THEO VAN GOGH DESKRIPTION: DER KOMMENDE KRIEG IST ARTIFIZIELL – DIE SELBSTKONTROLLE DER SYSTEME Digital Warfare : Wie das Silicon Valley die US-Verteidigungsindustrie revolutioniert –

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Von Marcus Schuler FAZ – 12.03.2025, Techunternehmen aus dem Silicon Valley brechen die Vormachtstellung klassischer Rüstungskonzerne. Diese Entwicklung ist mehr als ein wirtschaftlicher Machtwechsel – sie verändert das militärische Denken.

Der Krieg in der Ukraine zeigt, warum dieser Wandel jetzt kommt: Moderne Konflikte brauchen neue Technologien. Künstliche Intelligenz, Drohnen und elektronische Kriegsführung entscheiden über Sieg oder Niederlage. Die alten Verteidigungsunternehmen können diesen Bedarf nicht decken – zu langsam, zu unflexibel. In diese Lücke stoßen nun Firmen wie Anduril Industries oder Scale AI.

Das Pentagon hat diesen Wandel erkannt. Es öffnet sich für neue Partner – mit Erfolg. Die Entwicklung von militärischen Drohnen zeigt die neue Dynamik: Statt zehn Jahre auf ein neues System zu warten, liefern die Techfirmen in Monaten.

In den Büros der Defense Innovation Unit, der Außenstelle des Pentagons im Silicon Valley, stehen Start-up-Gründer inzwischen Schlange. Sie bringen nicht nur neue Ideen mit, sondern auch Geld: Allein Anduril Industries ist heute 28 Milliarden Dollar wert – mehr als manche traditionelle Rüstungsfirma.

Das Pentagon greift für diese neuen Partner tief in die Tasche: Scale AI erhielt einen Rahmenvertrag über 249 Millionen Dollar, Skydio liefert für 100 Millionen Aufklärungsdrohnen. Der größte Coup gelang Anduril: Die Firma übernahm von Microsoft ein Projekt mit einem Umfang von 22 Milliarden Dollar für Datenbildschirme in Kampfbrillen.

Anduril: Vom VR-Pionier zum Verteidigungslieferanten

Palmer Luckey zeigt, woher die neuen Player kommen. Mit 21 Jahren verkaufte er seine Virtual-Reality-Firma Oculus für zwei Milliarden Dollar an Facebook. Mit 24 gründete er Anduril. Der Name stammt aus „Herr der Ringe“ – es ist das magische Schwert des Königs. Ein Symbol mit Botschaft: Militärtechnik soll so einfach werden wie ein Smartphone.

Das Herzstück von Anduril ist die Software Lattice. Sie verbindet Sensoren, Drohnen und Überwachungsgeräte zu einem digitalen Nervensystem. Die „Ghost“-Drohnen des Unternehmens fliegen weitgehend selbständig. Bei Tests steuern sie ohne direkten Eingriff durch komplexe Einsatzszenarien.

Scale AI: Die Datenexperten

Scale AI geht einen anderen Weg. Das 2016 gegründete Unternehmen arbeitet im Verborgenen an einem zentralen Problem: Daten. Seine Software bereitet Satelliten- und Drohnenaufnahmen für militärische KI-Systeme auf. Was früher Tage brauchte, schafft die Technik in Minuten.

2022 kam der Durchbruch: Das Pentagon machte Scale AI zu seinem offiziellen Datenpartner – für 249 Millionen Dollar. Die Firma trainiert Bilderkennungssysteme und testet neue KI-Modelle, von Chatbots bis zu Bildgeneratoren.

Kriegsgebiet als Testlabor: Omira Systems

Der Ukrainekrieg zeigt täglich, wie verwundbar militärische Kommunikation ist. Hier setzt Omira Systems an. Das Start-up aus Austin entwickelt Funksysteme, die auch unter Störfeuer funktionieren.

Die Technik beweist sich bereits an der Front: Ukrainische Einheiten nutzen Omiras „smarte“ Funkgeräte. Werden bestimmte Frequenzen gestört, wechseln die Geräte automatisch den Kanal. Fällt ein Knotenpunkt aus, sucht sich das System einen neuen Weg. Die Ergebnisse sprechen für sich – die Verbindung bleibt bestehen, wo herkömmliche Systeme versagen.

Primordial Labs: Sprache statt Knöpfe

„Flieg zur Koordinate X.“ – „Verstanden, starte Mission.“ So könnte bald die Kommunikation zwischen Soldat und Drohne ablaufen. Primordial Labs entwickelt seit 2021 die KI Anura, die Sprache in Maschinenbefehle übersetzt.

