MAM JELAL BIETET SEIN HILFE AN / Nord Irak vermittelt im türkischen Kurdenkonflikt

Inga Rogg, NZZ, Erbil, 18.11.2012 – Der Hungerstreik von Hunderten kurdischer Gefangener in der Türkei ist beendet worden. Der irakische Staatspräsident Talabani, selbst Kurde, bietet seine Hilfe bei der Beilegung des türkisch-kurdischen Konflikts an.

Nach gut zwei Monaten haben mehrere hundert kurdische Gefangene ihren Hungerstreik am Sonntag beendet und damit Hoffnungen geweckt, dass sich beide Seiten in dem fast dreissigjährigen türkisch-kurdischen Konflikt um eine politische Lösung bemühen. Die Gefangenen folgten einem Aufruf von Abdullah Öcalan, dem auf der Insel Imrali inhaftierten Chef der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Öcalan habe ihm gesagt, der Protest habe seine Ziele erreicht, teilte einer seiner Brüder nach einem Besuch am Samstag mit.

Gespräche mit Öcalan

Zwar hat die Regierung ein Gesetz auf den Weg gebracht, das die kurdische Sprache vor Gericht erlaubt. Aber von einer Lockerung von Öcalans Isolationshaft – eine zentrale Forderung der Gefangenen – kann bis jetzt keine Rede sein. Laut einem Bericht der liberalen türkischen Tageszeitung «Radikal» fanden neben dem Aufruf jedoch Gespräche zwischen Öcalan und Offizieren des türkischen Geheimdienstes statt. Dreimal hätten sich diese türkischen Vertreter mit Öcalan getroffen, berichtete das Blatt am Sonntag.

Geheimgespräche hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben. Doch dann wurden sie publik, und Ministerpräsident Erdogan machte unter dem öffentlichen Druck einen Rückzieher. Seitdem ist der Konflikt, der in den letzten 28 Jahren bereits mehr als 40 000 Tote gefordert hat, erneut eskaliert.

Gespräche mit kurdischen Rebellen angekündigt

Die türkische Regierung wird Gespräche mit der kurdischen Rebellenbewegung PKK führen. Das gab Justizminister Sadullah Ergin vor Journalisten am Montag bekannt. Er sagte nicht, wann und wo die Gespräche stattfinden sollten. Am Samstag hatte die PKK einen Hungerstreik von kurdischen Häftlingen in türkischen Gefängnissen für beendet erklärt. Früher gab es schon geheime Gespräche in Oslo.

Eine Lösung wäre nicht nur innen-, sondern auch aussenpolitisch dringend, da im Nachbarland Syrien eine mit der PKK verbündete Partei immer mehr Einfluss gewinnt. Dabei bot der irakische Staatspräsident Jalal Talabani dem türkischen Regierungschef seine Hilfe an. Talabani, selbst ein Kurde, habe Erdogan einen fünf Punkte umfassenden Plan unterbreitet, berichtete seine Parteizeitung «Kurdistani Nue» in ihrer Sonntagsausgabe. Der Friedensplan sieht eine Verbesserung der Haftbedingungen für Öcalan und schliesslich dessen Amnestierung vor, ausserdem einen Waffenstillstand, den Rückzug der PKK-Kämpfer aus der Türkei, die Anerkennung der Kurden durch die Verfassung sowie zuletzt eine Generalamnestie für die Rebellen.

Ein Vertrauter Talabanis bestätigte die Angaben. «An Öcalan führt kein Weg vorbei», sagte Saadi Ahmed Pire im Gespräch in Erbil. «Er ist der Schlüssel für die Lösung der Kurdenfrage in der Türkei.» Die Beilegung des Konflikts liegt auch im Interesse der irakischen Kurden. Die türkische Luftwaffe bombardiert regelmässig mutmassliche PKK-Stellungen in den Kandil-Bergen, wo die Rebellenorganisation ihr Hauptquartier hat. Anfang November wurden zwei kurdische Zivilisten getötet. Zudem verlieren Bauern häufig ihre Ernte und wertvollen Viehbestand.

Erleichterung in Ankara

«Erdogan würde damit auch seine internationale Glaubwürdigkeit verbessern», sagte Talabanis Mitarbeiter Pire. Für die Kurden ist es nicht nachzuvollziehen, dass sich Erdogan hinter die Aufständischen in Syrien stellt, gleichzeitig die PKK-Kämpfer aber als Terroristen abtut. Die türkische Regierung nahm die Beendigung des Hungerstreiks, an dem sich zuletzt 1700 Gefangene und auch kurdische Politiker beteiligt hatten, mit Erleichterung auf. Er hoffe, dass es von nun an keine derartigen Proteste mehr geben werde, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc. Die Türkei sei ein demokratisches Land, in dem die Anliegen der Bevölkerung im Parlament vorgetragen werden könnten. Darauf setzt auch Pire. «Ohne eine Lösung der kurdischen Frage wird es in der Türkei keine wirkliche Demokratie geben», sagte Pire.