MESOP : MENSCHENRECHTBERICHT TÜRKEI Sept 2016

  • Informationen des Demokratischen Türkeiforums
  • September 2016
  • Die folgenden Nachrichten wurden im September 2016 vom DTF erfasst (übersetzt).
  • Menschenrechtsbericht der CHP für erstes Halbjahr 2016

Anstieg der Unterdrückung, Zensur und Strafen

Die Tageszeitung Birgün berichtete am 29.09.2016, dass die stellvertretende Parteivorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP) und Beauftragte für Menschen- und Umweltrechte, Zeynep Altiok Akatli einen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen in der ersten Jahreshälfte 2016 vorgelegt hat:

Repressionen und Zensur gegen Medien

Der Bericht verzeichnet einen Anstieg der Repressionen, Strafen und Zensur gegen Medien im Zeitraum Januar bis Juni 2016 und fasst zusammen: „Gerichte, der Oberste Rundfunk- und Fernsehrat RTÜK (Regulierungsbehörde für den privaten Rundfunk) und das Telekommunikationsministerium TIB übten in diesem Zeitraum Drohungen und Erpressungen gegenüber Medien aus. Nachrichtenportale wurden behindert, Fernsehsender geschlossen, Medienanstalten unter Aufsicht gestellt und Journalisten aufgrund ihrer journalistischen Arbeit festgenommen, angeklagt und inhaftiert. 44 Journalisten wurden in diesem Zeitraum aufgrund unterschiedlicher Anschuldigungen festgenommen, 14 verhaftet. 32 Mal wurde der Zugang zu Nachrichtenportalen wie sendika.org, siyasihaber.org, tr.sputniknews.com, DİHA, Özgür Gündem, noktadergisi.info in den letzten 6 Monaten gesperrt. Der Kolumnist der Cumhuriyet, Özgür Mumcu, wurde im Februar wegen einer Kolumne angeklagt. Auf Veranlassung des Oberstaatsanwaltes von Ankara, Ramazan Dinç, wurde die Ausstrahlung des Senders IMC TV am 26. Februar 2016 über den Satelliten TÜRKSAT eingestellt (am 28.9. wurde die Einstellung des Sendebetriebs angeordnet – d. Über.).

Es folgt eine Auflistung der Anklagen gegen Journalisten von Evrensel und Cumhuriyet, darunter Can Dündar.

Repressionen gegen politische Aktivitäten

Der Bericht stellt heraus, dass durch die im Zusammenhang mit der Kurdenfrage neu entfachten bewaffneten Auseinandersetzungen die Bürger zwischen dem Staat und der PKK zerrieben werden. Kurdische Politiker erlebten eine Welle der Festnahmen und Verhaftungen. Vor und nach der gestiegenen Zahl der Proteste, Demonstrationen, Aktionen des zivilen Ungehorsams und Versammlungen erfolgten zahlreiche Festnahmen und Verhaftungen. Aufgrund politischer Aktionen und Aktivitäten und aufgrund des Vorwurfes des Terrorismus wurden im Januar 1125, im Februar 1056, im März 1949, im April 1148, im Mai 1070 und im Juni 154, zusammen mindestens 6502 Personen festgenommen. Im selben Zeitraum wurden im Januar 191, im Februar 223, im März 434, im April 291, im Mai 230 und im Juni 53, zusammen 1422 Personen inhaftiert.

Einige Beispiele werden im Bericht aufgeführt: Im Januar wurden 45 Personen bei einem kurzfristig verbotenen Konzert der Gruppe Yorum festgenommen. Im Februar wurden die Oberbürgermeister von Diyarbakir, Mardin und Van angeklagt. Im März wurden in Bursa bei einer Razzia in den Wohnungen der Arbeiter der Renault-Fabrik 22 Personen verhaftet, weil sie gegen die Entlassung ihrer Kollegen protestiert hatten. Im April verlor Mor Ali Kabayel (82) in Kahramanmaraş – Pazarcık nach Einsatz von Tränengas gegen die Proteste zumeist alevitischer Personen gegen den Bau eines Flüchtlingslagers das Leben. Ferner wurden die Vorsitzende der TİHV Şebnem Korur Fincancı, Erol Önderoğlu und Ahmet Nesin im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen 37 Personen aufgrund deren Solidaritätsaktion inhaftiert.

