MENSCHENRECHTSBERICHT APRIL 2013 : Demokratisches Türkei Forum (DTF)

Die folgenden Nachrichten wurden im April 2013 vom DTF erfasst (übersetzt). Für externe Links wird keine Verantwortung bezüglich des Inhalts und der Dauerhaftigkeit übernommen.

Kommission der weisen Menschen tritt zusammen : Am 3. April 2013 hat der Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan die Liste der “weisen Menschen” (tr: akil insanlar) bekannt gegeben, die während der Friedensprozesses (Lösung der Kurdenfrage und Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen) eine vermittelnde Rolle spielen sollen. Das berichtet u.a. Radikal vom 04.04.2013. Es wurden 63 Personen benannt, die in Gruppen zu je neun Personen für jeweils eine von sieben Regionen in der Türkei zuständig sein sollen.

Sie sollen Orte in den Regionen besuchen und einzelne Orte dort besuchen. Folgende Namen wurde für die jeweiligen Regionen genannt:

Region           Marmara      Schwarzes Meer     Ägäis  Mittelmeer   Inneranatolien       Ostanatolien            Südosten

Vorsitzender           Deniz Ü. Arıboğan  Yusuf Ş. Hakyemez            Tarhan Erdem        Rıfat Hisarcıkoğlu            Ahmet Taşgetiren  Can Paker    Yılmaz Ensaroğlu

Stellv.            Mithat Sancar         Vedat Bilgin Avni Özgürel           Lale Mansur            Beril Dedeoğlu            Sibel Eraslan           Kezban Hatemi

Sekretär       Levent Korkut        Fatma Benli Arzuhan D. Yalçındağ       Tarık Çelenk           Cemil Uşşak            Ayhan Ogan Mehmet E. Ekmen

Beisitzer       Ali Bayramoğlu       Şemsi Bayraktar     Hasan K. Kaya        Kadir Inanır            Vahap Coşkun          Mahmut Arslan       Murat Belge

Beisitzer       Ahmet Gündoğdu   Kürşat Bumin          Hilal Kaplan            Nihal B. Karaca       Doğu Ergil            Abdurrahman Dilipak      Fazıl H. Erdem

Beisitzer       Hayrettin Karaman           Oral Çalışlar Fuat Keyman          Şükrü Karatepe      Erol Göka            İzettin Doğan          Yılmaz Erdoğan

Beisitzer       Hülya Koçyiğit        Orhan Gencebay    Fehmi Koru  Muhsin Kızılkaya   Mustafa Kumlu            Abdurrahman Kurt           Ethem Mahçupyan

Beisitzer       Yücel Sayman         Yıldıray Oğur          Baskın Orhan          Öztürk Türkdoğan             Fadime Özkan        Zübeyde Teker       Lami Özgen

Beisitzer       Mustafa Armağan   Bendevi Palandöken                    Hüseyin Yaman      Celalettin Taş            Mehmet Uçum        Ahmet F. Ünsal

Zu den Positionen der einzelnen Personen hat Bianet vom 04.04.2013 eine Übersicht erstellt. Unter den 62 Personen haben 20 Menschen eine Verbindung zu Organisationen der zivilen Gesellschaft, 17 sind Journalisten und Schriftstelle, 11 sind Akademiker, sieben sind Juristen, fünf sind Künstler und zwei in erster Linie Politiker. Die Männer sind in der Überzahl (50). Daneben gibt es 12 Frauen unter den “weisen Menschen”.

Kassationshof fordert lebenslänglich für Doğan Akhanlı

Wie Radikal vom 08.04.2013 berichtete, hat die 9. Strafkammer des Kassationshofs für den in Köln lebenden Schriftsteller Doğan Akhanlı eine lebenslängliche Haftstrafe gefordert. Doğan Akhanlı war bei seiner Einreise in die Türkei am 10. August 2010 verhaftet worden und dann wegen dem Überfall auf einen Juwelier in Istanbul im Jahre 1989 angeklagt worden, bei dem im Namen einer Organisation mit dem Namen THKO/HKG/YKB  der Juwelier getötet worden war. Das DTF hatte in einem Sonderbericht mit dem Titel Autor Doğan Akhanlı ist wieder frei vom ersten Verhandlungstag im Dezember 2010 und auch über seinen Freispruch im Oktober 2011 berichtet. Der Kassationshof begründete seine Entscheidung, den Freispruch aufzuheben, damit, dass die Söhne des Juweliers Doğan Akhanlı zum Einen aufgrund seines veränderten Aussehens aber auch aus Angst vor Vergeltung durch die Organisation nicht erkannt haben könnten, obwohl der letzten Meldung in Radikal zufolge sich die Organisation THKO/HKG/YKB im Jahre 1993 aufgelöst hat.

