Evakuierung von Homs ist keine humanitäre Geste (DIE ZEIT)

Frauen und Kinder sollen das umkämpfte Homs verlassen dürfen. Details bleiben ungeklärt. Und das Assad-Regime dürfte kaum plötzlich Mitleid mit Zivilisten haben. Ein Kommentar von Carsten Luther

Immerhin, so könnte man argumentieren, hat die Syrienkonferenz in Genf die Chance eröffnet, dass Frauen und Kinder die eingeschlossene Stadt Homs verlassen können. Auf den ersten Blick ist das ein wichtiger Schritt. Angesichts der schmalen Aussichten auf eine umfassende Lösung des Konflikts, war von vornherein klar: Um einen Friedensschluss wird es in den Gesprächen nicht gehen, allenfalls kann die Not der Bevölkerung gelindert werden. Aber ist die Evakuierung eine humanitäre Geste? Zweifel daran sind berechtigt. Ohnehin ist fraglich, ob es überhaupt dazu kommt. 

Was UN-Vermittler Lakhdar Brahimi am Sonntagabend noch als wichtigen Teilerfolg dargestellt hatte, schien in der Fortsetzung der Verhandlungen schon nicht einmal mehr eine echte Einigung zu sein. Die Vertreter der Opposition dementierten, eine solche Forderung überhaupt gestellt, geschweige denn dem Angebot zugestimmt zu haben. Sie werfen der Regierung vor, einen Hilfskonvoi aus zwölf Lastwagen nicht in die Stadt zu lassen, solange Frauen und Kinder Homs nicht verlassen haben.

Das allein macht deutlich, wie wenig in dieser Frage geklärt ist. Angeblich aber, so berichtet es das syrische Staatsfernsehen, haben sich Regierungs- und UN-Vertreter bereits in Homs getroffen, um die konkrete Evakuierung zu planen.

Kein Ersatz für sofortige Hilfe

Unwahrscheinlich ist allerdings, ob die in Homs eingekesselten Rebellenkämpfer sich darauf überhaupt einlassen. Die Delegation in Genf erkennen sie nicht als ihre Vertreter an. Sie haben auch wenig Interesse daran, allein in der Stadt zu bleiben, wenn sich das syrische Militär nicht im gleichen Schritt zurückzieht. Sie wollen eine Aufhebung der Blockade und Zugang für Hilfslieferungen; die Oppositionsvertreter haben inzwischen dieselbe Forderung gestellt. Für sie ist die Evakuierung kein Ersatz für sofortige Hilfe: Die Menschen in Homs verzweifeln vor Hunger und Kälte – jetzt. Und die Rebellen wollen zu Recht Garantien.

Frauen und Kinder aus der Stadt zu lassen, kann nur der zweite Schritt eines Hilfsangebots sein, sie müssen jetzt versorgt werden, so lange sie in der Stadt sind und für Hilfslieferungen erreichbar sind. Und überhaupt: Wohin sollten sie gehen und unter wessen Schutz?

Zurückbleiben würden in den letzten von Rebellen gehaltenen Vierteln von Homs ein paar Hundert Kämpfer, die weiterhin von jeder Versorgung abgeschnitten wären. Aus militärischer Sicht käme das Assads Truppen sehr entgegen: Ob er sie nun verhungern lässt oder mit aller Gewalt schlägt – Rücksicht müsste er dann ganz offiziell nicht mehr nehmen, die Zivilisten konnten ja gehen.

Dass es sich bei dem Angebot um eine strategischen Schachzug handelt, hat der syrische Vizeaußenminister Faisal Mokdad nur allzu deutlich gemacht: Es liege an den “Terroristen”, ob die Frauen und Kinder gehen dürften oder nicht. http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/syrien-homs-evakuierung-frauen-kinder-konferenz