Prozesse wegen Beleidigung des Staatspräsidenten

Im Berichtszeitraum wurden mindestens 56 Personen wegen Beleidigung des Staatspräsidenten festgenommen, wenigstens 30 inhaftiert und mindestens 12 verurteilt. Ferner wurde gegen 52 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ermittelt. Wegen eines Korruption-Berichtes vom 3. März 2016 zur “Türkischen Stiftung für Jugend und Bildung” (TÜRGEV), in der Bilal Erdogan im Aufsichtsrat sitzt, wurde Baris Ince, Mitglied des Verlagsvorstandes von BirGün, wegen Beleidigung des Präsidenten und anderer Amtsträger zu einer Haftstrafe von einem Jahr und 9 Monaten verurteilt. Auch gegen den Vorsitzenden der DISK-Gewerkschaft Kani Beko wurde ein Verfahren eröffnet.

Opfer von Polizeigewalt

In den letzten sechs Monaten wurden aufgrund unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei (zumeist bei Protesten) mindestens 31 Personen verletzt und 8 Menschen getötet.

Tote in Gefängnishaft, zweifelhafte Tode beim Militär, unaufgeklärte Morde und Verschwundene

Die Situation in den Gefängnissen hat sich nicht verbessert. In den Gefängnissen kam es zum Tod von Häftlingen, zumeist als Selbstmord. Auch aufgrund fehlenden Zugangs zu Behandlung kam es zum Tod von kranken Häftlingen. Zu Selbstverbrennungen von Häftlingen kam es bei Protesten aus politischen Gründen oder gegen die Verwaltung. Im Gefängnis des D-Typs in Kocabaş (Denizli), das bei einer Kapazität für 160 Personen mit 520 Personen belegt ist, verbrannten am 9.4.2016 Inhaftierte aus Protest ihre Betten.

Akademiker für den Frieden

Wegen des am 11. Januar 2016 veröffentlichten Aufrufes „Wir werden uns nicht mitschuldig machen“ von Akademikern für den Frieden begann eine Hexenjagd, nachdem Präsident Erdogan diese zur Zielscheibe gemacht hatte. In diesem Zeitraum wurden an 436 öffentlichen Universitäten und 152 Stiftungsuniversitäten 588 Ermittlungsverfahren eröffnet. 37 Akademiker wurden festgenommen, 4 inhaftiert. Gegen 516 Akademiker wurden Dienst-Verfahren eröffnet. 37 Akademiker wurden entlassen, 39 vom Dienst an der Universität, 7 vom Dienst in der Verwaltung suspendiert. 7  Akademiker traten zurück, einer wurde zwangsweise in den Ruhestand versetzt.

Unterlassene Strafverfolgung

Die unterlassene Strafverfolgung bei allen Prozessen, die gegen die Sicherheitskräfte aufgrund der bei den Gezi-Protesten getöteten Jugendlichen von Beginn an recht einseitig geführt wurden, ist offensichtlich. Ein Prozess wegen des Mordes an Tahir Elçi ist noch nicht angestrengt, der Prozess wegen Ethem Sarısülük dauert an, ohne dass der verdächtige Polizist in Haft ist. Im Prozess wegen „vermutlich vorsätzlicher Tötung“ von Abdullah Cömert wurden keine Strafen verhängt, im Fall von Mehmet Ayvalıtaş bescheinigte der Gutachter den Verdächtigen tadelloses Verhalten. Im Prozess Uğur Kurt wurde der angeklagte Polizist nicht inhaftiert, im Prozess wegen Medeni Yıldırım wurde der den Befehl erteilende Kommandant nicht als Angeklagter, sondern als Zeuge verhört. Der Prozess im Fall Dilek Dogan geht weiter, die Angeklagten sind auf freiem Fuß, obwohl ein Video die Polizeischüsse dokumentiert. Der Todesschütze von Berkin Elvan wurde nicht der Strafverfolgung übergeben.

