EINE DERRIDAISTISCHE „LÖSUNG“ : Vermitteln, verzögern, verwässern – Die UN Resolution

EINE UN RESOLUTION OHNE  BEDEUTUNG

EIN  GROSSES GESCHENK FÜR DEN IRAN – EIN DIPLOMATISCHER ERFOLG FÜR EIN MARODES RUSSLAND – EIN TRIUMPH DES MITTELSTÄNDLICHEN WESTLICHEN PAZIFISMUS  =

Der  120 000 Menschen das Leben kostete, 2,5 Millionen Menschen flüchten ließ, Zehntausende foltern & inhaftieren ließ + unersetzbare Kulturgüter vernichtete. (MESOP)

Wegen der Schwäche der Amerikaner kann Russland das syrische Regime am Leben halten. Um Chemiewaffen geht es in Wahrheit nicht. – 

Von Michael Thumann – DIE ZEIT – 27.9.2013 – Der Krieg in Syrien hat sich in dieser Woche weiter verschärft. Allein eine militärische Intervention der USA ist einstweilen verhindert worden – dank einer diplomatischen Initiative Moskaus, die die Welt überrascht hat.

Das Abkommen von Genf, das die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow ausgehandelt haben, ist der Kompromiss zweier Großmächte, die eine schwach, die andere geschwächt. Doch hat Russland tatsächlich das Problem mit den Chemiewaffen gelöst – oder Assad einfach mehr Zeit erkauft, um seinen Krieg fortsetzen zu können? Erleben wir, dass Moskau politische Lösungen anzubieten hat – oder profitiert Russland nur von Amerikas Schwäche?

Den geplanten amerikanischen Luftkrieg hat Russland in die Ausschüsse verlegt. Damit ist Putin der größte außenpolitische Erfolg Russlands seit dem Ende der Sowjetunion gelungen. Russland, das Land der verlorenen Größe, scheint auf einmal Anspruch auf die Rolle als Ordnungsmacht zu erheben. Der “unipolare Moment”, den der US-Kolumnist Charles Krauthammer ein Jahr vor dem Untergang der Sowjetunion 1991 für Amerika ausrief, ist endgültig vorbei.Nun streiten die USA und Russland darüber, ob dem syrischen Diktator Baschar al-Assad in einer UN-Resolution Gewalt angedroht werden soll, wenn er die Beschlüsse verschleppt, die Russland und die USA in Genf ausgehandelt haben. Bis Mitte 2014 sollen die Chemiewaffen des syrischen Regimes vollständig vernichtet sein. In diesem Herbst werden internationale Inspekteure dafür Lager und Chemiefabriken besichtigen und zur Zerstörung ausweisen. Das Ziel: Das Assad-Regime soll nie wieder Giftgas einsetzen können. Der brutale Krieg selbst aber, zu dem Waffen aus Russland so viel beigetragen haben, geht weiter. Über 100.000 Menschen sind gestorben, über fünf Millionen sind auf der Flucht.

Das ist die dunkle Seite der eleganten russischen Vermittlung im Konflikt um Assads Chemiewaffen. Russland füllt bis heute die Zeughäuser des syrischen Regimes und lehnt zugleich jede militärische Drohung gegen Syrien ab. Das Land ist zum Paten des syrischen Diktators geworden. Über die Gründe wird viel spekuliert. Syrien ist ein alter Verbündeter aus Zeiten des Kalten Kriegs. Die russische Armee unterhält eine Marinebasis am Mittelmeerhafen von Tartus, die einzige außerhalb den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion. Russische Rüstungsbetriebe liefern Kampfgerät nach Damaskus. Doch das allein erklärt nicht das tiefe Interesse an Syrien. Wahrscheinlich zahlt Assad keinen Rubel für die Waffen, und aus russischer Sicht machen die Exporte nach Syrien keine drei Prozent der Gesamtausfuhr von Rüstungsgütern aus. Waffen an Syrien sind für Wladimir Putin also kein lukratives Geschäft, sondern eine notwendige Ausgabe, um Größeres zu erreichen.

In Syrien entscheidet sich der Einfluss Russlands im Nahen Osten, aber auch seine Bedeutung in der internationalen Politik. Erst mit dem Krieg in diesem Land ist Russland auf die globale Bühne zurückgekehrt: Russland kann durch den Chemiewaffen-Deal von Sergej Lawrow und John Kerry größer erscheinen, als es ist. Es kann den Segen der Nichteinmischung in Syrien und anderswo predigen. Und es hat endlich der Supermacht USA etwas entgegenzusetzen. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war der Moment nie günstiger als heute. Die USA haben sich selbst geschwächt. Das Hin und Her um einen Krieg, den Obama vorbereiten ließ, aber nicht wirklich führen wollte, hat dem Land in einer Weise geschadet, die noch nicht absehbar ist. Sicher aber haben die USA den Eindruck der unerschöpflichen Stärke und Unverwundbarkeit eingebüßt. Anders als Bill Clinton, der 1999 an den Russen vorbei Serbien bombardierte, anders als George W. Bush, der ohne UN-Mandat den Irak mit Krieg überzog, hat Barack Obama seine Angriffspläne beiseitegelegt, um auf einen russischen Vorschlag einzuschwenken. Das ist eine weltpolitische Zäsur. Auch eine Hoffnung?

Das Drama für die Welt ist, dass nicht ein modernes, kraftstrotzendes Land wartet, um in die Rolle des globalen Vermittlers zu schlüpfen, sondern: Russland. Dieser russische Großraum zwischen Ostsee und Pazifischem Ozean ist keine Supermacht mehr – und kann es auf absehbare Zeit nicht werden. Russland erbringt trotz unerschöpflicher Rohstoffe eine dürftige Wirtschaftsleistung. Nach mehr als 13 Jahren unter Wladimir Putin blüht die Korruption, ist die Modernisierung gescheitert. Kritische Stimmen werden ausgegrenzt, verbannt, erstickt. Anders als einst der Sowjetunion fehlen Russland die Ideen und die Wirkung, um die Welt faszinieren zu können.

http://www.zeit.de/2013/39/syrien-russland-chemiewaffen