DIE GESCHICHTE DES ARZTES ADNAN ISMAIL : Provisorische Kliniken in Syrien

Von NOUR MALAS – WALL STREET JOURNAL  – 21.12.2013 – Der syrische Arzt Adnan Ismail hat mit Freunden eine provisorische Klinik aus dem Boden gestampft.

Früher arbeitete Adnan Ismail als Arzt in einem staatlichen syrischen Krankenhaus. Dann brach der Bürgerkrieg in seiner Heimat aus und zwang ihn zu einer schweren Entscheidung. Jetzt versieht er seinen Dienst auf einem früheren Acker. Dort haben seine Freunde und er in nächtelanger Schwerstarbeit im Verborgenen eine provisorische Klinik aus dem Boden gestampft, die von Rebellen betrieben wird.

Ein Jahr lang half Ismail mit, den Boden auszuheben, Wände festzuklopfen und Treppen anzulegen. Bis schließlich ein unterirdischer Bunker entstanden war, in dem die Mediziner operieren konnten, erzählt der 29-jährige, schlanke Arzt, der seinen Vollbart nach Art der Rebellen kurz geschnitten trägt.

In Weizenfeldern und Olivenhainen, in Privathäusern und auf den Ladeflächen von Lastwagen gehen syrische Ärzte wie Ismail ihrer Arbeit nach. Unter schwersten Bedingungen haben sie mühsam ein medizinisches Versorgungsnetz geknüpft. An ihrer Seite versuchen Medizinstudenten, Krankenschwestern und zivile Helfer, einen Ersatz für die Krankenhäuser zu schaffen, die im Krieg zunichte gemacht wurden.

Für die Kriegsverletzungen, mit denen sie konfrontiert werden, fehlt den meisten Helfern die Ausbildung. Sie haben nicht genug Personal, Medikamente und Geräte. Und sie werden von den Truppen des Regimes attackiert. Aber ohne sie, da sind sich die Gesundheitsorganisationen, die die Krise beobachten, sicher, wären noch viel mehr Syrer den blutigen Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen. Bisher haben sie bereits geschätzt 125.000 Menschen das Leben gekostet.

“Ich habe Gott immer darum gebeten, mir ein abenteuerliches und erfüllendes Leben zu schenken”, sagt Ismail. “Ich glaube, er könnte mich zu ernst genommen haben.”

Der orthopädische Chirurg Samer Attar hatte die Chance, in diesem Herbst mit eigenen Augen zu sehen, was seine syrischen Kollegen auf die Beine gestellt haben. Der Amerikaner syrischer Abstammung arbeitet normalerweise im Northwestern Memorial Hospital in Chicago und hatte sich zum Freiwilligendienst in Syrien gemeldet. Er landete schließlich in einer Klinik in einem von Rebellen besetzten Teil der Stadt Aleppo.

Syrische Assistenzärzte hätten sich die Unfallchirurgie im Grunde selbst beigebracht, berichtet Attar. “Sie arbeiten wie fertig ausgebildete Operateure, den ganzen Tag lang.” Er erinnert sich an den unablässigen Strom der Schwerverletzten, die eingeliefert wurden: “Menschen, denen Gliedmaßen fehlten. Gesichter, die mit Granatsplittern übersät waren. Und auch Leute, die ihre Eingeweide in den Händen hielten.”

Dr. Adnan Ismail was on duty for the worst chemical weapons attack in the last 25 years. When bodies began arriving at his hospital near Damascus, he filmed the carnage, then fled the country so he could show the world. WSJ’s Nour Malas reports.

Im gesamten, von Rebellen kontrollierten Norden Syriens sind behelfsmäßige Kliniken entstanden. Aber die Frontlinien verschieben sich ständig. Und damit wird es schwieriger, die Krankenhäuser dauerhaft vor den Regimetruppen zu verbergen oder sie aus der Schusslinie der Rebellen heraus zu halten, berichten syrische Ärzte und internationale medizinische Hilfsorganisationen.