Erste Verhandlung gegen Gewerkschafter

Am 10. April 2013 fand die erste Verhandlung gegen 72 Gewerkschafter der Konföderation KESK vor der 13. Kammer für schwere Straftaten in Ankara statt. Darüber berichtete u.a. Bianet vom 10.04.2013. Das Gericht hob die Haftbefehle der in Untersuchungshaft befindlichen 22 Angeklagten auf und vertagte sich auf den 8. Juli 2013.

Außerhalb der Verhandlung sprach der Generalsekretär von KESK, İsmail Hakkı Tombul über die andauernden Verfahren gegen Mitglieder von KESK. Nach Operationen am 13. Januar, 13. Februar und 25. Juni 2012 habe die letzte Polizeioperation an 19. Februar 2013 stattgefunden. Von den Festgenommenen seien 60 Gewerkschafter in Untersuchungshaft gekommen. Insgesamt befänden sich derzeit 12 Funktionäre und Mitglieder von KESK in Haft.

Von den 72 Angeklagten in dem Prozess in Ankara war gegen 28 Personen Haftbefehl erlassen worden. Sie waren seit dem 25. Juni 2012 im F-Typ Gefängnis von Sincan inhaftiert gewesen. Sechs Haftbefehle waren im Vorfeld der Hauptverhandlung am 15. Februar 2013 aufgehoben worden. In der Verhandlung vom 10. April 2013 wurden Dolmetscher für jene Angeklagte eingesetzt, die sich in Kurdisch zur Sache äußern wollten. In der 1140 Seiten umfassenden Anklageschrift werden Strafen zwischen 7,5 und 15 Jahren Haft nach Artikel 314/2 des türkischen Strafgesetzes gefordert. Folgende Personen sind angeklagt:

Abdulgani Cayhan, Abdulkadir Baydur, Abdullah Karahan, Ahmet Koçyiğit, Alican Kaplan, Alipaşa Şanlı, Aykut Erhan Turgut, Ayten Tekeş, Bekir Gürbüz, Belgizar Sazak, Bülent Kaya, Cebrail Arslan, Cemil Özen, Cemile Duman, Cengiz Paycu, Cezmi Gündüz, Civan Yıldırım, Çerkez Aydemir, Deniz Bozbey, Devrim Kahraman, Emel Emre, Erdal Turan, Erdal Yılmaz, Faik Deli, Feruh Çelik, Fikret Çalağan, Hadi Aslan, Hamdullah Yıldırım, Hanım Koçyiğit, Hasan Kaldık, Hasan Ölgün, Hayati Mehmetoğlu, İlhan Akbaş, İsmail Remzi Kaya, İzzettin Alpergin, İzzettin Ekin, Kasım Birtek, Lami Özgen, Lokman Özdemir, Mehmet Arda, Mehmet Bozgeyik, Mehmet Sadık Varli, Mehmet Sezgin İbin, Mehmet Sıddık Akın, Mesut Fırat, Metin Vuranok, Murat İrfan Işık, Mustafa Bozan, Mütahir Karakuş, Müzahit Karakuş, Nihat Kılınçalp, Niyazi Yılmaz, Osman İşçi, Özkan Yorgun, Reşit Sünbül, Sadrettin Kaya, Sakine Esen Yılmaz, Salih Ersan, Seyran Şık, Sibel Anıl, Sinan Gündüz, Sinan Muşlu, Şahin Kayıkçı, Şerif İldoğan, Tarık Kaya, Veysel Özhekti, Yılmaz Güneş, Yılmaz Meşeli, Yılmaz Yıldırımcı, Yunus Akıl, Yusuf Kösele und Zeyyad Ceylan.

