Abkassieren und Teetrinken

MESOP REPORT : DIE SCHWARZEN KASSEN DER DITIB MOSCHEE DUISBURG

Im Fall einer Duisburger Moschee ermittelt die Staatsanwaltschaft. Es geht um eine schwarze Kasse. Unter Betrugsverdacht steht eine Staatssekretärin.

Von Lydia Rosenfelder – Sie war keine Hinterhofmoschee, die sich im Schatten zwischen Mietshäusern versteckte. Sie strahlte. Silberne Kuppeln, ein stolzes Minarett. Der Stadtrand von Duisburg schimmerte wie Damaskus. Die Moschee in Marxloh sollte zeigen, dass auch der Islam zu Deutschland gehört. Auch mit einer Begegnungsstätte. Dem Land Nordrhein-Westfalen und der EU war das insgesamt 3,6 Millionen Euro wert. Und diesmal protestierte niemand.

Im Glanz der Moschee begann auch die politische Karriere von Zülfiye Kaykin. Sie hatte eine Hauptschule in Marxloh besucht, mittlere Reife gemacht, Schuhe verkauft. 2005 wurde sie Geschäftsführerin der Ditib-Begegnungsstätte in der Duisburger Moschee. Für ihre Arbeit bekam sie das Bundesverdienstkreuz, heute ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales.

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen schwarzer Kassen. Und der Landesrechnungshof hat festgestellt, dass schon beim Bau der Begegnungsstätte gegen Vergabevorschriften verstoßen wurde. Das Fördergeld war auch als Starthilfe für die ersten beiden Jahre gedacht, für ein Bistro und für ein Islam-Archiv, das es bis heute nicht gibt. Am Donnerstag beriet der Landtag. Bauminister Michael Groschek von der SPD sagte, möglicherweise gebe es Rückforderungsansprüche gegenüber der Stadt Duisburg. “Aber so weit sind wir noch nicht.”

Als die Moschee mit der Begegnungsstätte 2008 eröffnet wurde, half ein Institut, an weitere Geldquellen zu kommen, und entwickelte ein Projekt: Fünfzig islamische Gemeinden in Duisburg und Umgebung sollten für den interkulturellen Dialog ausgebildet, “professionalisiert” werden. Drei Mitarbeiter der Ditib-Begegnungsstätte waren die “Coaches”: Sie sollten in die Moscheen gehen und die Vorstände schulen, in Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung und Management.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge machte knapp 90 000 Euro locker. Im Antrag wird ein Mann genannt, der Seminare in Buchführung geben sollte. Er behauptet, er habe nie für das Projekt gearbeitet, sein Name sei ohne sein Wissen verwendet worden. Kaykin sagt, man habe ihn entgegen erster Pläne nicht in das Projekt einbezogen.

Die “Coaches” gingen die Sache entspannt an. “Klassische orientalische Arbeitsweise”, so nennt es ein Beteiligter: Sie trafen ein paar Vereinsvorstände zum Teetrinken. Doch was sie besprachen, kann man nicht nachlesen. Angeblich gab es einen Ordner, aber der sei verschwunden. Kaykin sagt, sie wisse nichts über dessen Verbleib nach ihrem Ausscheiden. Ohne Akten kann sich offenbar niemand erinnern, wer da eigentlich geschult wurde. Die Vereine kann niemand benennen. Nur ein Name fiel: ein Sportverein. Weder Kaykin noch die Ditib in Duisburg wollten sich dazu in der F.A.S. äußern.

Im Zwischenbericht des Projekts teilte Kaykin mit, dass “weniger Gemeinden professionalisiert” würden, “diese jedoch umso intensiver”. Zehn Vereine seien das, “Anzahl steigt”. Sie hatte bislang 1660 Stunden abgerechnet. Die Beratung verzögere sich wegen der Sommerferien, schrieb sie. Gerade Migranten seien da sehr lange verreist. Und dann war da ja auch noch der Fastenmonat Ramadan. Aber der Finanzplan werde eingehalten.

Nach dem zweiten Halbjahr kamen 4340 Arbeitsstunden hinzu, also insgesamt glatt 6000, aber keine neuen Vereine. Im Abschlussbericht heißt es dann nur noch, dass “ca. zehn Vereine intensiv beraten” worden seien. Welche, das kann niemand sagen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kürzte zwar die Fördergelder um mehr als die Hälfte. Aber das Amt verlangte keine Teilnehmerlisten. Glück gehabt.

Zur gleichen Zeit tauchte ein interner Bericht der Kölner Ditib-Zentrale auf. Darin heißt es, dass nicht nachvollziehbar sei, wie viele Schulungen für das Projekt stattgefunden hatten. Anscheinend gebe es kaum Teilnehmer und deswegen kaum Seminare, dennoch werde der Anschein erweckt, diese Arbeiten liefen weiter.

Die Ditib-Zentrale distanzierte sich später von ihrem internen Bericht, als der in die Öffentlichkeit gelangte. Er sei nur eine Zusammenfassung der Vorwürfe; ob diese zuträfen, könne man nicht feststellen.

Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Kaykin wegen Verdachts auf Sozialversicherungsbetrug. Ein Mitarbeiter soll gleichzeitig Hartz IV bezogen haben, Kaykin will das nicht gewusst haben. Im Bistro der Begegnungsstätte sollen laut Ditib-Bericht Verwandte von Vorstandsmitgliedern arbeiten. Deren Gehälter würden offiziell niedrig angegeben, obwohl sie mehrere hundert Euro zusätzlich bar auf die Hand bekämen. Auch der damalige Koch im Bistro bekam am Monatsende 300 Euro schwarz, bis sich das Finanzamt meldete. Er will sich erklären, sagt, dass er die zusätzlichen Scheine nicht grundlos bekommen habe, sondern weil er mit dem Auto viele Fahrten machen musste. “Zum Bäcker und zum Metzger.” Und dann seien da noch die Extrajobs gewesen, wenn prominenter Besuch in die Moschee kam. Kaykin und die Ditib Duisburg wollten sich auch dazu nicht äußern.

In dem Untersuchungsbericht steht außerdem, dass während des Ramadan immer am Abend der Umsatz gezählt worden sei, ein Teil des Geldes sei in die Registerkasse und der andere Teil in eine andere, inoffizielle Kasse eingegangen. Auch die Mieteinnahmen von Hochzeitsfeiern landeten angeblich in der inoffiziellen Kasse. Davon soll Kaykin die Gehälter gezahlt haben. Sie bestreitet, dass es eine schwarze Kasse gegeben habe. Ein ehrenamtliches Vorstandsmitglied bestätigte dagegen die Existenz dieser Kasse. Im März 2010 protestierten Türkinnen mit Kopftuch vor der Begegnungsstätte. Deutschkurse sollten gestrichen werden. Kaykin sagte damals, man müsse “fixe Kosten reduzieren”. Die Begegnungsstätte machte Schulden.

Wenig später besuchte ein Kommunalpolitiker das Bistro. Nachdem er sich am Buffet bedient hatte, ging er zum Zahlen an die Theke. In einem Schaukasten waren Flyer ausgelegt. Darauf war ein Mann zu sehen, betend, mit lichtem Haar und dichten Augenbrauen. Er erkannte den Mann sofort: Alparslan Türkes, Gründer der rechtsextremen Grauen Wölfe und Hitler-Verehrer. Der Kommunalpolitiker kannte sich aus, verfolgte seit Jahrzehnten, wie die Grauen Wölfe in NRW ihre Netze auswarfen, Anhänger rekrutierten und in die Politik gingen. Türkes war vor einigen Jahren gestorben, in der Moschee sollte eine Gedenkfeier für ihn stattfinden. Der Kommunalpolitiker steckte zwei Flyer ein und ging.

Kurz vor der Feier schrieb Kaykin an die Kölner Ditib-Zentrale eine Mail auf Türkisch, übersetzt lautet sie so: “Verehrter Vorstand, für den 4.4.10 haben die Idealistenvereine (Graue Wölfe) Duisburg beantragt, die Totenmesse für die Seele des verstorbenen Alparslan Türkes in der Moschee abzuhalten und in Verbindung damit für eine Fotoausstellung den Saal der Bildungs- und Begegnungsstätte zu benutzen. In diesem Zusammenhang wird die baldige Entscheidung des Vorstandes erwartet.”

Als der Kommunalpolitiker beim Straßenwahlkampf auf Kaykin traf, fragte er, warum sie die Totenmesse für einen Rechtsextremen nicht verhindert habe. Sie antwortete, das sei Sache des Moscheevereins gewesen, nicht der Begegnungsstätte. Allerdings sollen die Grauen Wölfe nach dem Gebet in der Moschee im Saal der Begegnungsstätte politische Reden gehalten haben. Kaykin bestreitet das, die Ditib wollte sich dazu nicht äußern.

Kaykin war inzwischen Staatssekretärin im Integrationsministerium, Hannelore Kraft hatte sie geholt. Ein CDU-Landtagsabgeordneter stellte eine kleine Anfrage zur Totenfeier der Grauen Wölfe: Hat Kaykin, nachdem die Ditib in Duisburg die Totenfeier abgelehnt hatte, an den Ditib-Dachverband in Köln geschrieben, “um so die Entscheidung der Ditib-Duisburg überstimmen zu lassen und eine Gedenkveranstaltung zu ermöglichen?” Die Antwort der Landesregierung: Die Frage ziele auf einen Sachverhalt, der vor der Ernennung von Frau Kaykin zur Staatssekretärin stattgefunden habe und in keinem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang mit ihrer Ernennung stehe. Wichtig sei der Staatssekretärin auch die Feststellung, dass die “genannte Veranstaltung der Begegnungsstätte ihres Wissens nach nie stattgefunden hat”.

In Duisburg-Marxloh hat Kaykin einen Berg von Schulden hinterlassen. Mitarbeiter wurden gefeuert, auch der Koch.

Der Landesarbeitsminister, Guntram Schneider von der SPD, sagte in einer Ausschusssitzung im November 2011, Kaykin habe ihm “glaubhaft schriftlich” erklärt, “dass die abgedruckten Vorwürfe nicht zuträfen; insbesondere habe es keine sogenannten schwarzen Kassen oder steuerwidrigen Auszahlungen gegeben”. Die Vorwürfe seien von der Begegnungsstätte geprüft worden, ohne Beanstandungen. “Insofern halte ich den ganzen Bereich rund um das Thema schwarze Kassen für widerlegt.” Heute schweigt Schneider und verweist auf die laufenden Ermittlungen. Bauminister Groschek sagt, die rot-grüne Landesregierung stehe mit voller Überzeugung zu diesem Projekt.

FAS, 27.1.2013, Politik Seite 5