Boats of Despair / von Thomas von der Osten-Sacken

 DEKONSTRUKTIONISTISCHES AUSSITZEN AD SYRIEN

Lange hat es gedauert, jetzt sind sie da, die Boote mit syrischen Flüchtlingen an den europäischen Außengrenzen. Syrische Flüchtlinge stammen nämlich meist aus recht armen Verhältnissen, haben meist nicht das Geld, um für sichere Schmuggelrouten zahlen zu können, und anders kommt man nicht nach Europa. Wo aber Nachfrage ist, kommt bald auch das entsprechende Angebot: sozusagen der Discounttransport auf überfüllten und oft fast seeuntüchtigen Booten, die eben entsprechend häufig auch havarieren.

 Boats of Despair, so nennt Ana Maria Luca in einer Reportage. Und es werden mehr, je länger der Krieg in Syrien dauert und je mehr die Menschen die Hoffnung verlieren, je wieder in ein Land zurückkehren zu können, das nicht völlig zerstört und von Rackets regiert wird:

Syrian refugees got the idea of illegally sailing to Europe quite recently. Omar, a 23 year old Syrian who has been living in Egypt for the past two years, says the boats were not even a topic of conversation two months ago: Everybody wanted to go home or was thinking of staying in Egypt until the war in Syria ended. But things changed.

Eben: immer mehr Menschen in und aus Syrien haben die Hoffnung verloren, auch und maßgeblich als Folge des Verrates, den Europa und der restliche Westen an ihnen begangen hat, indem es nichts unternahm, die friedliche Opposition gegen das Assad Regime zu unterstützen, nicht einmal einzugreifen, als das Regime begann, ganze Stadviertel mit Artillerie dem Erdboden gleichzumachen, und zuletzt Giftgas gegen Zivilisten zum Einsatz  kam.

Spätestens im August, als man den syrischen Diktator für den Giftgaseinsatz in Ghouta auch noch gratifizierte, war klar: dieser Krieg wird weitergehen, die Akteure immer ekliger und brutaler, eine Zukunft in Syrien zunehmend undenkbar. Und viele, die die ganze Zeit gehofft hatten, Assad würde gestürzt und sie könnten in ein neues Syrien zurückkehren,  richten, und wer kann es ihnen verdenken, nun ihren Blick auf die Mauern der Festung Europa und werden jede Gelegenheit nutzen, sie zu überwinden, koste es was es wolle, notfalls auch das Leben.

So haben die Europäer, und das passt zur allgemeinen Dummheit, Ignoranz, Unfähigkeit und Immoralität, mit der sie den Syrienkonflikt behandeln, inzwischen maßgeblich dafür mitgesorgt, dass nicht etwa, wie auf Sonntagsreden gefordert, Fluchtursachen bekämpft, sondern erst geschaffen wurden. Sie glauben, ähnlich wie die US-Administration, diesen Konflikt einfach aussitzen zu können, scheinen zu hoffen, er erledige sich irgendwann irgendwie dann von selbst. Wird er nicht tun, sondern alles wir nur immer schlimmer werden. Und damit auch mehr Flüchtlinge kommen, also eintreten, was die EU mit allen Mitteln zu verhindern suchte.

Der Westen und Syrien, auf allen Ebenen wäre das der Stoff für ein weiteres Kapitel in Barbara Tuchman’s Klassiker The March of the Folly.