MESOP CULTURE : „ÄNDERGENDER“ !

MARGOT KÄSSMANN (KIRCHENTAG) ÜBERNIMMT JETZT DIE LBGTQ-KULTUR – WIE NICHT ANDERS ZU ERWARTEN WAR

Der Türsteher vor dem früheren Kosmos-Kino in Berlin  sieht das Problem. Genauer gesagt: Er sieht einen Mann. Dabei stand es im Programm des Kirchentages doch schwarz auf weiß: „Ausschließlich für Frauen.” Niemand sonst sollte dem Frauenmahl mit der Reformationsbotschafterin Margot Käßmann und der Synodenpräses Irmgard Schwaetzer beiwohnen. Ich würde als Mann aber gerne rein. Ich kann doch auch nichts für mein Y-Chromosom.

Der Türsteher, selbst ein Betroffener, winkt eine Mitarbeiterin heran. Die sagt: „Schwierig.” Und verweist auf einen Kollegen  vom Ordnerdienst, der offenbar mehr zu sagen hat (vgl. Wikipedia: „Patriarchat”). „Es gibt ein Problem, ich bin ein Mann”, sage ich. „Dieser Makel haftet mir auch an”, lautet die Antwort.

Trotz seines genetischen Handicaps ist er aber ein feiner Kerl und hilft. Eine in der Hierarchie noch weiter oben stehende Frau („Matriarchat”) wird gefragt.

Esther Lau vom Bundesverband Trans tritt hinzu. Ich bin erleichtert. Jemand, der gegen geschlechtsbiologisch motivierte Vorurteile eintritt, müsste doch mein Fürsprecher sein. „Ich könnte Ihnen eine Brustattrappe und etwas Make-up leihen”, sagt Lau. Ich antworte, mein letztes Probeschminken hätte im Alter von fünf Jahren stattgefunden. „Es gibt viele Männer, die da neugierig sind”, sagt Lau mit einem Augenzwinkern. Die weitere Debatte bewegt sich in akademischer Tiefe. Auf moderne Geschlechtertheorien bezugnehmend, sagt eine Mitarbeiterin, es könne reichen, wenn ich mich als Frau fühlen und deklarieren würde. Eine erste Annäherung zwischen den Geschlechtern? Alle sind sehr nett. Nur die Frage, ob ich auf einem christlichen Kirchentag aufgrund meines Geschlechts diskriminiert werden  soll, ist noch nicht geklärt.

Dann die Rettung: Die Veranstalterin hat einer Mitarbeiterin ausrichten lassen, ich dürfe. Glücklich sitze ich im Dunkeln ganz hinten im Saal, auf einem Extrastuhl neben der Tür. Ein vielleicht drei Jahre alter Junge ist auch da. Halt durch, Kleiner, denke ich. Wir sind schon zwei.

 

Das Frauenmahl ist mittlerweile kurz vor dem Hirsebreigang angelangt. Auf der Bühne singt die Kantorin Esther Hirsch in vollendeter Schönheit ein hebräisches Lied. Danach bietet die Berliner Koranrezitatorin Miriam Amer mit zuckersüßer Stimme ein Tischgebet dar. Schön hier, so unter Frauen. Die Theologin Dorothea Sattler zitiert Thomas von Aquin, der gesagt habe, Frauen seien für öffentliche Reden nicht geeignet, weil sie die Sinne der Männer verführten. “Das kann ja sein”, sagt Sattler. „Aber das ist dann ein Problem, das an die Männer zurückzugeben ist.” Applaus.

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Margot Käßmann erregt sich in ihrer Rede über die Leitkulturforderung von Innenminister Thomas de Maizire: „Wir sind nicht Burka.” Käßmann sagt: “Nicht die Frauen sind die Bedrohung, meistens sind Männer die Täter.” Dann erzählt Käßmann lustige Anekdoten. Wie sie einmal auf einer Zugfahrt auf Englisch die Verhütungsmethode mittels eines Eisprungkalenders erklärt habe. “When the egg jumps .”, habe sie den Satz begonnen. Der Saal lacht. “Hier sind ja keine Männer”, sagt Käßmann in das Mikrofon. „Und der eine muss jetzt einfach mal weghören.”

Justus Bender FAS 29 Mai 2017