DIE LGBTI FORTPFLANZUNG ALS INDUSTRIELLES GESCHÄFT EINER NEUEN KLASSEN-MORAL / DIE OPFER DER BIOLOGIE DES WESTENS / VON WIBKE BECKER

REICH / WEISS / MAMA : „ Sie können, je nach Anbieter, zwischen dem „Success-Paket”, dem „All-Inclusive Paket” oder dem „Winner-Paket” entscheiden oder eben, wenn der Geldbeutel nicht ganz so prall ist, nur das „Economy Paket” nehmen. Es gibt Flatrates für Leihmutterschaften, bis es klappt mit einer Geburt. Es gibt Sonderpreise bei Zwillingen oder Drillingen. Es gibt das Recht der Auftraggeber, behinderte Embryos abtreiben zu lassen.“

Reiche Frauen haben sich dann vom Körperlichen weitgehend gelöst. Sie sitzen nur noch vorm Bildschirm. Ihre Wohnung reinigt eine marokkanische Putzfrau. Auf ihre Eltern passt eine polnische Pflegerin auf. Ihr Kind trägt eine ukrainische Leihmutter aus. Und dann, wenn das Kind da ist, geht es mit einem halben Jahr in die Kita.

Wenn der Körper von Frauen verkauft wird, nennt man das Prostitution. Kein schönes Wort. Da denkt man an Männer und an eine leere, tierische Sexualität, an einen Trieb. Frauen verkaufen ihren Körper aber immer öfter an Frauen oder Schwule. Nicht sexuell, sondern für die Fortpflanzung: als Leihmütter oder indem sie ihre Eizellen feilbieten. Das nennt niemand Prostitution.

Fortpflanzung klingt weicher und wärmer als Sexualität. Irgendwie sozialer. Der Wunsch nach Fortpflanzung trifft deshalb im Gegensatz zu dem nach Sexualität fast überall auf Verständnis. Wer etwa seinen Partner verlässt, weil der impotent geworden ist, der gilt als Egoist. Der liebte wohl nicht wirklich. Wer aber seinen Partner verlässt, weil der keine Kinder wollte, für den muss man Verständnis haben. Der Wunsch nach einem Kind ist als Argument unschlagbar.

Wer keine Kinder kriegen kann, gilt damit als biologisches Opfer. Und als Opfer darf man sich an Grenzen wagen, denen sich andere niemals auch nur nähern dürfen. Die scheinbaren Opfer der Biologie, die keine Kinder kriegen können, zum Beispiel weil sie zu lange gewartet haben oder weil sie homosexuell sind, wenden sich dann an die Reproduktionsmedizin. Die stellt Kinder für sie her. Dafür kauft sie die Körper von fremden Frauen. Vielleicht nur die Eizellen. Wie bei der 65 Jahre alten Deutschen, die nun Vierlinge bekommen wird. Sie hatte das fruchtbare Alter längst hinter sich, wollte aber nicht auf weitere Kinder verzichten, also ließ sie sich in der Ukraine fremde Eizellen einpflanzen. In Deutschland ist das verboten.

Oder aber die Kinderlosen kaufen sich die Gebärmutter einer anderen Frau. Das nennt sich Leihmutterschaft. Dabei wird eine befruchtete Eizelle, meist die der Kundin, der Leihmutter eingesetzt. Schwule Kunden müssen sich vorher zusätzlich eine fremde Eizelle besorgen. Bei der Leihmutterschaft arbeitet die fremde Frau als Brutkasten. In den neun Mona ten der Schwangerschaft gehört der Bauch nicht ihr. Sondern ihren Kunden. Wenn das Kind auf der Welt ist, übergibt sie die Ware an ihre Auftraggeber, und der Job ist erledigt. Auch dieses Produkt kann man nur im Ausland kaufen.

Die Kinderlosen, die sich als Opfer ausgeben, werden als Konsumenten dieser Frauen zu Tätern. Denn künstliche Reproduktion beruht in beiden Fällen auf Ausbeutung. Die Frauen, die diese „Leistungen” übernehmen, sind keine reichen, weißen Frauen wie ihre Kundinnen. Sie brauchen das Geld und wohnen oft in Entwicklungsländern. In Indien, in der Ukraine, in Thailand (hier wurde allerdings im Februar dieses Jahres die Leihmutterschaft für Ausländer verboten). Weiße, reiche Pärchen haben dabei oft kein schlechtes Gewissen. Sie wiederholen einfach ihr Mantra: Ich kann sonst kein Kind kriegen, also darf ich das. Und kriegen dafür oft auch noch Applaus. Es scheint unmenschlich und grausam, einem Schwulen etwas künstlich zu verwehren, was die meisten anderen Menschen doch natürlich haben können.