Der Ansatz überzeugt auch die Großen der Branche: 2023 stieg Lockheed Martin als Investor ein. Tests mit der US-Armee zeigen: Die Einheiten im Feld arbeiten schneller und präziser, wenn sie Drohnen per Sprache steuern können.

Von der Selfiedrohne zum Militärgerät: Skydio

Adam Bry und Abraham Bachrach, zwei ehemalige Google-Entwickler, gründeten 2014 Skydio mit einer klaren Vision: Sie wollten Drohnen entwickeln, die selbständig Hindernissen ausweichen können. Was zunächst Filmemacher und Fotografen begeisterte, weckte bald das Interesse des US-Verteidigungsministeriums.

2022 traf das US-Militär eine wegweisende Entscheidung: Es wählte Skydios RQ-28A als Standardaufklärungsdrohne für seine Infanterieeinheiten aus. Der Auftrag umfasst knapp 100 Millionen Dollar über fünf Jahre. Die kompakte Drohne überzeugt durch ihre praktischen Eigenschaften: Sie passt in einen Rucksack, ist binnen zwei Minuten startbereit und fliegt eine halbe Stunde. Dank fortschrittlicher Technik folgt sie Zielen automatisch und umfliegt Hindernisse eigenständig.

Fünf Beispiele aus der Praxis

Die praktischen Auswirkungen neuer Militärtechnologien erschließen sich am besten durch konkrete Beispiele. Fünf Fälle zeigen, wie die Entwicklungen der Techfirmen das moderne Gefechtsfeld prägen:

1. Moderne Drohnenabwehr im Ernstfall

US-Stützpunkte im Nahen Osten standen vor einer gefährlichen Entwicklung: Gegner setzten kleine Drohnen ein, die Sprengkörper abwarfen. Herkömmliche Luftabwehrsysteme versagten gegen diese wendigen, tieffliegenden Ziele. Andurils System bot eine durchschlagend erfolgreiche Lösung.

Das Abwehrsystem besteht aus vernetzten Beobachtungstürmen, ausgestattet mit Kameras und Sensoren, die die Lattice-Software steuert. Bei einem Angriff feindlicher Drohnen reagierte die Anlage binnen Sekunden: Ein Turm setzt einen Laserstrahl ein, der die Sensoren der angreifenden Drohne stört. Gleichzeitig startete eine Abfangdrohne und stößt die feindliche Drohne aus der Luft.

Der Erfolg überzeugte: Das US-Militär rüstete weitere Stützpunkte in Europa und Asien mit den Anduril-Systemen aus. Besonders die schnellen Reaktionszeiten des Systems übertrafen die Möglichkeiten menschlicher Bediener deutlich.

2. Moderne Aufklärungsmethoden

Während einer Antiterroroperation in Afrika übermittelte eine Vielzahl von Überwachungsdrohnen eine kaum zu bewältigende Menge an Videomaterial. Das von Scale AI entwickelte Bilderkennungssystem, geschult durch Tausende markierte Aufnahmen, unterstützte die Auswertung. Das System entdeckte dabei sogar getarnte Fahrzeugbewegungen, die den Analysten zunächst entgangen waren.

Ein weiteres Scale-AI-System verarbeitete Feldberichte und Funkverkehr zu präzisen Lagebildern, die den Kommandeuren jeden Morgen vorlagen. Diese Technik ermöglichte es einem kleinen Team, die Arbeit zu bewältigen, für die zuvor große Analystengruppen nötig waren.

3. Kommunikation unter Beschuss

Zu Kriegsbeginn in der Ukraine setzten russische Streitkräfte massiv Störsender ein, um ukrainische Verbände voneinander abzuschneiden. Omira Systems verteilte daraufhin ihre adaptiven Kommunikationsgeräte an mehrere Brigaden im Donbass.

Bei einem groß angelegten russischen Störangriff reagierten die Omira-Geräte sofort: Sie wechselten automatisch die Frequenzen und nutzten neben militärischen auch zivile Mobilfunknetze und Satelliten, um die Verbindung aufrechtzuerhalten. Zusätzlich sandten sie Täuschsignale an die russischen Störsender.

Die Zahlen sprechen für sich: Einheiten mit Omira-Technik erlitten 80 Prozent weniger Kommunikationsausfälle als andere Verbände. Diese Erfahrungen fließen heute in die Kommunikationsstrategie der NATO ein.