Fünf der sechs Feldlazarette im Norden seien in diesem Herbst von Regimekräften aus der Luft angegriffen worden, berichten Ärzte bei drei der Kliniken. Das al-Bab-Hospital sei fünf Mal bombardiert worden, berichten Angehörige des medizinischen Personals vor Ort. Das Krankenhaus liegt in einer Kleinstadt in der Provinz Aleppo, die jetzt von Rebellen mit Verbindungen zur Terrororganisation al-Qaida beherrscht wird. Die Helfer berichten, sie seien mittlerweile schon so oft von einem Gebäude ins andere umgezogen, dass sie jetzt ihre Ausrüstung gleich in Tragekisten ließen.

Die Gesundheitsdienste Syriens seien an der “Grenze der Belastbarkeit” angekommen, hatten etwa 50 internationale Ärzte, darunter die Leiter global tätiger, medizinischer Versorgungsorganisationen, in einem Brief gewarnt, der im September im Fachblatt “The Lancet” veröffentlicht worden war. Der Krieg schränke die Gesundheitsversorgung von Millionen von Syrern ein – egal, welchem Lager sie angehörten, schrieben sie.

Immer wieder werden Kliniken angegriffen

“Systematische Angriffe auf medizinisches Personal, Versorgungszentren und Patienten zerstören das Gesundheitswesen Syriens. Zivilisten haben kaum noch die Möglichkeit, grundlegende medizinische Dienste in Anspruch zu nehmen”, heißt es in dem Brief. Attacken auf Lazarette in den Rebellenregionen werden in dem Schreiben als “skrupelloser Verrat am Grundsatz der ärztlichen Neutralität” angeprangert.

Angriffe auf Krankenhäuser stellen eine Verletzung der Genfer Konventionen und ein Kriegsverbrechen dar, betonen internationale Menschenrechtsexperten. Ermittler der Vereinten Nationen haben festgestellt, dass beide Kriegsparteien Kliniken beschossen haben, ohne Rücksicht auf zivile Opfer.

Die Ermittlungskommission der UN, die Menschenrechtsverletzungen in Syrien dokumentiert, schrieb in einem Bericht vom September: “Erdrückende Beweise, die von der Kommission gesammelt wurden, führen zweifelsfrei zu der Schlussfolgerung: Regierungskräfte verweigern grundsätzlich denjenigen medizinische Hilfe, die aus von den Oppositionellen kontrollierten und ihnen angeschlossenen Gegenden stammen.”

Die Krankenhäuser in den Rebellengebieten, die gewöhnlich in Kampfzonen lägen, seien nicht hinlänglich als medizinische Einrichtungen gekennzeichnet. Sie würden oft von den Rebellen dazu genutzt, Munition zu lagern oder von dort aus Angriffe zu starten, sagt eine Vertreterin des syrischen Regimes.

“Es sind die Rebellen, die den Umstand ausnutzen, dass es sich dabei um eine Klinik handelt. Und dann sagen sie der Presse: ‘Schaut nur, sie schießen auf ein Krankenhaus'”, sagt Reem Haddad, eine Beamtin des Informationsministeriums in Damaskus. “Es ist für die syrische Armee überhaupt nicht feststellbar, ob es sich dabei um ein Krankenhaus handelt oder nicht.”

Die Aufständischen ihrerseits hätten eindeutig als Kliniken markierte Einrichtungen in Regierungsgebieten unter Beschuss genommen, sagt Haddad. Dazu zähle das Tishreen-Hospital in Damaskus und das al-Kindi-Krankenhaus in Aleppo, auf die am Mittwoch Mörsergranaten niedergegangen seien.

Ismail ist einer von tausenden Ärzten, die der Bürgerkrieg vor eine qualvolle Wahl stellte: Sie mussten sich entscheiden, ob sie nur Patienten behandeln wollten, die auf Geheiß des Regimes von Staatspräsident Baschar al-Assad zu ihnen vorgelassen wurden. Oder ob sie sich auf die Seite der Opposition schlagen sollten.

Der Arzt Adnan Ismail musste in die Türkei fliehen

Eine Zeit lang habe er beides getan, sagt der junge Doktor. Tagsüber arbeitete er als Gynäkologe in einem staatlichen Krankenhaus. Und nachts versorgte er unter dem Pseudonym Dr. Abulqa’qa’ verwundete Rebellen und Zivilisten.