Tatsächlich wird so die Wirklichkeit auf den Kopf gestellt. Unmenschlich und grausam ist gerade das, was in der künstlichen Reproduktionsmedizin passiert. Dass man auf Websites von Anbieterfirmen Dinge lesen kann wie: „Es gibt keine absolute Unfruchtbarkeit!” Als ob das Geld über die Biologie herrschen könnte. Und als ob die, die eben kein Geld haben, die Armen, das Biologische und alles Leid und allen Schmerz, der mit dem Biologischen nun einmal zusammenhängt, auf sich nehmen müssten. Als ob es zwei Klassen von Menschen gäbe davon eine, die sich völlig von der Biologie verabschieden kann. Und eine andere, die in der Biologie bleiben (und leiden) muss, die in ihr arbeitet, damit der reiche Rest alles immer und in jeder Art und Weise haben kann.

Kinderlose suchen sich die Frauen, die für sie den biologischen Teil der Fortpflanzung übernehmen, in Katalogen aus, mit Bildchen und Lebenslauf. Sie können, je nach Anbieter, zwischen dem „Success-Paket”, dem „All-Inclusive Paket” oder dem „Winner-Paket” entscheiden oder eben, wenn der Geldbeutel nicht ganz so prall ist, nur das „Economy Paket” nehmen. Es gibt Flatrates für Leihmutterschaften, bis es klappt mit einer Geburt. Es gibt Sonderpreise bei Zwillingen oder Drillingen. Es gibt das Recht der Auftraggeber, behinderte Embryos abtreiben zu lassen. Martina Lenzen-Schulte berichtete vor kurzem in der F.A.Z., dass Agenturen in Indien eigens soziale Netzwerke in Armutsenklaven aufbauen, die Frauen für die Leihmutterschaft rekrutieren. Sie berichtete von dem Ergebnis einer dänischen Studie, wonach keine einzige der befragten indischen Leihmütter sagen konnte, wie viele Embryonen ihr eingepflanzt worden waren meist werden für den besseren Erfolg mehrere eingesetzt. Die Frauen wissen auch nicht, dass ihnen im Laufe der Schwangerschaft somit überzählige Embryonen im Bauch getötet werden. Ein Arzt sagte der Studie zufolge: “Nein, wir fragen sie nie, und sie werden nicht mal darüber informiert, wie viele übertragen werden. Das sind ungebildete Mädchen, Analphabeten.” Reiche Frauen in westlichen Ländern, die alle Produkte haben, die man sich nur wünschen kann (auch das Produkt Kind), werden so immer reicher. Denn sie können immer mehr arbeiten.

An dieser Stelle reicht ein Fünkchen Phantasie, um sich auszumalen, welche Synergieeffekte verschiedene Reproduktionstechniken miteinander auslösen werden. Vor allem Leihmutterschaft in Verbindung mit Social Freezing. Der Begriff bezeichnet die Möglichkeit, die eigenen Eizellen einfrieren zu lassen. Sozial ist das nicht. Aber Social Freezing ist ein Werbebegriff, mit dem Firmen Geld verdienen wollen dazu passt „social” einfach besser als EgoFreezing. Die eingefrorenen Eizellen können dann später, wenn die Frau Karriere gemacht hat und Lust auf Kinder kriegt, aber schon nicht mehr fruchtbar ist, aufgetaut und einer Leihmutter eingepflanzt werden. Dann muss der Arbeitgeber während der Schwangerschaft auch nicht mit einem Arbeitsausfall rechnen. Er könnte für seine Angestellte die Kosten für das Social Freezing übernehmen, wie bei Apple und Facebook. Frauen werden daher in Zukunft sicherlich genauso oft eingestellt wie Männer. Die Gehälter werden sich angleichen, es braucht keine Quote mehr, und die Gleichberechtigung hat ein für alle Mal gesiegt.

Reiche Frauen haben sich dann vom Körperlichen weitgehend gelöst. Sie sitzen nur noch vorm Bildschirm. Ihre Wohnung reinigt eine marokkanische Putzfrau. Auf ihre Eltern passt eine polnische Pflegerin auf. Ihr Kind trägt eine ukrainische Leihmutter aus. Und dann, wenn das Kind da ist, geht es mit einem halben Jahr in die Kita. Pech haben in dieser Zukunft die Schwachen und Ungeschützten. Die Frauen, die unten, im Reich der Biologie hängen bleiben. Die nicht in die höhere Sphäre mitkönnen, weil es eben Leute geben muss, die die Drecksarbeit übernehmen. Für die Opfer der Biologie im Westen. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 19 Apr 2015, Politik S. 7