul erobern wollte. Vier Monate später war es soweit, schlimmer noch, die Dschihadisten standen im August 30 Kilometer vor Erbil. “Doch wir Peschmerga haben Sie zurück geschlagen. Trotz unserer veralteten Waffen aus russischen Beständen”, sagt Oberst Baban voller Stolz. “Dieser Verteidigungsring ist zu einem Symbol geworden und hat sich in unsere Herzen eingegraben.” http://www.bz-berlin.de/welt/bundeswehr-will-feldlager-in-kurdistan-einrichten