Jetzt ist er in der Türkei. Seine Tarnung war aufgeflogen. Doch er will unbedingt in seine Heimat zurück. Dort würden seine Fähigkeiten gebraucht, sagt er. Seine Mutter und seine beiden Brüder seien vor kurzem bei einem Regime-Angriff verletzt worden.

“Mein ganzes Leben lang hat mich jeder Doktor genannt”, sagt Ismail, der Älteste von acht Kindern in seiner Familie. In der Schule sei er immer Klassenbester gewesen. Er ist in Qasamiyeh aufgewachsen, einem Dorf am Rand von Damaskus. Es liegt in der Region Ghouta, in den landwirtschaftlich geprägten Außenbezirken der Hauptstadt, die jetzt von Regimetruppen belagert werden.

In seinem Dorf wohnten 7.000 Leute, aber nur er habe Medizin studiert, berichtet er. Dazu hätten ihn die hohen Erwartungen motiviert, die seine Familie und die Nachbarn stets in ihn gesetzt hätten. Für sein Studium zog Ismail in den Südosten der Ukraine. Dort lebte er sieben Jahre lang. Nebenbei lernte er Russisch und ein bisschen Englisch. In seiner Freizeit gab er Arabisch-Unterricht und spielte viel Fußball. Dass er im Ausland wohnte, habe dazu beigetragen, dass er sein Land mit einem kritischeren Blick betrachtet, sagt er.

Immer wenn er auf Besuch nach Hause kam, begrüßten ihn Freunde und Verwandte mit einem Autokonvoi und veranstalteten ein ohrenbetäubendes Hupkonzert. Bei Veranstaltungen im Dorf stahl er oft anderen die Schau. Bei einer Hochzeit seien die Leute einmal sogar aufgestanden, um ihn zu beklatschen. Sie hatten ihn fälschlicherweise für den Bräutigam gehalten, dabei sei er nur Gast gewesen. Das sei ihm heute noch peinlich, bekennt er. Im Jahr 2010 schloss er sein Medizinstudium ab und kehrte als Dr. Ismail nach Hause zurück. Er spezialisierte sich auf Frauenheilkunde und fing am Mujtahid-Hospital in Damaskus zu arbeiten an.

Doch im darauffolgenden Jahr wurde sein bisheriges Leben auf den Kopf gestellt. Die Demonstrationen gegen die Assad-Regierung nahmen ihren Lauf. Am 22. April 2011 versammelten sich Protestierende in der Nähe einer Moschee in Qasamiyeh. Sie umringten eine Statue von Hafez al-Assad, dem ehemaligen Staatspräsidenten und Vater von Baschar al-Assad. Ismail mischte sich unter sie, auch wenn seine Eltern ihn angefleht hatten, den Demonstrationen fern zu bleiben. Die Menge riss die Statue nieder, Sicherheitskräfte eröffneten das Feuer. Acht Menschen starben und mehr als 50 wurden verletzt. An diesem Tag verwandelte sich das Wohnzimmer seiner Eltern “praktisch in ein Feldlazarett”, erinnert sich Ismail. Er versorgte die Verletzten und nähte ihre Wunden.

Je stärker die Proteste in den Vorstädten von Ghouta um sich griffen, desto mehr Menschen starben und erlitten Verletzungen. Ismail und ein Freund, ein Medizinstudent im ersten Studienjahr, bauten ein leer stehendes Bauernhaus in ihre erste Feldklinik um. Die Ärzte und Regierungsgegner sammelten Antibiotika, Verbandsmaterial, Gipsschienen, Erste-Hilfe-Kästen und andere medizinische Hilfsmittel. Die Menschen aus dem Dorf baten Ismail darum, ihnen Hausbesuche abzustatten. Sie hatten alle Angst, verhaftet zu werden, wenn sie ihre verletzten Angehörigen ins Krankenhaus transportierten. Fünf Tage, nachdem er die ersten Patienten in seinem provisorischen Krankenhaus behandelt hatte, wurde das Haus bombardiert, sagt der Arzt.

