MESOP BACKGROUNDER : DIE MILLIARDENANLAGEN DER TÜRKEI IN DEUTSCHLAND / OYAK – DER PENSIONSFOND TÜRKISCHER SOLDATEN IN DER BRD

  • Die Türkei-Turbulenzen bedrohen die deutsche Ökonomie –

Die Unsicherheit wächst über Geschäfte mit dem Militärfonds und Kredite europäischer Förderbanken. Hochschulen vom Ausreiseverbot für Wissenschaftler entsetzt.

itz. WIEN, 20. Juli. Die Verwerfungen in der Türkei könnten stärker auf Europa aus-strahlen als bisher bekannt. Zum einen dürften die weitreichenden Geschäfte des Militärs leiden, das sich nach dem gescheiterten Putsch einer Verhaftungswelle ausgesetzt sieht. Der Pensionsfonds der Soldaten, Oyak, bildet eines der mächtigsten Wirtschaftskonglomerate des Landes, ihm gehören auch Unternehmen in Deutschland. Zum anderen könnten die europäischen Förderbanken EBRD und EIB in Mitleidenschaft gezogen werden, die aufgrund der Bedeutung der Türkei in der Flüchtlingsfrage ihre Milliardenkredite stark ausgeweitet haben. Nach Informationen dieser Zeitung hat die EIB wegen der Turbulenzen die Entscheidung über Neukredite bereits vertagt.

 

Zudem hat der Hochschulrat in Ankara am Mittwoch gegen türkische Wissenschaftler ein Verbot für Dienstreisen ins Ausland verhängt Zu-gleich rief er im Ausland arbeitende Forscher und Hochschullehrer nach Hause zurück. Auch forderte er alle türkischen Rektoren auf, bis zum 5. August ihre Mitarbeiter auf mögliche Verbindungen zur Bewegung des Geistlichen Fethullah Gülen zu überprüfen. Dieser gilt als Erzfeind von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Für die deutsche Wissenschaftsszene ist das Vorgehen ein schwerer Schlag, denn die Verbindungen sind besonders eng. 2010 wurde die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul gegründet, 2014 fand das Deutsch-Türkische Wissenschaftsjahr statt. Viele türkische Gastdozenten sind in Deutschland tätig, jedes Jahr nehmen rund 3000 junge Menschen mit türkischem Schulabschluss ein Studium in Deutschland. auf. „Die deutschen Hoch schulen sehen die Entwicklung mit Entsetzen”, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler. „Die tiefen, offenbar skrupellosen Einschnitte in die akademischen Freiheiten durch die türkische Regierung machen uns alle fassungslos.” Der wirtschaftliche Einfluss des Militärs war bis, zum Putschversuch enorm. Oyak ist nach eigenen Angaben die älteste und größte private Pensions- und Sozialkasse in der Türkei. Ihre Vermögenswerte betragen umgerechnet fast 14  Milliarden Euro, die Umsätze der Oyak-Unternehmen erreichten 2014 rund 6,4 Milliarden Euro. Das Exportvolumen betrug 3,5 Milliarden Euro, etwa 2,5 Prozent der Gesamtausfuhr. Die Gruppe, in die 300 000 Personen einzahlen, ist an 70 Unternehmen mit 28 000 Beschäftigten beteiligt, unter anderem in Luxemburg, den Niederlanden, Frankreich, Rumänien, Spanien und Großbritannien. In Deutschland gehört ihr die Oyak Anker Bank.

2015 kaufte Oyak die Mehrheit an dem Frankfurter Aluminiumkonzern Almatis. 2008 erwarb Oyak den österreichischen Chemiekonzern Chemson. Gemeinsam mit dem zu Oyak gehörenden Unternehmen Akdeniz versteht man sich als größ-ter Hersteller von PVC-Stabilisatoren in der Welt. In der Türkei selbst ist der Fonds Miteigentümer des Autoherstellers OyakRenault. „Das türkische Militär hatte bisher einen riesigen wirtschaftlichen Einfluss, der auch ins Ausland ausstrahlte”, sagt Gunter Deuber, leitender Ökonom bei Raiffeisen Research in Wien. „Noch ist nicht absehbar, wie die Säuberungen diese Aktivitäten beeinträchtigen werden.”

Eine ähnliche Unsicherheit gilt für die Geschäfte der Förderbanken. Die in London ansässige Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) hat 2015 an kein anderes Land so viele neue Kredite vergeben wie an die Türkei. Die 1,9 Milliarden Euro gingen vor allem an solche Privatunternehmer, die den Modernisierern und Reformern zugerechnet werden. Diese Gruppe sieht sich unter zunehmendem Druck und könnte gezwungen sein, ihre Aktivitäten zurückzufahren.

Die Europäische Investitionsbank EIB in Luxemburg wollte ihre Neukreditvergabe in die Türkei 2016 eigentlich auf 2 Milliarden Euro verdoppeln; als Zeichen nach dem Flüchtlingsvertrag mit der EU. Am Dienstag aber hat der Verwaltungsrat wegen der jüngsten Ereignisse die Entscheidung über zwei Projekte von 260 Millionen Euro verschoben. Die EBRD hingegen hat ihre neuen Kreditvorhaben genehmigt. Seit dem Embargo gegen Russland, dem lange wichtigsten Empfänger, ist das Engagement der EBRD in der Türkei stark gestiegen. Seit 1991 hat sie dort etwa 7,2 Milliarden Euro ausgereicht. Die EIB hat sogar 16,5 Milliarden ausstehen.

FAZ Wirtschaft 21 July 2016  (FAZ)