BND – GERMAN FOREIGN INTELLIGENCE PRESENTS EVIDENCE ABOUT ASSADS CW ATTACK (SPIEGEL ONLINE)

BND Chef Schindler präsentierte auch einen bisher unbekannten Beweis: So hörte der BND ein Gespräch eines hochrangigen Vertreters der libanesischen Miliz Hisbollah mit der iranischen Botschaft ab. Dabei soll der Funktionär der Hisbollah, die traditionell an der Seite Assads steht und ihn militärisch unterstützt, den Giftgaseinsatz eingeräumt haben. Der Funktionär habe gesagt, Assad seien die Nerven durchgegangen, mit dem Befehl für den Giftgaseinsatz habe er einen großen Fehler gemacht.

Syrien-Krise: BND fängt Beleg für Giftgaseinsatz durch Assad-Regime ab / Von Matthias Gebauer – SPIEGEL ONLINE – 3.9.2013

Giftgasangriff östlich von Damaskus am 21. August: Verdächtiges Telefonat der Hisbollah

Der deutsche Geheimdienst ist sicher, dass das Assad-Regime für den Giftgasangriff in Syrien verantwortlich ist. Noch gibt es zwar keinen endgültigen Beweis, aber viele Indizien. Ein vom BND abgehörtes Telefonat könnte entscheidend sein.

Berlin – Der Bundesnachrichtendienst (BND) unterstützt die Einschätzung der Amerikaner, dass das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad hinter den Giftgas-Angriffen auf Vororte von Damaskus am 21. August steckt. In geheim eingestuften Unterrichtungen für Sicherheitspolitiker sagte BND-Präsident Gerhard Schindler, ein eindeutiger Beweis fehle zwar. Nach einer eingehenden Plausibilitätsanalyse aber gehe sein Dienst davon aus, dass das Regime Täter sei.

Schindler führte in den Briefings aus, einzig das Regime von Assad verfüge über binäre Kampfstoffe wie Sarin. Nur die Experten des Regimes könnten diesen anmischen und mit kleinen Raketen einsetzen. Nach Erkenntnissen des BND sei dies schon mehrmals vor dem aktuellen Angriff, der rund 1400 Menschen tötete, geschehen. Bei den vorherigen Attacken aber sei nur eine stark verdünnte Gasmischung zum Einsatz gekommen, deswegen hätten diese auch sehr viel weniger Todesopfer gefordert.

Schindler präsentierte in einem 30-minütigen Vortrag Szenarien, warum es zu dem massiven Angriff gekommen sei. Demnach sehe sich Assad in einer Art Endkampf um die Hauptstadt Damaskus, die vor allem im Osten von Rebellen belagert sei. Möglicherweise habe man deswegen wie zuvor zur Abschreckung einen begrenzten Giftgaseinsatz auf die Rebellen angeordnet. Möglich sei, dass man sich bei der Mischung des Gases verrechnet und mehr Gift als geplant verschossen habe.

Die BND-Analyse deckt sich mit den von den USA vorgelegten Erkenntnissen. Demnach wurde das Giftgas mit mehreren kleinen Raketen verschossen, die man von Ladeflächen von Lastern abfeuern kann. An den Tatorten gefundene Hülsen weisen daraufhin, dass es sich dabei um 107-Millimeter-Geschosse handelte, das Regime verfügt über große Lager dieser Waffen. Schindler betonte, dass die Rebellen nicht in der Lage seien, einen solchen konzertierten Angriff auszuführen.

Verdächtiges Gespräch der Hisbollah

Trotz der noch andauernden Untersuchung von Proben vom Tatort durch die Uno ist sich der BND ziemlich sicher, dass es sich bei dem eingesetzten Gas um Sarin handelte. So habe ein Arzt in einem abgefangenen Telefonat exakt und mit vielen Details Symptome von Patienten beschrieben, die nur auf das international geächtete Gas hinwiesen. Die Prüfung der Proben durch die Uno könnte dafür den endgültigen Beleg liefern, dies kann aber noch Wochen dauern.