4. Sprachsteuerung im Spezialeinsatz

Eine US-Spezialeinheit erprobte das Anura-System bei einem Nachteinsatz. Der Teamführer befahl knapp: „Anura, Erkundung des Gebäudes über den Dacheingang.“ Sekunden später flogen zwei Minidrohnen los, übertrugen Livebilder und erstellten digitale Raumpläne.

Nach der Verwundung eines Soldaten nutzte das System die Position automatisch: Eine Überwachungsdrohne beleuchtete den Ort mit Infrarotlicht und wies dem Sanitäter den Weg. Die Sprachbefehle erlaubten dem Team volle Konzentration auf den Einsatz – ohne Ablenkung durch Bildschirme oder Steuergeräte.

5. Moderne Technik in der Versorgung

Neue Technologien prägen auch die militärische Logistik. Auf Luftwaffenstützpunkten überprüfen Skydio-Drohnen die geparkten Kampfflugzeuge. Eine von Scale trainierte Software wertet die Aufnahmen aus: Sie erkennt feinste Schäden wie Risse in den Tragflächen und prognostiziert mögliche Ausfälle.

Ein Anduril-Netzwerk überwacht in Armeedepots Fahrzeuge und Sicherheit. Bei nächtlichen Alarmen prüft erst ein Roboter die Lage, bevor Personal ausrückt. Omiras störresistente Funk- und Datensysteme sorgen für verlässliche Verbindungen der Versorgungskonvois auch in Störzonen.

Eine Großübung 2024 zeigte die Vorteile: Eine Kampfbrigade erreichte dank computergestützter Wartungsplanung und autonomer Bestandserfassung 15 Prozent mehr einsatzbereite Fahrzeuge. Nachschubmissionen liefen 20 Prozent schneller ab.

Europa zieht nach

Die Erfolge der US-Firmen rütteln Europa wach. Die EU reagiert mit einem 100-Millionen-Euro-Verteidigungsfonds, die NATO gründet den DIANA-Beschleuniger und einen multinationalen Investmentfonds für Militärtechnik. Verteidigungsministerien öffnen sich für Start-ups und teilen Entwicklungsrisiken. Nach Zahlen von McKinsey wuchs das Investment in europäische Verteidigungstechnik zwischen 2021 und 2024 um 500 Prozent im Vergleich zu den drei Jahren davor.

Ein Vorreiter ist das Münchner Start-up Helsing. Die Firma entwickelt KI-Software für Militärsensoren und wurde nach Tests in der Ukraine zum „Einhorn“ – einem Unternehmen mit über einer Milliarde Euro Bewertung. Ende 2024 präsentierte Helsing die HX-2-Angriffsdrohne, entwickelt für Schwarmtaktiken und mit Resistenz gegen elektronische Störmanöver. Das System soll in Massenproduktion deutlich günstiger als herkömmliche Raketen werden.

Die Gründer sehen die HX-2 als Teil eines „Abwehrschilds gegen Invasionen“, besonders relevant für die NATO-Ostflanke. Allerdings kämpfen europäische Start-ups mit Finanzierungsproblemen: Fast die Hälfte aller großen Finanzierungsrunden (über 100 Millionen Euro) im europäischen Verteidigungssektor benötigten amerikanisches Kapital.

Die Europäische Kommission reagierte 2024 mit Vorschlägen für gemeinsame Beschaffungsprogramme. Ähnlich wie beim US-System „Defense Innovation Unit“ soll ein Start-up dann mit einem EU-Vertrag gleich mehrere nationale Märkte erschließen können.

Ein Markt im Umbruch

Das Pentagon treibt den Wandel voran. Die Techpartner bringen nicht nur frische Ideen – sie verändern den gesamten Beschaffungsprozess. Was früher Jahre brauchte, gelingt nun in Monaten. Dabei entstehen neue Allianzen: Ende 2024 formten Anduril und Palantir ein Konsortium mit Scale AI, SpaceX und OpenAI, um gemeinsam für große Militärprojekte zu bieten.

Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Wer kontrolliert autonome Waffensysteme? Wie verlässlich ist KI-gesteuerte Militärtechnik? Welche ethischen Grenzen braucht die neue Technologie?

Die Antworten stehen noch aus. Doch der Wandel ist tiefgreifend: Die Tech-Start-ups aus dem Silicon Valley haben nicht nur neue Werkzeuge eingeführt – sie zwingen die traditionellen Rüstungskonzerne zum Umdenken. Etablierte Firmen gründen eigene Innovationsabteilungen und Investmentfonds, um den Anschluss nicht zu verlieren.