ASSAD WIRD NIEMALS DIE MACHT TEILEN – WEDER MIT DEMOKRATISCHEN ARABERN NOCH MIT KURDEN

Syrisches Regierungsmitglied entlassen – Dem Feind zu nahe gekommen

02.11.2013 ·  Rainer Hermann – FAZ – Nachdem Qadri Dschamil den früheren amerikanischen Botschafter getroffen hatte, wurde er als stellvertretender Ministerpräsident Syriens entlassen. Er gilt als möglicher Nachfolger Assads.

Ein Treffen mit dem früheren amerikanischen Botschafter in Damaskus, Robert Ford, wurde dem bisherigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Syriens, Qadri Dschamil, zum Verhängnis. Präsident Baschar al Assad feuerte ihn mit der Begründung, er halte sich ohne Abstimmung mit der Regierung zu lange im Ausland auf und vernachlässige seine Pflichten zu Hause. Syrisches Recht verbietet es Regierungsmitgliedern, länger als zwei Wochen außer Landes zu sein. Dschamil war zu diesem Zeitpunkt gerade eine Woche im Ausland. Den eigentlichen Grund der Entlassung nannte die von der staatlichen Nachrichtenagentur Sana verbreitete Meldung nicht: Qadri Dschamil war in den vergangenen Monaten zu einem Fürsprecher von Reformen geworden, zu denen Assad in diesem Maße offenbar nicht bereit ist.

Dschamil, der Vorsitzender einer kommunistischen Splitterpartei ist und einst in Moskau Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, hat sich in den vergangenen Wochen mehrmals mit russischen, aber auch amerikanischen Diplomaten getroffen, um Chancen für eine internationale Syrienkonferenz, Genf II, auszuloten und den Bürgerkrieg beizulegen. So konferierte er am 26. Oktober in Genf mit Botschafter Ford. Es war eines der wenigen Treffen von Vertretern der amerikanischen und der syrischen Regierung seit dem Ausbruch des Konflikts im März 2011. Ein Sprecher des amerikanischen Außenministeriums bestätigte das Treffen von Ford und Dschamil.

Ein bemerkenswertes Interview

Als die syrischen Medien seine Entlassung bekanntgaben, hielt sich Dschamil in Moskau auf, wo auch seine Familie lebt. Unmittelbar vor der Bekanntgabe war er in einem Interview mit dem russischen Fernsehen nicht als syrisches Regierungsmitglied vorgestellt worden, sondern als Vorsitzender der oppositionellen syrischen „Volksfront für Wandel und Befreiung“. Zunächst will Dschamil offenbar in Moskau bleiben, wohin er seit seiner Berufung zum stellvertretenden Ministerpräsidenten am 23. Juni 2012 oft gereist war. Seine engen Beziehungen zur russischen Führung hatten bereits in der Vergangenheit Spekulationen genährt, er könne ein Kandidat Moskaus sein, wenn es um einen Nachfolger für Präsident Assad gehe. In einem Interview mit der panarabischen Zeitung „al Sharq al Awsat“ hat Dschamil dies nun dementiert. Weder sei er ein Kandidat Moskaus für eine Nachfolge Assads, noch strebe er das selbst an, noch sei solch ein Zusammenhang der Grund für seine Entlassung, sagte Dschamil. Er führe Gespräche in alle Richtungen.

Das Interview ist deshalb bemerkenswert, weil es das erste seit seiner Entlassung war und Dschamil es einer von Saudi-Arabien finanzierten Zeitung gegeben hat. Dschamil sagte, die Frage einer Assad-Nachfolge könne nur während der Genf-II-Konferenz erörtert werden. Im September hatte der damals noch stellvertretende Ministerpräsident in einem Interview mit der britischen Zeitung „Guardian“ gesagt, im syrischen Krieg bestehe eine Patt-Situation; lediglich eine Friedenskonferenz könne zu einer politischen Lösung führen. Die Aussage wurde als ein Hinweis interpretiert, dass die syrische Regierung bereit sei, an einer Konferenz Genf II teilzunehmen.

Dschamil will zurück nach Damaskus

Dschamil sagte der Zeitung „al Sharq al Awsat“ ferner, er wolle an der Friedenskonferenz teilnehmen, aber nicht mehr als Vertreter der Regierung, sondern der Opposition. Von der syrischen Exilopposition lag zunächst keine Reaktion auf Dschamils Entlassung vor. Er sei „nicht pessimistisch“ in Bezug auf Genf II, sagt Dschamil weiter. Denn das sei der einzige Weg, den Bürgerkrieg zu beenden. Der Exilopposition warf er vor, sich wie der syrische Ein-Parteien-Staat zu verhalten und keine abweichenden Meinungen zuzulassen. Dagegen sei Pluralismus erforderlich.

Der Kommunist Qadri Dschamil und der Sozialdemokrat Ali Haidar waren im vergangenen Sommer als Angehörige der „patriotischen Opposition“, die eine äußere Einmischung ablehnt, in die Regierung aufgenommen worden. Die innersyrische Opposition wertete das als Zeichen, dass sich das Regime öffne. Haidar leitet seither das für ihn geschaffene Ressort für nationale Versöhnung, das sich vor allem der Beilegung lokaler Konflikte widmet, um so von unten Vertrauen wieder herzustellen. Im Interview mit „al Sharq al Awsat“ kritisierte Dschamil nun aber, dass das Regime alles unter seiner Kontrolle behalten wolle und dass sich gegenüber dem Ein-Parteien-Staat nichts geändert habe.

Dschamil hatte stets abgelehnt, dass Assad als Vorbedingung für eine Syrien-Konferenz zurücktreten solle. Das brachte die Exil-Opposition gegen ihn auf. Dschamil bestand darauf, dass Assad ein Teil des Dialogs sein müsse. Allerdings könne sich eine Konferenz auf einen Abgang Assads verständigen. In einem Monat, nach dem Abschluss seiner Mission in Moskau, will Dschamil nach Damaskus zurückkehren, um im Parlament seine Aufgabe als Abgeordneter wahrzunehmen.