DIE GRAUEN WÖLFE IN DEUTSCHLAND & DEUTSCHEN PARTEIEN
ZAFER TOPAK – CDU POLITIKER IN HAMM / WESTFALEN
Dann erklärt Topak, dass die Mehrheit der Juden keine Semiten seien, sondern türkische Vorfahren hätten.
….. in der Tat eine neue Variante des Antisemitismus: alle Juden war schon einmal Türken. Vom Umbringen aller Juden ist hier nicht mehr die Rede, nur von deren Re-Turkizierung. Die Juden können also aufatmen. (MESOP)
Plötzlich taucht ein Hindu-Priester auf. Ein kleiner Mann mit rotem Punkt auf der Stirn. Er setzt sich zu den Grauen Wölfen an den Tisch, spricht nicht viel. Es reicht, dass er da ist. „Hier in Hamm haben wir keine Probleme”, sagt einer der Grauen Wölfe. „Nein, in Hamm gar nicht, mit den anderen Religionen nicht und mit dem Oberbürgermeister auch nicht”, sagt ein anderer.
Der Türkische Kulturverein sitzt in einem westfälischen Ecklokal. Am Eingang hängt eine weiße Fahne mit der Aufschrift ,Türk Federasyon, Frankfurt 1978″ – der Dachverband des Vereins. Die Türkische Föderation ist die größte Organisation der Grauen Wölfe in Deutschland und wird seit den achtziger Jahren vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz beobachtet – wegen des „teilweise extrem nationalistischen Gedankengutes”.
Die Grauen Wölfe fordern die weltweite Vereinigung aller Turkvölker in einem Großreich, vom Balkan bis ins autonome chinesische Xinjiang. Laut Verfassungsschutz verherrlichen sie das Türkentum und leben ein rigides Freund-Feind-Denken. Feindbilder seien ethnische Gruppen wie Kurden, Armenier und Griechen sowie religiöse Gemeinschaften wie Juden, Christen oder Aleviten – die in der mehrheitlich sunnitischen Türkei noch immer diskriminiert werden.
Auf einem Bild über der Tür heult ein Wolf vor einem violetten Himmel drei Halbmonde an. Daneben steht „Türkiye Türklerindir”, die Türkei den Türken. „Wie Deutschland den Deutschen”, sagt einer der Männer. „Aber hier wird das gleich wieder als rechtsextremistisch eingestuft. In der Türkei liest man das überall.” Seine Eltern waren türkische Gastarbeiter, er engagiert sich in der CDU.
Auf dem Tisch stehen kleine Gläser mit süßem Schwarztee, honigdurchtränktes Gebäck und Oliven mit Schafskäse. Zwischen den Grauen Wölfen sitzt ein Alevit, ein junger Student, er ist ein Parteifreund des CDU-Mannes und aus Neugier in das feindliche Lager mitgekommen. Er ist nervös, hat die Grauen Wölfe mit Küsschen rechts, Küsschen links begrüßen müssen. Jetzt schweigt er und tippt Nachrichten in sein Handy. Alle lächeln.
Zafer Topak, der CDU-Mann, blickt eindringlich, ein schwarzer Balken aus Brauen liegt über seinen Augen. Er ist 33, trägt Nadelstreifenanzug, studiert Wirt-schaftswissenschaften und verkauft Versicherungen. Die Grauen Wölfe schauen erwartungsvoll zu ihm, niemand sonst ergreift das Wort. Topak sagt: „Mögen die Spiele beginnen.”
„Erklär doch mal, was die vielen Nationalsymbole an den Wänden bedeuten”, ermuntert ihn der Alevit. Die drei Halbmonde, sagt Topak, stünden für die Kontinente, auf denen das Osmanische Reich geherrscht habe: Asien, Europa und Afrika. Und sie symbolisierten die Partei der nationalistischen Bewegung, MHP, die Partei der Grauen Wölfe. „Das ist eine normale, demokratische Partei. Nicht wie die NPD oder die Linkspartei. Sie ist keine Randerscheinung, sondern eine Art türkische CSU.” Er pocht beim Reden energisch mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. Seit wann ist er ein Grauer Wolf? Jeder Türke ist ein Grauer Wolf.” Der Wolf sei schließlich ein heiliges Tier in der türkischen Mythologie, er stecke in jedem.