Massenverfahren beginnt in Izmir

Am 16. April 2013 begann vor der 12. Kammer für schwere Straftaten in Izmir ein Verfahren gegen 357 Angeklagte, von denen sich 78, darunter 49 Soldaten im aktiven Dienst, in Untersuchungshaft befinden. Darüber berichtete u.a. Hürriyet vom 16.04.2013. Den meisten Angeklagten wird vorgeworfen, im Besitz von geheimen Dokumenten und Informationen gewesen zu sein. Den Angeklagten Bilgin Özkaynak und Narin Korkmaz, Betreiber eines Jachthafens, wird außerdem noch vorgeworfen, eine Organisation gegründet zu haben, um Straftaten zu begehen. Dafür wurde für sie eine lebenslange Haftstrafe beantragt. Dem Stabschef in der Kommandantur der Marine, Admiral Veysel Kösele wird Mitgliedschaft in einer solchen Organisation zur Last gelegt und eine Strafe von 30 Monaten Haft gefordert.

Vor Beginn der Verhandlung im Konferenzsalon der Sozialeinrichtungen der Gerichte in Izmir hatten 1.500 Polizisten das Gelände um das Gerichtsgebäude in Bayraklı gesichert. In den Morgenstunden fanden sich an die 2.000 Protestierende ein, die vorwiegend der Arbeiterpartei (tr: İşçi Partisi) und der TGB (Union der türkischen Jugend) angehörten. Die aus den Gefängnissen herbei gebrachten Angeklagten wurden aus dem Parkhaus in den Gerichtssaal gebracht. Die auf 8 Uhr anberaumte Verhandlung begann im 10.20 Uhr. Die Vorsitzende der Anwaltskammer Izmir, Sema Pekdaş beschwerte sich, dass geladene Verteidiger nicht in den Saal gelassen wurden, weil ihr Name nicht auf einer vorbereiteten Liste stand. Auch Angeklagte müssten Zugang zu der Verhandlung haben, selbst wenn ihre Aussage zuvor im Rahmen der Amtshilfe aufgenommen wurde.

Abgeordnete der Republikanischen Volkspartei CHP aus Izmir und den umliegenden Provinzen waren als Beobachter anwesend. Sie äußerten Bedenken, dass dieses Verfahren wie andere politische Verfahren mit den Namen Balyoz oder Ergenekon nicht fair verlaufen werde. Der Abgeordnete Alaaddin Yüksel machte darauf aufmerksam, dass einige Angeklagte schon mehr Zeit in U-Haft verbracht haben als die Zeit, die sie als Strafe zu erwarten haben.

Als Erstes wurden die Personalien der inhaftierten 78 Angeklagten aufgenommen. Sodann sollte mit der Verlesung der Anklageschrift begonnen werden. Dem Verfahren liegen 315 Aktenordner zugrunde. Die 2.000 Seiten umfassende Anklageschrift soll von einem Sprecher der staatlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten TRT in 5 Tagen verlesen werden. Bis dahin soll jeden Tag verhandelt werden. Bis Ende Mai soll an vier Tagen in der Woche verhandelt werden. Neben den Angeklagten, Anwälten, Geschädigten sollen am Verfahren Angehörige der Angeklagten. Abgeordnete als Beobachter und 10 Journalisten teilnehmen dürfen.

Hürriyet vom 23.01.2013 wurde zur Anklage in diesem Verfahren u.a. folgendes gesagt: In der 1.937 Seiten umfassenden Anklageschrift werden 357 Angeklagte, 88 von ihnen in Untersuchungshaft beschuldigt, geheime Dokumente und Informationen besorgt zu haben, um damit bestimmte Personen zu erpressen. Unter den Angeklagten sind drei Frauen. In der Datenbank der Organisation befinden sich sensible Dateien mit Bezug zur PKK, Kongra-Gel und der KDP. Es wurden auch Informationen zu Dorfschützern gesammelt. Auch über Geheimdienstler des Nachrichtendienstes MIT wurden Akten angelegt.

Grabungen in der Provinz Mardin

In der Tageszeitung Radikal vom 23.04.2013 berichtete Mesut Hasan Benli über den Beginn von Grabungen in der Provinz Mardin, bei denen Hinweisen auf die Überreste von Personen nachgegangen wird, die im Jahr 1995 im Kreis Kızıltepe der Provinz Mardin verschwanden. Konkret geht es um das Dorf Katarlı. Die Staatsanwaltschaft in Kızıltepe hatte die Grabungen aufgrund der Aussage von Atilla Uğur veranlasst, der in einem Ergenekon Verfahren in U-Haft ist.

