DIE IDEOLOGISIERUNG DER ASYLPOLITIK FÜR HÖHERE ZWECKE / DER SUTHERLAND ELITEN-PLAN

MESOP : UM DIE MENSCHEN GEHT ES DEN REFUGEE-LOBBYISTEN GAR NICHT – ODER HÖCHSTENS ALS BLOSSE MANÖVRIERMASSE & AKZIDENZ

Klaus Peter Schwarz

Wieder einmal geht Deutschland einen Sonderweg, den es als europäischen ausgibt. Dass er das nicht ist, zeigt nicht nur die einhellige Ablehnung der deutschen Migrationspolitik in Ost- und Südosteuropa, sondern auch die geringe Neigung der westeuropäischen Länder, sich ihre Asylpraxis von Berlin vorschreiben zu lassen. Nicht einmal Schweden und Österreich sind noch bereit, Merkels Weg mitzugehen. Der amerikanische Historiker Victor Davis Hanson vermutet, die Deutschen wollten beweisen, dass sie „die skrupelloseste postmoderne Nation des Westens sind, um der Welt 77 Jahre nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu versichern, dass sie nicht mehr die skrupelloseste nationalistische sind.”

Man kann den deutschen Trieb zur Selbstaufgabe allerdings auch ganz anders sehen. Der Realisierung des Elitenprojektes eines supranationalen europäischen Bundesstaates kommt er nämlich zweifellos entgegen, weil nationale Widerstände das Durchregieren behindern und die Konstruktion eines europäischen Demos die allmähliche Auflösung der nationalen Demen voraussetzt. Das gelingt umso leichter, je mehr die herkömmlichen Nationalstaaten durch Migration und Multikulturalismus geschwächt werden.

Der Ire Peter Sutherland, EU-Wettbewerbskommissar unter Jacques Delors (1985-1989), ist ein typischer Vertreter der bürokratisch-technokratischen Elite, die von niemandem gewählt wurde, die in den supranationalen Strukturen aber mächtiger ist als die an wahltaktische Rücksichten gebundene politische Klasse. Sutherland war unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender bei Goldman Sachs und British Petrol, er war Generaldirektor der WTO sowie Kofi Annans Sonderbeauftragter für Migration.

Seit vorigem Jahr leitet er die Internationale Katholische Migrationskommission. Den Multikulturalismus hält er für ebenso unvermeidlich wie wünschenswert. Von dessen Durchsetzung, so sagte er im Juni 2012 bei einem Hearing im britischen Oberhaus, hänge die „künftige Prosperität” vieler EU-Länder ab, unter ihnen auch die Deutschlands. Die EU müsse ihr Möglichstes tun, um den Multikulturalismus zu fördern und die Homogenität ihrer Mitgliedstaaten zu untergraben, „so schwierig es auch sein mag, dies den Bürgern dieser Staaten zu erklären”. Er forderte, endlich damit aufzuhören, nur hochqualifizierte Migranten anzuvisieren. Auch auf der untersten Ebene sollten Individuen entscheiden dürfen, ob sie in einem anderen Land studieren oder arbeiten wollten. In einem Artikel, den Sutherland gemeinsam mit der EU-Kommissarin Cecilia Malmström verfasste, bedauerte er, dass die EU die „historische Gelegenheit” versäumt habe, die ihr die arabischen Revolutionen geboten hätten, um „die beiden Seiten des Mittelmeers miteinander zu verweben”.

Sutherland meint, dass heute nicht mehr die Staaten die Einwanderer, sondern diese die Staaten auswählen, und dass dies so auch gut sei. Mit der Einschränkung, dass Migration nur dann reibungslos verläuft, wenn beide Seiten davon profitieren, wird man ihm gerne zustimmen. Es ist ja eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Welt verändert, dass sich im Zuge der Globalisierung die Migration verstärkt und dass sich mit ihr auch die Bevölkerungsstruktur der Empfängerländer verändert. Es gibt keinen Weg zurück ins christliche Abendland.

Mit der allmählichen, individuellen und legalen Einwanderung, vorwiegend aus europäischen, in der westlichen Wertordnung verankerten Gesellschaften, ist der massenhafte Ansturm, den Europa zurzeit erlebt, allerdings in keiner Weise vergleichbar. Der blutige Zerfall der Ordnungssysteme im Nahen Osten hat ein gewaltiges Migrationspotential entstehen lassen. Die Lösungen dafür müssen in der Region selbst gefunden werden. Europa muss dabei mithelfen. Dazu trägt die ungeregelte Abwanderung von Millionen von jungen und arbeitsfähigen Männern nicht bei, vielmehr verschärft sie die Konflikte dort und schafft neue in Europa.

FAZ 2Feb 2016