Morde an Frauen

Die Ermordungen von Frauen halten an. Insgesamt wurden in den sechs Monaten 152 Frauen ermordet (Januar 36, Februar 27, März 31, April 21, Mai 22, Juni 15). Die sexistische, männlich dominierte Sprache und Kultur, die in der Gesellschaft von oben nach unten verbreitet wird, macht Frauen zur Zielscheibe von Männern.

Menschenrechtsverletzungen gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender

Die Menschenrechtsverletzungen gegen LGBTI haben in den letzten sechs Monaten zugenommen. Am herrschenden politischen Islam orientierte Äußerungen und Aktionen haben Gruppen mit anderer sexueller Orientierung zur Zielscheibe gemacht. Die Sichtbarkeit der LGBTI hat abgenommen, Hassmorde gehen weiter. Von Januar bis Juli fanden drei Hassmorde statt, zwei in Istanbul, einer in Tekirdag. Die Pride Parade (CSD), die im Juni an vielen Orten weltweit stattfindet, wurde in der Türkei vom Jugendverband der nationalistischen Idealisten (Alperen Ocakları) schon vor dem Beginn bedroht (- und vom Istanbuler Gouverneur daraufhin nicht genehmigt – d. Über.).

„Arbeitsmorde“

In den letzten sechs Monaten haben „Arbeitsmorde“ weiterhin den Charakter eines Blutbades. Mangelnde Arbeitssicherheit, fehlende Aufsicht und Kontrollen, Leiharbeit und Überlassung und Korruption schaffen den Rahmen für unmenschliche Arbeitsbedingungen, die die Arbeiter mit ihrem Leben bezahlen. Im Januar verloren 110, im Februar 140, im März 157, im April 168, im Mai 119, im Juni 200, also zusammen 894 Arbeiter ihr Leben bei Arbeitsunfällen.

Repression gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes

Besonders gegen die Föderation der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (KESK) und die der KESK zugehörigen Bildungsgewerkschaft Eğitim-Sen richtete sich eine Politik der Einschüchterung im Wortsinn. Im Zeitraum der letzten 9 Monate wurden mindestens 124 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes mit Versetzung bestraft, mindestens 34 festgenommen und inhaftiert. Wenigsten 53 Beschäftigte sahen sich mit Verfahren wegen Beleidigung des Staatspräsidenten konfrontiert. 50 Beschäftigte wurden entlassen, wenigstens 647 wurden mit Beförderungsstopp oder Gehaltskürzungen bestraft. In den letzten 9 Monate gab es eine in der Geschichte der Republik nicht erlebte Anzahl von Anhörungen, Verwarnungen, Abmahnungen und Strafen: 16.475.

Ermordungen von Zivilisten

Bei sieben Selbstmordattentaten, von denen vier der TAK, den Freiheitsfalken Kurdistans, und 3 dem IS zugeordnet werden, kamen zahlreiche Zivilisten ums Leben: „Bei diesen Anschlägen kamen 134 Landsleute ums Leben und wurden 789 verletzt.“

Ausgangsperren und Rechtsverletzungen

Nach Angaben der Menschenrechtsstiftung TIHV erließen Gouverneure und Landräte zwischen dem 16. August 2015 und dem 20. April 2016 in mehr als 22 Bezirken Ausgangssperren, vor allem in Diyarbakır (35 Mal), Şırnak (10 Mal), Mardin (11 Mal) Hakkâri (5 Mal), Muş (1 Mal), Elazığ (1 Mal) und Batman (2 Mal). Insgesamt wurden offiziell mindestens 65 unbefristete und ganztägige Ausgangsperren verhängt.

Rechtsverletzungen gegen Religionsgruppen

Im letzten Kapitel des Berichtes wird festgestellt: „ Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Türkei Verletzungen der Religions- und Glaubensfreiheit gemäß Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention und religiöse Diskriminierung von Aleviten attestiert hat, wurden in den letzten sechs Monate keine Forderungen der alevitischen Gemeinschaft aufgenommen. Vielmehr wurden die Aleviten von Staatsbediensteten und Regierungsvertretern in diskriminierender und ausgrenzender Weise zur Zielscheibe gemacht.