Topak war 14 Jahre alt, als er anfing, die Wolfskette zu tragen, eine Silberkette mit Wolf und Halbmond am Anhänger. Er sei dafür von Mitschülern geschlagen worden. „Das waren türkische Linksextremisten. Auch für meine Lehrer am Gymnasium in Hamm war ich der Faschist oder Fundamentalist und wurde schlecht benotet. Viele meiner Lehrer waren Kommunisten und Linke.”
Er ging fast täglich in den Kulturverein, damals trugen er und der heutige Vereinsvorsitzende, der auch in der CDU ist, lange Haare. Sie sprachen über türkische Geschichte, sangen Märsche vom türkischen Befreiungskampf, fuhren auf den Großkongress der Türkischen Föderation.
Der Vereinsvorsitzende, ein Mann mit trainierten Oberarmen und freundlichem Lächeln, führt durch die Unterrichtsräume im ersten Stock, wo Kinder Nachhilfe-unterricht bekommen. Sein kleiner Sohn kommt angelaufen, klettert auf Vaters Arm. Im Verein könne man Saz spielen, sagt er, die orientalische Laute. Und Info-abende besuchen, zum Beispiel über das Internet: Da wird erklärt, dass man nicht mit unbedachten Videos und Kommentaren Dinge verbreiten soll, die der Organisation schaden. Man achtet hier sehr darauf, mit den deutschen Gesetzen im Einklang zu leben.
Und die Aleviten? In der sunnitischen Türkei gelten sie als vom Glauben abgefallen. Angeblich gefährden sie den homogenen Staat, die Volkseinheit. Mit denen hätten sie keine Probleme, sagt der Vorsitzende. Es spielten sogar drei im Fußballverein mit. Schweigen. Lächeln. Er lädt den alevitischen Studenten zu einem Lagerfeuerabend ein. Dann muss er los, zu seiner Arbeit in der Drahtfabrik.
Unten liegen Zeitungen der Türkischen Föderation aus. Darin stehen Berichte über Veranstaltungen der Grauen Wölfe in vielen deutschen Städten Immer sind die Hallen voll. Dazu Fotos von Kindern, die fröhlich basteln und den Wolfsgruß zeigen: Mittel-und Ringfinger treffen auf den Daumen, der Zeigefinger und der kleine Finger sind abgespreizt. Ein Wolfskopf.
An der Wand hängt ein Porträt von Alparslan Türke, dem Gründer der Grauen Wölfe. 1943 wurde er als Hauptmann der Armee zu einer neunmonatigen Haftstrafe verurteilt, weil er ein großtürkisches Reich forderte und mit den Nationalsozialisten sympathisierte. Er zitierte gelegentlich aus Hitlers “Mein Kampf”. Nach dem Krieg stieg er zum Oberst auf. Dann ging er in die Politik, bildete antikommunistische Vereine und baute eine straff organisierte Jugendorganisation auf, genannt Bozkurtlar, Graue Wölfe. Die gingen mit Gewalt gegen revolutionäre und demokratische Kräfte in der Türkei vor. 1973 schrieb der Führer seinen Anhängern: „Sollte ich umkehren, schlagt mich tot! Schlagt alle tot, die unsere Sache mitgemacht haben und umkehren wollen.” Der Befehl wurde ernst genommen.
Auf einem Kongress der Türkischen Föderation, 1996 in der Essener Grugahalle, rief Türkee zu einem Marsch durch die Institutionen auf. Er empfahl, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen und in die Parteien zu gehen. Am besten in die CDU, denn die rechtsextremen Parteien seien zu unwichtig – und den Türken nicht wohlgesinnt.
Auf die Frage, wie viele Graue Wölfe in der CDU seien, öffnet Zafer Topak die rechte Hand und wiegt sie in der Luft. Das soll heißen: sehr, sehr viele. Der Generalsekretär der CDU, Hermann Gröhe, sagte dazu der F.A.S., seine Partei achte sehr darauf, „dass türkische Extremisten keinen Zugang zur CDU bekommen”. Man nehme aber die Warnungen über die Versuche, Einfluss auf die Parteien zu nehmen, sehr ernst. In Verfassungsschutzkreisen heißt es, die Verbände der Grauen Wölfe in Deutschland riefen ihre Mitglieder dazu auf, in die Parteien zu gehen – vor allem in die CDU und in die SPD. Insbesondere auf kommunaler Ebene gebe es gute Kontakte zur Politik.
