Kurdenkonflikt gefährdet Wirtschaftsstandort Türkei

MESOP COMMENTARY – BALL VERKEHRT !

Führende nordkurdische Politiker identifizieren im westlichen  internationalen Kapital den HAUPTFEIND des Friedensprozesses, während dessen Hausblatt „WALLSTREET JOURNAL“ den peace process unbedingt gelingen sehen will:

Von AYLA ALBAYRAK und JOE PARKINSON  – Wallstreet Journal – ISTANBUL—Die Türkei hat ohnehin schon mit einer abrutschenden Konjunktur, mit Unruhen und den Gefahren des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien zu kämpfen. Jetzt kommt noch eine Bedrohung hinzu, die womöglich noch gefährlicher werden kann: Der Friedensprozess, der den 30 Jahre währenden Konflikt mit den Kurden beenden sollte, droht fehlzuschlagen.

Militante Kurden sagten am Donnerstag, dass sie ihren Rückzug aus türkischem Territorium, der mit der Regierung in Ankara ausgehandelt worden war, beenden würden. Die Türkei habe ihr Versprechen nicht eingehalten, die Rechte der Kurden zu stärken. Zuvor hatte die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mehrere „letzte Mahnungen” ausgesprochen.

„Wir beenden den Abzug von Guerilla-Kämpfern. Wenn wir erkennen, dass die Armee gegen uns vorgeht, werden wir uns rechtmäßig verteidigen”, sagte Cemil Bayik, Leiter des bewaffneten Flügels der PKK. Ankara wolle einen „Krieg”, sagte er. Die Friedensverhandlungen zwischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan und dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan sind nach zehn Monaten zum Stillstand gekommen. Die PKK kämpft um Unabhängigkeit für die Kurden im Südosten des Landes und gilt in der Türkei, den USA und der EU als Terrororganisation.

Vorwürfe an die PKK aus Ankara

Während die PKK noch Warnungen nach Ankara schickte, warf die Regierung den Kurden vor, dass nur etwa 25 Prozent der 2000 PKK-Kämpfer wie vereinbart abgezogen worden seien. Kurdische Führer warnen, dass die PKK in kurdischen Städten wieder mehr Mitglieder rekrutiert, da desillusionierte Jugendliche kaum noch Hoffnung auf ein Friedensabkommen haben.

Währenddessen wächst die Angst, dass die Verhandlungen abgebrochen werden und der Konflikt neu entbrennen könnte. Bei diesem sind bereits 40.000 Menschen gestorben. Während alledem verändert sich die Region unter dem Eindruck des Arabischen Frühlings, und im Irak und in Syrien, wo PKK-verwandte Gruppen bereits ihre Unabhängigkeit erzielt haben, werden die Kurden immer stärker. Ein erneuter Konflikt könnte auch der türkischen Wirtschaft schaden und Erdogans Hoffnungen auf weitere zehn Jahre an der Macht durchkreuzen.

„Derzeit sieht es nicht so aus, als würde die Regierung die Forderungen der Kurden erfüllen. In diesem Szenario könnte der Waffenstillstand gebrochen werden. Das passiert vielleicht nicht sofort, doch es ist zu befürchten, dass es zu noch schlimmerer Gewalt kommen wird als zuvor, wenn dieser Friedensprozess fehlschlägt”, sagt Naz Mashraff, Analyst bei der Eurasia Group in London.

Friedensabkommen würde Weg für Investitionen in der Türkei freimachen

Die Vorteile eines Friedensabkommens sind offensichtlich: Eine Einigung könnte den Weg für neue Investitionen in der Türkei freimachen. Außerdem könnte die Verbindung zu dem ölreichen kurdischen Gebiet im Nordirak gestärkt werden. Das Ansehen der Türkei in der Region würde steigen, und das Land könnte ein Vorbild für junge muslimische Demokratien werden, die aus dem Arabischen Frühling hervorgehen.

Einige türkische Minister haben in den vergangenen Wochen versucht, einen optimistischeren Ton anzuschlagen. Die Warnungen der PKK haben sie abgewiesen und betonen währenddessen, dass sie bald ein „Demokratisierungspaket” vorlegen wollten, durch das etwa zwei Dutzend Gesetze verändert und die Rechte der Kurden gestärkt würden.

„Das Demokratisierungspaket wird viele Forderungen der Kurden erfüllen”, sagte am Donnerstag ein Sprecher aus dem Premierministerium. Die finale Version des Dokuments werde in den kommenden Tagen fertiggestellt und so bald wie möglich dem Parlament vorgelegt. Dieses beendet am 1. Oktober seine Sommerpause. „Das Parlament wird wenn nötig sogar vor dem Ende der Pause tagen”, sagte der Sprecher.

Kurdische Politiker verlangen vor allem die Freilassung von etwa 2000 politischen Gefangenen, die Ausweitung der freien Meinungsäußerung, Änderungen der strengen Anti-Terror-Gesetze und die Umbenennung kurdischer Dörfer und Städte im Südosten der Türkei.

Die Regierung hat in den vergangenen Wochen offenbar ihre Unterstützung der kurdischen Sprachrechte und der Stärkung regionaler Verwaltungen plötzlich beendet. Diese beiden Punkte gehören zu den wichtigsten Forderungen der circa 15 Millionen Kurden im Land.

„Die AKP unterstützte uns früher beim Thema Sprache, doch bei unserem letzten Treffen hat sie ihre Position dazu geändert”, sagte Meral Danis Bestas, stellvertretender Vorsitzender der kurdenfreundlichen Partei des Friedens und der Demokratie (BDP), am Montag.

Geht Erdogan auf die Forderungen ein?

Manche Analysten stellen infrage, ob Premierminister Erdogan bereit oder in der Lage ist, die Forderungen der Kurden zu befriedigen. Nach den Protesten im Sommer ist seine Autorität geschwächt. Erdogan hat viel in den Friedensprozess investiert, der in der Öffentlichkeit zwar Anklang findet, gleichzeitig jedoch von Nationalisten stark kritisiert wird.

Einige Kurdenführer betonen jedoch, dass es noch zu früh sei, um den Friedensprozess als gescheitert anzusehen. „Natürlich erwarten wir nicht, dass alle Probleme durch dieses eine Paket gelöst werden. Es ginge gegen die Natur dieser Verhandlungen, wenn wir den Friedensprozess als gescheitert ansähen, bevor uns überhaupt das Demokratisierungspaket vorliegt”, sagt Selahattin Demirtas, Co-Vorsitzender der BDP.

Für viele Kurden ist der langsame Fortschritt bei den Verhandlungen frustrierend. „Wenn ich zu Beginn der Verhandlungen 99 Prozent hoffnungsvoll war (denn ich hatte meine Zweifel), dann bin ich jetzt nur noch 30 Prozent hoffnungsvoll”, sagt Delal, 33, eine in Istanbul lebende Kurdin. Sie glaubt, dass die Regierung mit ihrer deutlichen Mehrheit im Parlament schon vor langem die Gesetze hätte ändern können, wenn sie denn gewollt hätte. „Ich sehe bei der Regierung keinen starken Willen”, sagt sie.

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