Schon im Jahre 2008 war in der Gegend nach den Überresten von Verschwundenen gesucht worden. Die Knochen von zwei Menschen konnten aber nicht zugeordnet werden. Die jetzigen Grabungen werden vom Menschenrechtsverein IHD und den Angehörigen von Verschwundenen aufmerksam verfolgt. Dazu gehört Çetin Birlik, dessen Vater und zwei Brüder seit dem 29. März 1995 verschwunden sind. Er sagte:

         “Mein älterer Bruder Kemal Birlik war aus politischen Gründen in Kızıltepe inhaftiert. Er war der Sprecher seines Saales. Der Kommandant der Gendarmerie Atilla Uğur soll ihn mehrfach bedroht haben, dass er nicht lebend aus dem Gefängnis kommen werde. Am Tage seiner Freilassung, dem 29. März 1995 sind mein Vater Abdulbaki und ein anderer älterer Bruder von mir, Zübeyir ihn abholen gegangen. Seitdem haben wir von ihnen nichts mehr gehört. Es gibt Leute, die gesehen haben, wie sie ein Militärfahrzeug bestiegen.”

Die Tochter von Zeki Alabalık, der zusammen mit Kemal Birlik bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis verschwand, Esra Alabalık, hat ihren Vater nie gesehen und hofft, dass Überreste gefunden werden, damit es wenigstens ein Grab gibt, an dem sie trauern kann.

Wiederum berichtete Mesut Hasan Benli in Radikal vom 25.04.2013, dass bei den Grabungen 15 menschliche Knochen (von Armen und Beinen) gefunden wurden. Sie wurden zur Gerichtsmedizin in Istanbul geschickt, um zu prüfen, ob sie einer oder mehreren Personen gehören. Verwandte der “Verschwundenen” gaben Blutproben, um eine Identifizierung der Person/en mit einem DNA Test zu ermöglichen. Im Jahre 2008 waren schon einmal Grabungen gemacht worden und Knochen von zwei Menschen gefunden worden. Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dargeçit (Provinz Mardin) waren 2012 Knochen gefunden worden und ein DNA Test hatte ergeben, dass einige davon dem “verschwundenen” Mehmet Emin Aslan (19) gehörten.

Rückzug der PKK beginnt am 8. Mai

Wie auch die deutschen Medien meldeten,  soll der Rückzug der aktiven Kämpfer der PKK aus der Türkei am 8. Mai beginnen. Aus einer Nachricht in der Tageszeitung Radikal vom 26.04.2013 geht hervor, dass sich 2.100 Militante der PKK in der Türkei befinden. Der Rückzug soll von 13 leitenden Kämpfern organisiert werden. Die Gebiete verteilen sich folgendermaßen:

         Botan (Siirt, Şırnak und Mardin)

         Dersim (Tunceli, Sivas, Erzincan und das Schwarze Meer

         Mittleres Gebiet (Diyarbakır, Bingöl, Erzurum, Muş und Elazığ, Bitlis)

         Zağros (Ağrı, Van und Hakkari)

Die Verantwortlichen der Gebiete, die den Rückzug organisieren sollen, wurden benannt als:

         DAS MITTLERE GEBIET: Hier sollen 450 Militante sein, die von Mehmet Tahir Kılıç befehligt werden. Als seine Assistenten wurden genannt: Ahmet Talva, Cihan Nazlıer, Mehmet Şah Yıldeniz und İbrahim Erbay.

         BOTAN: Hier sollen sich 700 PKK’ler befinden. Sie werden von Fehmi Atalay kommandiert. Ihm zur Seite stehen Emine Serinyel, Sabri Tori und Abdulkadir Zenger.

         DERSİM: Hier sollen sich 350 PKK’ler aufhalten, Sie werden von Serdar Özdemir befehligt. Ihn unterstützen Nafiye Abdi und İsmail Sürgeç.

         ZAGROS: In diesem Gebiet gibt es 600 PKK’ler. Sie werden von Mehmet Can Gürhan befehligt.

Nach dem Rückzug in den Irak sollen die Militanten zuerst in den Lagern Haftanin und Sinaht bleiben und später auf die Lager Sinaht, Pirbela, Keşan, Perak, Nazdur, Ore, Şeraniş und Mergeşiş aufgeteilt werden. Für Militante aus der Region um Hakkari sind die Lager Metina, Zap, Golka sowie Rekan, Nerveh, Çemço, Şikefta Birindara, Ciloye, Çiyaye, Kurejahro, Avaşin, Basyan und im Gebiet von Samura vorgesehen.