 

Entschädigungszahlungen der Türkei nach Beschlüssen des EGMR

Die Internet-Nachrichtenseite Diken berichtete am 28.10.2016, dass nach den Beschlüssen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs der türkische Staat seit 2012 wegen Menschenrechtsverletzungen in 408 Fällen an die betroffenen Menschen 35 Million Lira (ca 10 Million Euro) Entschädigungen gezahlt hat.

Laut einem Bericht der Tageszeitung  „Evrensel“ über die Antwort von Justizminister Bekir Bozdag auf die Anfrage vom CHP Abgeordneter Sezgin Tanrikulu im Dezember 2015, gehören zu den begangenen Verletzungen: Einhaltung der Verfahrensrechte, Misshandlung und Folter, Verletzung des Rechts auf Leben, der Meinungsfreiheit, des Rechts auf Versammlung und Demonstration, Schutz der persönlichen Freiheit, Recht auf Privatsphäre.

Bezahlt wurden zwischen 01.06.12 und 31.12.12: 1 707 060 Euro

im Jahr 2013: 3 963 011 Euro,

im Jahr 2014: 4 801 306 Euro,

im Jahr 2015: 1 503 154 Euro.

Das türkische Verfassungsgericht stellte ebenfalls Rechtsverletzungen fest und entschied in 784 Fällen 12 449 730 Lira (ca 3,7 Million Euro) Entschädigungszahlungen seit dem 09.03.16.

 

Entlassungen

Die Tageszeitungen Hürriyet und Cumhuriyet berichteten am 04.09.2016. dass

der Verband Yargiclar ve Savcilar Birligi (Vereinigung der Richter und Staatsanwälte) war mit der ersten Notstands-Verordnung verboten worden war.

Nunmehr wurde der Vorsitzende Murat Arslan entlassen.

Der Verband hatte u.a. gegen den Einfluss der Gülen-Bewegung gekämpft.

 

Hürriyet berichtete am 03.-04.9.2016

Zu den Entlassenen gehören

-Oberst Mehmet Alkan, der 2015 bei der Beerdigung seines Bruders die Regierung für dessen Tod verantwortlich gemacht hatte

-39 Unterzeichner der Friedensinitiative der Akademiker, dabei auch Doc. Kemal Inal von der Gazi-Universität, der seine Unterschrift zurückgezogen hatte.

– der marxistische Historiker Doc.  Candan Badem von der Universität Tunceli, bei dem ein Buch von F. Gülen gefunden worden war.

– Der Jurist Ahmet Caner Yenidünya von der Marmara Universität, Mitglied des Parteirats der CHP

 

Zuerst waren es Linke, dann wurden sie als Gülen-Anhänger entlassen

Hürriyet schrieb am 06.09.2016, dass der stellvertretende CHP-Vorsitzenden Veli Agbaba  in einem Bericht festgestellt hat:

– Ein Mitarbeiter der staatlichen Personalverwaltung erhielt 8 Jahre lang keine Vertretungsbefugnis, weil er ein Linker sei, jetzt wird er als Gülen-Anhänger entlassen.

– Ein Mitglied des ADD und der Plattform gegen Atomkraft in Sinop wird als Gülen-Anhänger entlassen

– Ein Mitglied von Egitim Is und der Vereinigten Juni-Bewegung wird entlassen wegen Kritik an der Regierung im Internet

– Ein TKP-Mittglied arbeitet bei IBB und wird entlassen, weil er bei den Gezi-Aktivitäten mitgemacht hat und in den Gülen-Zusammenhang gebracht wird.

Der Partner als Hindernis für den “Erfolg”

Cumhurriyet schrieb am 13.9.2016, dass die Lehrerin Özakça berichtet hat, dass ihr von der Schulverwaltung eine “Erfolgsurkunde” verliehen werden sollte, weil sie sich auch um Kinder gekümmert hat, die nicht ihre Schüler waren. Kollegen fragten nach, warum dies dann nicht geschah. Der Schulverwaltungsdirektor antwortete: “Wie kann ich die Urkunde verleihen, wo doch gegen ihren Ehemann ermittelt wird.”

