Menschenrechte 2012 – Bilanz der letzten 10 Jahre

Demokratisches Türkeiforum (DTF) – 27. März 2013

Am 26. März 2013 haben der Menschenrechtsverein IHD und die Stiftung für Menschenrechte in der Türkei TIHV einen gemeinsamen Bericht über Menschenrechtsverletzungen im Jahre 2012 heraus gegeben.[1] Das Demokratische Türkeiforum (DTF) hat diesen Bericht zum Anlass genommen, um einen Überblick über die wesentlichen Verstöße unter der Regierung des Recep Tayyip Erdoğan (im Amt seit November 2002) zu erstellen.[2]

Das Recht auf Leben

Bei den als Verletzung des Rechts auf Leben angesehenen politisches Morden macht der IHD folgende Unterscheidung:

  • Extralegale Hinrichtung: hierzu zählen Morde durch die Sicherheitskräfte, z.B. wenn Verdächtige trotz Aufforderung nicht stehen blieben, Morde an der Grenze und durch private Sicherheitskräfte
  • Todesfälle im Gefängnis: sie waren bis 2010 zu den extralegalen Hinrichtungen gezählt worden (DTF)
  • Todesfälle in Polizeihaft (bei der Gendarmerie): sie waren bis 2010 zu den extralegalen Hinrichtungen gezählt worden (DTF)
  • Morde unerkannter Täter

Für das Jahr 2012 wurden auch Todesfälle durch Fehler oder Nachlässigkeit von Beamten, sowie vermeintliche Selbstmorde von Wehrpflichtigen aufgeführt (siehe unten). Die Zahlen zu den “politischen Morden” schlüsseln sich für das Jahr 2012 und 2011 wie folgt auf:

Todesart 2012 2011
extralegal 47 76
Gefängnis 73[3] 36
Polizeihaft 10 5
unerkannte Täter 10 46

 

Wenn diese Zahlen in Relation zu den Todesfällen von 2002 bis 2010 gesetzt werden (hier nur noch unterschieden nach extralegale Hinrichtungen und Tötungen durch unerkannte Täter), entsteht folgendes Bild:

 

extralegal 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Opfer 40 44 47 89 130 66 65 108 100 117 130
unerkannt 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Opfer 75 50 47 1 20 42 29 18 22 46 10

Bewaffnete Auseinandersetzungen

Die Zahlen des IHD zu den Opfern bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Militanten der HPG und den türkischen Sicherheitskräften für die Jahre 2002 bis 2012 ergibt folgendes Bild:[4]

 

  Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012  
  Opfer 30 104 240 496 354 424 432 141 244 338 507  
                  2010 2011 2012
                    338 507

Folter und Misshandlungen

Der Jahresbericht 2012 von IHD und TIHV kommt in der Summierung von Folterfällen und Misshandlungen auf eine Zahl von 2544. Das war weniger als im Jahr 2011 (3270), aber mehr als in den Jahren davor. In den Jahren 2002-2012 nannte der IHD folgende Zahlen zu Folter und Misshandlungen in der Türkei:

 

Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Beschwerden 876 1202 1040 825 708 678 1546 1835 1349 3270 2544

 

Die Folterfälle in den Jahren 2008 bis 2012 waren näher aufgeschlüsselt. Daraus ergibt sich:

 

Kategorie/Jahr

2012

2011

2010

2009

2008

Bei der Polizei/Gendarmerie

293

310

280

305

448

außerhalb von Polizei-, Gendarmeriestation

433

517

138

358

264

Dorfschützer

13

15

57

34

2

im Gefängnis

583

724

512

397

333

Bedrohung von Sicherheitsbeamten

189

102

83

51

55

bei Demonstrationen

791

1425

209

565

299

Private Schutzkräfte

20

58

10

10

19

Gewalt in der Schule

222

119

60

115

126

Summe

2544

3270

1349

1835

1546

             
             
             
             
             
             
             
             
             

Weitere Zahlen

Ohne einen Vergleich mit den Vorjahren zu ziehen, sollte auf folgende im Jahresbericht 2012 enthaltene Zahlen hingewiesen werden:

  • vermeintliche Selbstmorde im Militär (bei der Polizei): 69
  • Morde durch illegale Organisationen: 4
  • Minenopfer: 15 (darunter 8 Kinder)
  • Festnahmen von Flüchtlingen: 17.540 (75 Flüchtlinge verloren ihr Leben)
  • Verbotene Aktionen: 10
  • Verbotene Publikationen: 7 Zeitungen, 8 Zeitschriften, 1 Fernsehsender
  • Behinderte Internet-Seiten: 6621
  • Razzien auf Parteien, Gewerkschaften und Vereine: 68


[1]Der in Türkisch verfasste Bericht von mehr als 600 Seiten kann sowohl beim IHD als auch bei Bianet herunter geladen werden. Der IHD bietet zudem eine 4-seitige Bilanz für das Jahr 2012 an. Auf den Seiten des Kommunikationswerkes Bianet vom 26.03.2013 und auch bei der TIHV sind zusammen gefasste Berichte zu finden.

[2]Dabei wird häufiger Bezug auf Seiten in der deutschen Wikipedia genommen. In erster Linie sind das die Artikeln zu Menschenrechten in der Türkei und Folter in der Türkei.

[3]Bei 19 Personen wurde offiziell Selbstmord als Grund angegeben, 4 Personen wurden von anderen Gefangenen ermordet, 13 Gefangene starben bei einem Brand im Gefängnis von Urfa

[4]Die Zahlen sind der Seite Türkei-PKK Konflikt und den Bilanzen des IHD für die Jahre 2011 und 2012 entnommen.