Der Westen unterstützt die Interventionspolitik der Golfmonarchien in Syrien und stellt sich damit gegen die säkulare Opposition.
MESOP KOMMENTAR
Jörn Schulz: Der Westen und die Golfmonarchien gegen die säkulare Opposition
Wer braucht schon Emire? Diese Frage stellen in der arabischen Welt nicht nur säkulare Demokraten. Eine »internationale Verschwörung« zum Sturz der Golfmonarchen wittert Dahi Khalfan, der Polizeichef von Dubai. Beteiligt seien auch die »Brüder« und Regierungen Nordafrikas. Die ägyptischen Muslimbrüder und al-Nahda in Tunesien, die sich, obwohl der Machtkampf zwischen Nationalreligiösen und Islamisten in diesen Organisationen noch nicht entschieden ist, eindeutig zum Republikanismus bekennen, gelten nun als Gefahr. Dutzende ihrer Sympathisanten wurden in den Golfstaaten inhaftiert.
Wenn man schon von den einst als Alternative zu nationalistischen Regierungen großzügig geförderten »Brüdern« im Stich gelassen wird, ist es gut zu wissen, dass ein wichtiger Verbündeter treu bleibt: der Westen. Nicht nur ist von westlichen Regierungen keinerlei Kritik zu befürchten, die von Saudi-Arabien geführten Golfmonarchien werden auch in ihrem Bestreben unterstützt, die arabischen Revolten, derzeit vor allem den Bürgerkrieg in Syrien, zu konfessionalisieren. Auch wenn Details bislang nicht bekannt wurden, kann man sich vorstellen, welchen islamistischen Fraktionen in Syrien die Herrscher vom Golf, denen Muslimbrüder als subversive Demokraten gelten, wohl Waffen liefern werden.
Die desaströsen Folgen dieser Politik, nicht allein für Syrien, sind absehbar. Waffenlieferungen an nur eine Fraktion ändern das Kräfteverhältnis innerhalb der Opposition, und spätestens nach dem Sturz Bashar al-Assads werden die Jihadisten ihre Waffen gegen die säkularen Oppositionellen richten. Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten hat es offenbar bereits gegeben. Sollte der Konflikt zwischen Säkularen und Salafisten in anderen Staaten eskalieren, werden die Golfmonarchien keine Hemmungen haben, auch dort ihre Verbündeten mit Waffen zu beliefern, sofern sie es nicht bereits tun.
Man fragt sich, ob alle politisch Verantwortlichen im Westen komplett den Verstand verloren haben. Die westliche Politik ist reaktionärer als die der Muslimbruderschaft. Dass es kein strategisches Interesse des Westens an der Unterstützung der säkularen Demokratiebewegung gibt, konnte man bereits im ersten Jahr der arabischen Revolten feststellen. Doch scheint auch in Vergessenheit geraten zu sein, dass Ussama bin Laden seine Karriere als Begünstigter einer ähnlichen Hilfsaktion begann. Unter den zahlreichen Oppositionsgruppen, die in Afghanistan gegen die sowjetischen Truppen kämpften, unterstützten die Golfmonarchien und der Westen ausgerechnet die extremsten islamistischen Organisationen. Die Folgen können eigentlich nicht einmal einem Nahost-Experten entgangen sein.
Bandar bin Sultan sind sie gewiss nicht entgangen. Er half bereits den afghanischen Jihadisten, nun übernimmt der jüngst zum saudischen Geheimdienstdirektor ernannte Prinz und Vertrauensmann der CIA beim Kampf gegen die Demokratisierung der arabischen Welt die Führungsrolle. Mit der Unterstützung einer solchen Interventionspolitik stellt sich der Westen offen gegen die säkulare Opposition. Die aber gibt es auch in den Golfstaaten, daher offenbart der Interventionseifer, ebenso wie der eilige Panzerkauf in Deutschland, auch die Angst der Monarchen vor der demokratischen Revolution.
Jungle World Nr. 31, 2. August 2012