Festnahmen

Die Tageszeitung Cumhuriyet berichtete am 08.09.2016, dass Cemil Uğur und Halil İbrahim Polat, Journalisten der Zeitung Evrensel nach 16 Tagen freigelassen wurden. Sie hatten die “Freiheitsmahnwache” beobachtet. Auf ihren Hinweis, sie seien Journalisten war geantwortet worden: “Was heißt hier Journalisten, es ist Notstand”. Ihnen war angedroht worden, dass es ihnen wie Metin Göktepe gehen würde. (Anmerkung des DTF: Metin Göktepe wurde in Polizeihaft durch brutale Polizeigewalt getötet)

Die Tageszeitung Cumhuriyet berichtete am 25.09.2016, dass in dem Distrikt von Erzurum, in dem Fethullah Gülen geboren wurde, Cousins und Neffen von Gülen festgenommen und zum Sicherheitsdirektorat der Provinz gebracht wurden.

Folter

Folter in türkischen Gefängnissen

Die Internet-Zeitung Hurriyet Daily News schrieb am 14.09.2016, dass die Rechtsanwältin Gülseren Yoleri der Tageszeitung Cumhuriyet gesagt hat, der Menschenrechtsverein (IHD)  habe seit dem Beginn des  Ausnahmezustands am 14. Juli 2016 in der Türkei konkrete Hinweise auf ein erneutes Auftauchen von früheren Foltermethoden erhalten. Sie kommen zu den schlechten Zuständen in den Gefängnissen hinzu.

Gülseren Yoleri beschrieb die Informationen, die der IHD von dem Gefängnis in Silivri erhalten hat:

Während der bis zu 30 Tage dauernden Polizeihaft wurde anwaltliche sowie medizinische Hilfe verweigert. Der ausgerufene Ausnahmezustand wird als Grund genannt, um einen Krankenhausaufenthalt zu verweigern. Es fehlt an Platz, deshalb müssen sich die Inhaftierten beim Schlafen und am Fenster (für frische Luft) abwechseln. Das  Gefängnis ist hoffnungslos überfüllt. Viele der Insassen leiden mittlerweile unter gesundheitlichen Problemen und erwägen einen Hungerstreik. Disziplinarische Bestrafung durch Gewalt nimmt stetig zu. Der IHD hat Hinweise auf körperliche Folter durch elektrischen Strom und weitere Foltergeräte.

Eine Lehrerin, die ihren Mann besucht hatte, fragte, nachdem sie Blutergüsse bei ihrem Mann gesehen hatte, was geschehen sei. Ihr wurde geantwortet, sie könne auch festgenommen werden. Sie fühlt sich bedroht.

Folterung von Beschuldigten eines Hackerangriffs

Die Internet-Nachrichtenseite Diken berichtete am 28.09.2016, dass sieben Personen, die im Zusammenhang mit dem Hacken der Emails vom Ernergie-und Ressourcenminister Berat Albayrak durch RedHack festgenommen wurden, während ihrer Polizeihaft gefoltert wurden.

Der Anwalt Firat Durak des Inhaftierten Taylan Kulacoglu spricht von systematischer Folter, um die Inhaftierten zur Aussage zu zwingen. „Auf kaltem Beton, die Hände am Rücken gefesselt und der Kopf mit Gewalt nach vorne gestreckt“, so der Anwalt Durak sei es ihnen weder möglich gewesen zu essen noch ihre Grundbedürfnisse zu verrichten.

Gerichtsverfahren

Freispruch für Angeklagte wegen Gezi-Protest in Izmir aus Mangel an Beweisen

Die Internet-Nachrichtenseite Diken berichtete am 28.09.2016, dass gegen 115 Beteiligte an dem Protest am 01.06.2013 in Izmir Anklage erhoben worden war. Die Demonstranten hatten sich versammelt und hatten sich auf Drängen der Polizei nicht aufgelöst. Daraufhin wurden sie von der Polizei angegriffen. Die Demonstranten sollen sie mit Steinen beworfen haben..

Der Richter Süleyman Demirel sprach die Angeklagten aus Mangel an Beweisen frei. Die 115 Angeklagten hätten im Falle einer Verurteilung mit 2-6 Jahre Haft rechnen müssen wegen Behinderung der Polizei bei ihrer Arbeit.

