IHD SYMPOSIUM „PANORAMA DER MENSCHENRECHTE“

Türkei: die Republik der Menschenrechte

MESOP  – 6.1.2014 – Menschenrechte TürkeiDer türkische Menschenrechtsverein »İnsan Hakları Derneği« (İHD) veranstaltete am 14. Dezember 2013 in Istanbul ein Symposium mit dem Titel »Panorama der Menschenrechte«. Da die Türkei im Bezug auf die Menschenrechte ein »Schurkenstaat« ist und das wohl auch kaum jemanden überrascht, zeigten auch die Medien kein Interesse an den besorgniserregenden Erkenntnissen der Veranstaltung.

Die Entscheidungsträger der Zeitungen und TV-Stationen kennen die Probleme bereits: Menschen werden täglich gequält und gefoltert, Kinder und Frauen werden in der Haft belästigt. Die verantwortlichen Staatsbeamten hingegen werden systematisch gedeckt und vor dem Zugriff der Justiz beschützt. Nichts Ungewöhnliches also …

Solche Fälle kennen wir genug, daher sind sie kaum noch eine Meldung wert. Die Medien müssen ja Neuigkeiten verkaufen. Es geht schließlich um Geld. Viel Geld!

Es wird der Tag kommen, an dem die Erkenntnisse des Symposiums in der Europäischen Union bekannt werden, die ihrerseits Sanktionen und Warnungen aussprechen wird. Erst dann werden die türkischen Medien beginnen mit voller Kraft zu schreien:

Eklat um die Menschenrechte!

Die Türken schauen nicht auf das, was passiert oder auf die Umstände. Sie reagieren nur auf das europäische Echo. Erst wenn der Westen genau hinsieht, ist es eine Meldung wert.

Die Türkei ist die »Hölle« auf Erden für Kinder!

Auf der Veranstaltung referierte u.a. die Menschenrechtsanwältin Tülay Bingöl zum Thema »Gewalt gegen Kinder«. Sie verfasste dazu eine Studie und untersuchte den Zeitraum von 2002 bis 2012. Also die Zeit der »fortgeschrittenen Demokratie« der Regierungspartei AKP.

Hier einige Auszüge der Studie:

Gerichtsverfahren gegen Kinder haben extrem zugenommen. Im Jahr 2002 wurden etwa 11.747 Verfahren gegen Kinder geführt. Zehn Jahre später lag dieser Wert bereits bei über 100.121! Also rund 10-mal mehr Prozesse gegen Minderjährige als vor der AKP-Zeit.

    Im Jahr 2002 wurden etwa 2029 Kinder vor Gericht rechtsgültig verurteilt. Im Jahr 2012 waren das schon über 32.300 Verurteilungen.

    Seit 2013 sitzen 85 Kinder wegen Terrorismusvorwürfen im Gefängnis. Weitere ca. 2.000 Kinder sitzen wegen anderen Straftaten in Haft.

Die Kinderrechtskommission der Anwaltskammer in Izmir, Sakran, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Haftbedingungen in der Türkei. Laut ihrer Untersuchung würden die inhaftierten Kinder z. B. mit Schläuchen geschlagen oder in ihre offenen Wunden absichtlich Salz gestreut. Sie sollen in Beobachtungsstationen mehr als 3 Monate festgehalten worden sein und mussten Dokumente unterzeichnen, die nur einen Aufenthalt von 5 Tagen belegen. Vielen Kindern sei der Hofgang über mehrere Wochen hinweg verwehrt worden, so die Kommission.

All diese Informationen dienen nicht dazu, die Türkei zu diskreditieren. Sie sind auch nicht aus der Luft gegriffen, sondern werden auch in offiziellen Berichten des Justizministeriums erwähnt.

Frauen wie Gazellen

Auf dem Symposium in Istanbul wurde neben den Kinderrechten auch die Situation von Frauen diskutiert und analysiert. Am menschenunwürdigsten würden Frauen im Alter von unter 18 Jahren leben. Die Rechtsanwältin Tulay Bingöl zog auch hier offizielle und staatliche Daten heran:

    Im Jahr 2013 war jede dritte Mutter im Land unter 18 Jahren jung.

Vielleicht werden Sie sich an dieser Stelle fragen, wer minderjährigen Kindern so etwas antun kann? Auch diese Daten hat die Rechtsanwältin den staatlichen Statistiken entnommen:

    Im Jahr 2011 haben mehr als 20.000 Familien einen Antrag vor Gericht eingereicht, um ihre Töchter im Alter von weniger als 16 Jahren verheiraten zu dürfen.

    In der Türkei gibt es aktuell mehr als 181.000 Kinderbräute!

Wie junge Gazellen in der afrikanischen Savanne sind diese Kinder ständig der Gefahr ausgesetzt, von Raubtieren zerfleischt zu werden. Sie sind wehrlose Opfer, die kaum eine andere Chance haben, als sich ihrem Schicksal zu ergeben.

Der trockene Sachverhalt auf Zahlen und Statistiken zu starren mag für viele »langweilig« erscheinen. Gerade wenn es um Menschenrechte geht, besitzen Zahlen in der Türkei kaum noch Bedeutung. Es sind andere Zahlen, die die Menschen mehr interessieren und bewegen und wodurch man vom menschlichen Leid leicht ablenken kann:

»Die türkische Wirtschaft ist die prächtigste der Welt geworden!«

Wenn Sie diesem gleichgeschalteten Salvenfeuer des ökonomischen Triumphzuges der türkischen Politik und Gesellschaft nichts entgegenzusetzen haben, werden Sie es sehr schwer haben.

Der Wunsch ein wirtschaftliches Großgewicht zu werden überschattet alles andere. Dass die Türkei eine sog. »Defekte Demokratie« ist und erhebliche Mängel aufweist, spielt natürlich keine Rolle. Sie steht auf gleicher Ebene mit Uganda, Kambodscha, Mosambik, Kenia, Pakistan und Ägypten.

Welch glanzvoller Staat am Bosporus!