Schindler präsentierte auch einen bisher unbekannten Beweis: So hörte der BND ein Gespräch eines hochrangigen Vertreters der libanesischen Miliz Hisbollah mit der iranischen Botschaft ab. Dabei soll der Funktionär der Hisbollah, die traditionell an der Seite Assads steht und ihn militärisch unterstützt, den Giftgaseinsatz eingeräumt haben. Der Funktionär habe gesagt, Assad seien die Nerven durchgegangen, mit dem Befehl für den Giftgaseinsatz habe er einen großen Fehler gemacht.

Die neuen BND-Erkenntnisse könnten in den kommenden Tagen an Brisanz gewinnen. Bisher haben die USA nur abstrakt berichtet, Geheimdienste hätten nach der Attacke Kommunikation innerhalb des Regimes abgefangen, die den Einsatz des Giftgases bestätigten und aus denen Sorge über eine mögliche Nachprüfung durch die damals anwesenden Uno-Inspektoren spreche. Das vom BND abgehörte Telefonat könnte dieses Beweispuzzle der westlichen Dienste entscheidend anreichern.

Bundeswehr ist vorbereitet

Zur Bedeutung des abgehörten Telefonats äußerte sich Schindler vor den Abgeordneten nicht konkret. Der BND-Chef sagte lediglich, dass man sich nur mit Frankreich direkt über nachrichtendienstliche Erkenntnisse austausche. Dass diese letztlich aber auch in den USA landen, ist naheliegend. In den USA will US-Präsident Barack Obama am 9. September vom Kongress grünes Licht für einen Strafangriff auf das Assad-Regime, die Pläne dafür sind bereits weitgehend geschmiedet.

Deutschland lehnt eine Beteiligung an einem solchen Angriff strikt ab, gleichwohl bereitet sich die Bundeswehr auf eine Eskalation der Lage nach einem solchen vor. So hält sich die deutsche Fregatte “Sachsen” im Mittelmeer bereit, um zum Beispiel bei einer Verschlechterung der Lage in Syriens Nachbarland Libanon Deutsche und andere Ausländer zu evakuieren. Ebenso wird intern geprüft, ob man Jordanien für den Fall von Giftgasangriffen aus Syrien mit Material unterstützen kann.

Zusätzlich kreuzt derzeit das deutsche Flottendienstboot “Oker” vor der syrischen Küste. Mit hochsensibler Abhörtechnik kann es weit ins Krisengebiet hinein Telefonate und Funkverkehr abhören, an Bord befinden sich auch Spezialisten und zwei Container mit Technik des BND. Die Bundeswehrführung kündigte am Montag an, das Spionageboot werde auch bei einer möglichen Intervention der USA im Mittelmeerraum bleiben, da es wichtig zur Aufklärung sei. Gleichzeitig sagten Insider, die “Oker” habe aus dem Raum Damaskus nach dem vermuteten Chemieangriff kaum Verwertbares auffangen können, da die Reichweite der Sensoren durch Gebirge vor der Hauptstadt geschwächt sei.

Laut Bundeswehr sind die in der Region eingesetzten Soldaten, die in der Südtürkei Raketenabwehrstellungen betreiben und bei der Unifil-Mission vor dem Libanon Seekontrollen durchführen, auf alle Eventualitäten vorbereitet. Der Schutz gegen chemische Kampfstoffe für den Türkei-Einsatz sei “gewährleistet”, so ein Lagebild, dort stünden 22 Soldaten mit spezieller Ausbildung bereit, die sowohl bei der Aufklärung von Chemieangriffen und Dekontamination tätig würden.

Auch für die deutschen Unifil-Einheiten sei der Schutz im Falle einer Ausweitung des Konflikts gewährleistet, alle Soldaten auf deutschen Schnellbooten verfügten über persönliche Schutzbekleidung und Notfallmedikamenten. Zudem sei bereits “angemessene Vorsorge getroffen”, die Unifil-Einheiten im Notfall “schnellstmöglich” aus dem Einsatzgebiet zu evakuieren.