2009 machte der SPD-Bezirksbürgermeister in Berlin-Mitte Schlagzeilen, weil sein Bezirk Projekte des „Türkischen Kulturvereins” in Wedding gefördert hatte, der den Grauen Wölfen nahesteht. Auf Anfrage der FA.S. teilte das Bezirksamt mit, weder damals noch heute habe es Gründe für eine Ablehnung der Förderung gegeben.
Die Anführer der Grauen Wölfe müssen nur mit dem Finger schnippen, dann sind die Anhänger vollzählig zur Abstimmung da. Sie pflegen Netzwerke, Landtags-abgeordnete wie Serap Güler, Christdemokratin aus NRW, kamen zu ihren Tagungen. Güler rechtfertigte sich damit, dass auch andere Politiker eingeladen waren: „Keinem dieser Anwesenden ist dabei aufgefallen, dass die Grauen Wölfe dort für sich geworben haben.” Allerdings hingen auf der Bühne mehrere Banner des türkischen Kulturvereins in Brühl: „Brühl Türk Kültür Ocagi”. Ocak heißt „Feuerstelle”, schon der Name zeigt die Zugehörigkeit zu den Grauen Wölfen.
Topak trat 2001 in die CDU ein, er ist Beisitzer im Ortsverband, engagiert sich in der Jungen Union und will für den Stadtrat von Hamm kandidieren. Ein CDU-Landtagsabgeordneter in Düsseldorf forderte vor zwei Jahren seinen Parteiausschluss, weil er immer wieder die Grauen Wölfe verteidigte. Das Anliegen blieb erfolglos. Nur den Ring christlich-demokratischer Studenten musste Topak verlassen. Im Internet schrieb er, dass, „falls es zu einem neuen Befreiungskrieg kommen sollte”, Millionen von Türken „sicherlich für ihr Vaterland sterben und nicht zulassen, dass im Südosten der Türkei eine andere Flagge weht”. Und auf StudiVZ behauptete er, dass es keinen Völkermord an Armeniern gegeben habe.
„Ein hungriger Bär tanzt nicht gern”, sagt Topak und steigt ins Auto. Er setzt sich nach vorn, ein kräftiger Grauer Wolf steuert den Wagen. Sie fahren in eine alte Zechensiedlung, kleine, rote Backsteinhäuser, in denen fast nur Türken wohnen. Die Stimmung ist angespannt. „Zafer, entführst du uns?”, fragt der Alevit auf der Rückbank. Es klingt nicht lustig.
Dort, wo weißer Qualm zwischen den Häusern aufsteigt, hält der Wagen an. Ein Grill nebelt die Gäste ein, allesamt Türken. „Und jetzt zeigst du uns hier ein schönes Paralleluniversum”, sagt der Alevit. An den Biertischen sitzen junge Mädchen mit schillernden Kopftüchern. Topak bringt Ayran und Kebab. Das Gespräch kommt auf Israel. Der Alevit fragt: „Gehört Israel für dich auf die Landkarte?” Topak: „Das ist eine Scheißfrage.” Der Alevit: „Ich weiß, dass ich dich damit provozieren kann.”
Dann erklärt Topak, dass die Mehrheit der Juden keine Semiten seien, sondern türkische Vorfahren hätten. Auch in der Türkei gibt es seiner Meinung nach keine kurdische, armenische oder aserbaidschanische Minderheit. Das sind alles Türken.
Topak redet, er redet seit sechs Stunden. Auf der Rückfahrt sagt er: Die Grauen Wölfe seien für eine gerechtere Weltordnung. „Nichts anderes wollte das Osmanische Reich.” Von der Rückbank seufzt der Alevit: „Zafer, jetzt hast du uns den ganzen Tag missioniert. Ich kann nicht mehr.”
Lydia Rosenfelder