 

Gerichtsverfahren gegen Sicherheitskräfte u.a. wegen Menschenrechtsverletzungen

Urteil im Prozess wegen Ermordung christlicher Missionare

Fünfmal lebenslänglich für Mörder von christlichen Verlegern

Hurriyet Daily News berichtete am 28.09.2016, dass am Morgen des 28. Septembers unter starken Sicherheitsvorkehrungen der 115. Gerichtstermin an der 1. Kammer des Gerichts für schwere Straftaten in Malatya im Fall wegen der Ermordung der drei christlichen Missionare, dem Deutschen  Tillman Geske und zwei Türken, Necati Aydın und Uğur Yüksel stattfand.

Die drei Opfer waren am 18. April 2007 in dem christlichen Zirve Verlag in Malatya gefesselt und gefoltert worden, bevor ihnen die Kehle durchschnitten wurde. Sie gehörten zu der winzigen protestantischen Minderheit der Stadt. Die Morde erzeugte damals Furcht bei den kleinen christlichen Minderheiten.

Die Angeklagten Günaydın, Yıldırım und Gürler waren im März 2014 im Rahmen einer rechtlichen Entscheidung mit elektronischen Fußfesseln unter Kontrolle aus dem Hochsicherheitsgefängnis auf freien Fuß gesetzt worden, was zu Kontroversen führte. Diese drei Angeklagten wurden unter Polizeiüberwachung zum Gericht gebracht.

Die Haupt-Angeklagten Emre Günaydın, Cuma Özdemir, Hamit Çeker, Salih Gürler und Abuzer Yıldırım wurden zu jeweils dreimal erschwerter lebenslanger Haft verurteilt.

Zwei weitere Verdächtige wurden zu jeweils 6 Jahren Haft verurteilt, 14 Verdächtige wurden freigesprochen.

 

Oberstaatsanwaltschaft Ankara: Verfahren wegen Folter nach dem Putsch 1980 verjährt

Das unabhängige Nachrichtennetzwerk BIA News Desk berichtete am 29.09.2016, dass die Oberstaatsanwaltschaft Ankara entschieden hat, die Ermittlungen wegen Folter und Todesfällen nach dem Putsch im September 1980  in Haft im Mamak Gefängnis in Ankara, das damals Abteilung für politische Straftaten des Sicherheitsdirektorates und Militärgefängnis war, nicht weiter zu verfolgen. Diese Verfahren waren in den Jahren 2011 und 2012 von 129 Personen gegen verdächtige Polizisten und Soldaten aus der Zeit eingeleitet worden. Unter den Verdächtigen sind der Direktor des Militärgefängnisses Mamak Oberst Raci Tetik, der ehemalige Sicherheitsdirektor von Ankara Cevdet Saral, Ali Akan und Ülkü Met, sowie viele andere, die im Sicherheitsdirektorat von Ankara und im Militärgefängnis Mamak zu der Zeit tätig waren.

Die Anklage lautete auf willkürliche Ermordung, Folter und Misshandlung in den Jahren 1980-1984. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sah die Entscheidung vor, dass die Frage der Verjährung diskutiert werden solle, da mehr als 30 Jahre vergangen seien.

Die Entscheidung beruhte auf Vorschriften in Artikel 38 der Verfassung: Niemand darf für eine Tat bestraft werden, die zur Tatzeit nach dem Gesetz nicht als Straftat gilt; niemand darf eine größere Bestrafung erhalten als nach dem Gesetz, das zur Tatzeit in Kraft ist, vorgesehen ist.

Die Entscheidung erklärt einerseits, dass das Gesetz Nr. 765 des TStGB zur Tatzeit in Kraft war. Nach diesem Gesetz beträgt die äußerste Grenze der Verfolgung 30 Jahre.

Auf der anderen Seite wird angegeben, dass die Verjährungsdauer für die vorliegende Straftat  entsprechend Art. 5.237 TStG weiterhin nicht ausgelaufen ist und die Vorschriften des Gesetzes 765 TStG, das zugunsten der Angeklagten ist, angewendet werden sollte.

 

Medien

Die Türkei entzieht kurdischen TV-Kanälen die Lizenz

Am 28.09.2016 schrieb das unabhängige Internet-Netzwerk Bianet, dass Türksat, der Betreiber des türkischen TV-Satelliten, am Mittwoch zehn kurdische Fernsehsender,  darunter Hayatın Sesi, Azadi TV, Jiyan TV, Van TV, TV10, Denge TV und Zarok TV’nin gesperrt habe.