Ismail arbeitete unter einem Rebellennamen

Im Jahr 2011 arbeitete Ismail meist in einer Klinik in der vom Regime kontrollierten Gegend von Homs. Zwischen den Schichten stahl er sich davon, um sich bei den Demonstranten einzureihen. Er traf sich mit einheimischen Rebellen und meldete sich freiwillig bei der Freien Syrischen Armee. Er kümmerte sich um Verwundete und lieferte Milch und Medikamente in den belagerten Wohngebieten aus. Als seine Einsätze riskanter wurden, nahm Ismail einen Rebellennamen an. Er nannte sich Dr. Abulqa’qa’ nach einem legendären islamischen Kämpfer, der vor allem wegen seines Muts und seiner Kraft berühmt war. Er habe gehört, wie Sanitäter über einen mysteriösen Rebellendoktor geredet hätten, der im Verborgenen die Frontlinien überquerte, um Verletzte zu behandeln. Während dieser Gespräche, erzählt Ismail, habe er immer nur genickt oder so getan, als sei er mit anderen Dingen beschäftigt.

Im Januar 2012 griffen Rebellen die Hauptstadt von den Vorstädten aus an. Und die Regimekräfte reagierten. Immer mehr Menschen fielen den Gefechten zum Opfer. Und Ismail nahm zusammen mit zwei anderen Männern, einem Freund und dem Besitzer eines Streifen Ackerlands sein bisher ehrgeizigstes Vorhaben in Angriff: den Bau einer unterirdischen Klinik. Sie legten Geld zusammen und zeichneten eines Nachts mit Baumzweigen die Umrisse des Gebäudes in den Ackerboden. “Wir kamen furchtbar langsam voran”, sagt Ismail, weil die Männer alles daran setzen mussten, nicht entdeckt zu werden.

Ihr erster Patient musste am Auge operiert. Ismail heuerte zwei Augenchirurgen, zwei Anästhesisten und eine Krankenschwester an. Den Freiwilligen seien die Augen zugebunden worden, als man sie zum Lazarett brachte. Der Standort der Klinik sollte unter allen Umständen geheim bleiben, erzählt er.

Der junge Arzt arbeitete aber auch noch in einem anderen Außenbezirk von Damaskus. Die Klinik dort war in einem Gebäude untergebracht, das auch den Militärrat der Rebellen des Bezirks beherbergte. Das Krankenhaus sei später von einer Rakete getroffen worden. Mitte des Jahres gab Ismail seine Arbeit bei dem staatlichen Krankenhaus in Homs auf. Zusammen mit einem chirurgischen Assistenzarzt im ersten Berufsjahr versorgte er dann zehn Dörfer in von Rebellen kontrollierten Gebieten. Sie wagten sich an schwierigere Operationen, etwa an Eingriffe im Brustbereich oder an Amputationen.

Die Rebellen stahlen einen Krankenwagen

Etwa um diese Zeit handelte Ismail mit einem Fahrer, der bei einer Privatklinik in Damaskus angestellt war, einen gewagten Coup aus: Er sollte ihnen einen Krankenwagen besorgen. Der Arzt sorgte dafür, dass die Familie des Fahrers in ein Wohngebiet übersiedeln konnte, das von Rebellen geschützt wurde. Der Rettungswagen wurde schließlich langsam und vorsichtig durch ein Minenfeld gelotst. Und dann schlugen Rebellen den Fahrer zusammen, um den Regimebehörden vorzugaukeln, das Fahrzeug sei mit Gewalt gekapert worden.

Anfang dieses Jahres konnte Ismail zur Versorgung seiner Patienten nur auf den Rettungswagen und die unterirdische Klinik zurückgreifen, die sich immer noch in Bau befand. Zwischen Februar und Mai kam jedoch die Front immer näher.

Das Team konnte noch drei Verletzte am Auge operieren, bevor die Regimetruppen im Juni die Region zurückeroberten. “Wir hätten nur noch zwei weitere Monate und ein bisschen mehr Geld gebraucht, dann hätten wir den Bau fertig stellen können”, sagt Ismail. Er zog in ein kleines Lazarett in der Nachbarschaft um. Es war eine der letzten medizinischen Einrichtungen, die in der gesamten Gegend von Ghouta noch funktionierten.

