ISRAELS – ZYPERN – GRIECHENLAND – KURDISTAN : DIE NEUEN GASLIEFERANTEN

Das Leviathan Feld : Israel wird zu einem Akteur in der  Energiepolitik / Von Rainer Hermann

Neue Technologien zur Erschließung von Energie sowie jüngst entdeckte neue  Öl-und Gasvorkommen verändern seit einigen Jahren  die geostrategische Balance der Welt, und zwar mit zunehmender Intensität. So verringern die beiden Gasfelder Tamar und Leviathan Israels Abhängigkeit von Energieimporten; vor allem erweitern sie seine außenpolitischen Optionen. Das 2009 entdeckte Tamar-Feld fördert seit April 2013 Gas; den Anteil von Erdgas an der Stromerzeugung Israels hat es bereits von 15 Prozent auf  55Prozent erhöht.

Der Anteil wird auf 70 Prozent steigen. Das  benachbarte Feld „Leviathan“,  das Ende 2010 entdeckt wurde und dessen Vorkommen auf 20 Trillionen Kubikfuß Gas geschätzt wird, soll von 2016 an Gas liefern.

Die zwei Unterwassergasfelder liegen 80 und 130 Kilometer westlich der Küste Israels. Zusammen enthalten sie mindestens 35 Trillionen Kubikfuß Erdgas und hören damit zu den größten Feldern, die in den vergangenen Jahren entdeckt worden sind. Sie werden Israels Energiebedarf für mindestens 60 Jahre decken. Als die neuen Felder entdeckt wurden, hatte Israel lediglich das Feld Yam Tethys ausgebeutet; das in wenigen Jahren erschöpft sein wird.

Israels Industrie soll künftig Gas als Energieträger einsetzen; auch soll der Verkehr auf Gas umgestellt werden. Neben dem wirtschaftlichen Vorteil verschaffen Tamar und Leviathan Israel neue diplomatische Möglichkeiten. Israel, hat die Wahl, das Gas  in arabische Nachbarstaaten nach Asien oder aber nach Europa zu exportieren; dazu baut Israel Gasverflüssigungsanlagen.  Bereits aus dem Tamar  Feld werden 43 Prozent der Förderung exportiert. 60 Prozente der Exporterlöse will die israelische Regierung in einem Fonds anlegen, über den wie in Norwegen  –  künftige Generationen verfügen sollen.

In den vergangenen Jahren hatte Israel Gas aus Ägypten bezogen. Die Gaspipeline wurde jedoch 18 mal Ziel terroristischer Anschläge, so dass die Lieferung eingestellt wurde und Israel seine Kraftwerke von Gas auf Gasöl umstellte.

Härter traf der Ausfall der ägyptischen Gaslieferungen Jordanien, das seine Kraftwerke nicht umstellen kann. Ägypten ist zuletzt als Folge der Instabilität nicht allein der Tourismus zusammengebrochen, auch die Energiewirtschaft. Von den zwei Gasverflüssigungsanlagen am Mittelmeer arbeitet nur noch eine, wenn auch  geringer Auslastung.  Israel könnte heute Gas nach Ägypten liefern, was wegen der politischen Lage als wenig wahrscheinlich gilt.

Eher könnte Israel Jordanien  den Ausfall des ägyptischen Gases ersetzen. Denkbar Sind ferner Lieferungen an die palästinensische Autonomiebehörde, die zwei neue Kraftwerke auf  der Westtrank plant. Die EU will sie finanzieren; sie sollen Elektrizität erzeugen und Trinkwasser herstellen. Neue Chancen würden sich eröffnen sollten die Palästinenser vor der  Küste von  Gaza eigene, Gasvorkommen im Mittelmeer entdecken; die wären für den Eigenbedarf mutmaßlich zu groß, sodaß Israel mit seinen Gasverflüssigungsanlagen bei der Vermarktung helfen könnte.

Am lukrativsten wäre ein Export in die aufstrebenden Wirtschaftsmächte Asiens.

Die höchsten Gaspreise werden in China,  Südkorea und Taiwan erzielt:  Um diese Märkte zu beliefern, könnte quer durch  Israel eine Pipeline nach Eilat an das Rote Meer gebaut werden. Dagegen protestieren israelische Ökologen, ferner ist der nahe gelegene Sinai ein Risiko für die Sicherheit. Zudem würde Israel politische Trümpfe, mit Hilfe des Gases im östlichen Mittelmeer neue Partnerschaften zu schaffen, aus der Hand geben.

Ein  weiteres Risiko ist, neben dem Sinai, das Nachbarland Libanon. Nach der Entdeckung der Felder Tamar und Leviathan gilt die Entdeckung weiterer Felder in libanesischen Hoheitsgewässern als sehr wahrscheinlich. Das würde nicht zuletzt politischen Druck auf Israelnehmen. Denn die libanesische Hizbullah erkennt die Ausbeutung von Tamar und Leviathan durch Israel nicht an und hat mit Anschlägen gedroht. Weiter im Westen von Tamar und Leviathan ist in der Wirtschaftszone Zyperns bereits das Feld Aphrodite mit zehn Trillionen Kubikfuß Gas gefunden worden sowie, ein weiteres kleines Feld, das teilweise unter dem Festland und teilweise unter dem Meeresboden liegt.

Israel, Zypern und Griechenland haben daher im August 2013 – gegen den Protest der Türkei –  eine Absichtserklärung  zur Zusammenarbeit bei Energie unterzeichnet und  zum Bau eines zehn Milliarden Dollar teuren Flüssiggas-Terminals auf  Zypern. Denn das zyprische Feld Aphrodite ist für eine industrielle Nutzung zu klein; um profitabel zu sein, müsste Israel zuliefern. Dann muss sich Israel aber entscheiden, ob es Gas an Zypern liefern will oder aber über die Türkei nach Europa.

Politisch  am interessantesten wäre für Israel eine Pipeline in die Türkei, die ihre Rolle als Transitland für Energie nach Europa ausbauen will: Das Projekt könnte dazu beitragen, die gestörten Beziehungen zwischen der Türkei und Israel zu verbessern.  – Zudem könnte es Europas hohe Abhängigkeit von russischem Gas vermindern. Das will auch die  Türke.  Eine Alternative zu Israel ist für die Türkei jedoch der Bezug von Gas aus der autonomen Region Irakisch-Kurdistan. Gas aus Iraks Norden wird jedoch nicht so schnell verfügbar sein wie das aus Israel.

Eine Hürde ist die Türkische Republik Nordzypern, durch deren Hoheitsgewässer die Pipeline verlaufen würde.  Solange der Konflikt  zwischen der Türkei und Griechenland um Zypern nicht gelöst ist und solange sowohl der Norden wie der Süden Zyperns  gegen eine solche Pipeline ein Veto einlegen können, gilt diese Variante, auch wenn sie politisch gewollt ist, als nicht realisierbar. Dennoch hat der neue Energie-Akteur Israel durch die Gasvorkommen seinen außenpolitischen Handlungspielraum mit einem Schlag erweitert.

Rainer Hermann, FAZ 27-12-2013