 

UN-Missionen

UN Menschenrechtskommissar hat ein Beobachtungsteam für Südosten zusammengestellt

Das unabhängige Nachrichtennetzwerk Bia News berichtete am 13. September 2016, dass der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen Al Hussein bei der 33. Sitzung des Menschenrechtsrates der UN gesagt hat, dass sie weiterhin Klagen über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei erhalten. Die Daten legten nahe, dass die Türkei internationales Recht und Menschenrechte verletzt hat. Unter den Beschwerden seien Morde an Zivilisten, außergerichtliche Hinrichtungen und Vertreibungen in großer Zahl.

Al Hussein erklärte, dass ein Beobachtungsteam für die Lage im Südosten zusammengestellt worden sei und forderte die türkische Regierung auf, seinem Team zu genehmigen, eine wirksame Untersuchung der Lage im Südosten durchzuführen.

Der UN-Menschenrechtskommissar Zeid Raad Al Hussein hatte bereits in einer Erklärung vom 10. Mai 2016 die Türkei aufgefordert, unabhängige Ermittler für die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte zuzulassen. Diese Forderung stand im Zusammenhang mit Berichten, dass im Distrikt Cizre von Şırnak mehr als 100 Menschen, die in einem von Sicherheitskräften umstellten Keller festsaßen, zu Tode verbrannt worden seien.

 

Türkische Regierung vertagt Besuch des UN Berichterstatters über Folter

Am 21.09.2016 gab die UN bekannt, dass der Sonder-Berichterstatter der UN über Folter Juan E. Méndez tief enttäuscht sei, weil die türkische Regierung seinen für den 10.-14. Oktober 2016 geplanten Besuch des Landes vertagt hat. Er habe Verständnis dafür, dass die Entwicklungen in der Türkei während der vergangenen Monate die volle Aufmerksamkeit der Regierung erfordern. Er denke jedoch, dass die Vertagung seines Besuches zu diesem späten Zeitpunkt eine falsche Nachricht aussendet. Wegen der Tausenden von Inhaftierungen nach dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 und den Berichten über starke Überbelegung und dem schlechten Zustand in vielen Haftzentren im ganzen Land, sei sein Besuch von äußerster Wichtigkeit.

Unabhängige Beobachtung der Situation an Orten, an denen Individuen ihrer Freiheit beraubt seien, sei eine sehr wichtige Sicherheitsmaßnahme gegen Misshandlung und Folter.

Die türkische Regierung hat vorgeschlagen, den Besuch im November oder Dezember 2016 durchzuführen. Da die sechs-jährige Amtszeit von Herrn Méndez am 31. Oktober 2016 endet, wird er diesen Besuch nicht mehr machen können. Den Besuch müsste sein Nachfolger durchführen.

Demokratisches Türkeiforum e. V.
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E-Mail: info=at=tuerkeiforum.net, Homepage: www.tuerkeiforum.net

Das Demokratische Türkeiforum e.V. (DTF) setzt sich seit der Gründung 1990 für die Einhaltung der Menschenrechte und für Demokratie in der Türkei ein. Das DTF ist die deutsche Unterstützergruppe der Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV). Spenden an das DTF werden praktisch zu 100% an die TIHV weitergeleitet.

Seit ihrer Gründung hat die TIHV mehr als 14.000 Folteropfer kostenlos behandelt. Behandlungszentren existieren in Ankara, Istanbul, Izmir, Adana und Diyarbakir. Das Dokumentationszentrum in Ankara gibt tägliche Berichte über Verletzungen der Menschenrechte in Türkisch und Englisch heraus und erstellt daraus Jahresberichte. Die Homepage des DTF wird als Sicherungskopie vieler dieser Dokumente genutzt.

 

Wie Unterstützergruppen in einigen anderen europäischen Ländern möchte das Demokratische Türkeiforum (DTF) in Deutschland zu der Finanzierung der TIHV beitragen. Spenden an das DTF e.V. werden in vollem Umfang an die TIHV weitergeleitet; sie sind steuerlich absetzbar.

 

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