Am 21. August wollte Ismail seine Schicht gerade beenden, als Helfer plötzlich mit Toten ins Lazarett kamen. Immer mehr Leichen brachten sie zu ihm. Es waren die Opfer eines Giftgasangriffs, der nach amerikanischen Schätzungen mehr als 1.400 Zivilisten das Leben kostete. Seine erste Patientin an diesem Abend war ein fünfjähriges Mädchen. Sie trug einen Baumwollschlafanzug. Ein Sanitäter drückte dem Arzt den leblosen Körper des Kindes in die Arme. “Sie war tot”, sagt er. “Ich konnte das einfach nicht verkraften.”

Zusammen mit einem Medizinstudenten und 15 Krankenschwestern kümmerte sich Ismail um die Toten. Sie drehten Gartenschläuche an und überfluteten die Klinikböden. Dann zogen sie die Leichen durch das Wasser. Bald schon füllten die Toten die zwei Räume des Lazaretts. Gegen vier Uhr morgens verlor der Arzt wegen der Chemikalien, mit denen er in Berührung gekommen war, das Bewusstsein. Seine Helfer hätten ihn mit einer Atropin-Injektion zurückgeholt, erzählt er. Bis um zehn Uhr am nächsten Morgen habe er 200 Tote untersucht. “Das Schlimmste waren die Schreie” der trauernden Angehörigen, sagt der Arzt.

Ismail machte Videoaufnahmen mit seinem Handy. Auf einem davon ist eine verschleierte Frau in einem braunen Trenchcoat zu sehen. Sie steigt über die leblosen Körper und sagt: “Wo ist Gott? Wo seid ihr, meine Kinder?”

Die nächsten beiden Wochen über sei er wie betäubt gewesen, berichtet der Doktor. Aktivisten nahmen über Skype Kontakt zu ihm auf. Sie erzählten ihm, westliche Regierungen, und besonders die Franzosen, suchten nach Zeugen, die zu dem Giftgasangriff aussagen wollten. Mehrere Länder, darunter die USA, diskutierten über einen Militärschlag gegen das Assad-Regime.

Ismail sammelte Beweise für den Giftgasangriff

Am 10. September machte sich Ismail auf die Reise. Er nahm Haar- und Blutproben mit. Sein Weg führte ihn durch die Wüstengebiete von Deir el-Zour im Osten und dann nach Norden zur türkischen Grenze. Zehn Tage hätten seine beiden Reisebegleiter und er für die Strecke gebraucht. Meist seien sie von Stammesfamilien aufgenommen worden.

Die Grenze überquerte der Arzt in einem Lastwagen, der Benzin und Generatoren schmuggelte. Zwei Tage lang hätten ihn die türkischen Grenzbeamten festgehalten, berichtet er. Es sei zu einem Missverständnis darüber gekommen, wer die Haar- und Blutproben erhalten solle. Außerdem sei nicht klar gewesen, ob seine Begleiter, die ohne Pass unterwegs waren, in die Türkei einreisen dürften.

Letztendlich habe der türkische Geheimdienst die Proben an sich genommen, um sie in die französische Botschaft nach Ankara zu bringen, sagt Ismail. Ein französischer Regierungsbeamter erklärt, die nationalen Geheimdienste hätten sich abgesprochen, um Überlebende und Zeugen des Saringas-Angriffs aus Syrien herauszubekommen. Die Einzelheiten seien aber weitestgehend geheim gehalten worden. Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums reagierte nicht auf Kommentaranfragen.

Ismail wartet immer noch darauf, nach Hause zurückkehren zu können. Er wechselt häufig die verschiedenen Unterkünfte, in denen Aktivisten und Rebellen Zuflucht gefunden haben. Drei Mal schon hat er die Grenze zu Syrien überquert. Doch jedes Mal musste er kehrtmachen, weil sich die Frontlinien ständig verschieben.

Wenn die Regimekräfte ihn schnappen, wird er umgebracht, davon geht Ismail aus. Trotzdem möchte er sich wieder um die Verwundeten kümmern. Er ist enttäuscht, dass ihn seine Mission aus Syrien herausgeführt hat. Und dass der Westen nicht interveniert hat. “Ich bin kein Taxifahrer. Ich bin nicht hier herausgekommen, um Proben abzuliefern”, sagt Ismail. “Ich bin herausgekommen, weil ich dachte, damit einem größeren Anliegen zu dienen als dem, dem ich drinnen gedient habe.”

—Mitarbeit: Mohammad Alakraa und Sam Dagher

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