THEO VAN GOGH ZUKUNFT : “SINGULARITY IS NEAR!
Prompt der Woche : GPTs in Aktion: Spezialisierte KI-Agenten erobern das Netz
- Von Marcus Schwarze FAZ -Aktualisiert am 21.11.2023-18:09
Seitdem jedermann bei ChatGPT persönliche KIs einrichten kann, erfinden immer mehr Nutzerinnen und Nutzer eigene Anwendungen – teilweise mit mächtigen neuen Funktionen.
So hat etwa das Unternehmen Consensus aus Boston eine Datenbank über – nach eigenen Angaben – 200 Millionen wissenschaftliche Dokumente an ChatGPT angebunden. „ResearchGPT“ erlaubt die seriöse Recherche in veröffentlichten Studien. Notwendig ist dafür ein Abo der kostenpflichtigen Version ChatGPT-4 (20 US-Dollar pro Monat).
Ein Beispiel: Der Prompt „Wie wirkt sich der Klimawandel auf das Mittelrheintal aus?“ erzeugt eine gute erste Grundlage mit sechs verlinkten Quellen aus den Jahren 1995 bis 2016. Die GPT-Software zapft dafür im Hintergrund die Consensus-Datenbank an – und fragt sicherheitshalber einmal nach, ob sie das darf.
Die verlinkten Quellen führen zunächst zur jeweiligen Zusammenfassung bei Consensus auf Englisch, von dort gelangt man weiter zum jeweiligen Original der Wissenschaftsarbeit. Teilweise sind kostenpflichtige Dokumente hinterlegt und nur als Zusammenfassung dargestellt, in unserer Abfrage etwa vom Wissenschaftsverlag Springer oder von Semantic Scholar, einer weltweiten Sammlung von Wissenschaftspapieren. Will man es genauer wissen, muss man für die Dokumente zahlen.
Hintergrund solcher neuen GPTs („Generative vortrainierte Transformatoren“) ist die Verknüpfbarkeit des Sprachmodells ChatGPT von OpenAI mit eigenen Firmendaten. Per sogenannter API-Schnittstelle können komplette Intranets und eigene Datenbanken hinterlegt werden. IT-Fachleute müssen dafür nur wenige Zeilen Programmcode in „ihren“ GPTs auf der Plattform von OpenAI hinterlegen.
Das wirft freilich Fragen nach dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen auf. In den Einstellungen von GPT-4 ist für jeden Nutzer hinterlegt, dass das Unternehmen Chatverläufe auch zum Training seiner KI verwenden darf. Der Haken ist entfernbar. Erst in der viel teureren „Enterprise“-Version für Unternehmen und ihre Beschäftigten verspricht OpenAI, die Daten und Chats nicht fürs weitere KI-Trainings zu benutzen.
So ergeben sich insbesondere für Verlage neue Geschäftsmodelle, um ihre Archive zu vermarkten. Aber auch andere neuartige KI-Anwendungen machen die Runde. So hilft eine GPT namens „Explain Data Tables & Figures“ beim Analysieren von Datentabellen. Wir haben es mit der vorzüglichen, kostenlosen Excel-Datei zur Fußball-EM im kommenden Jahr von einem gewissen Hermann Baum ausprobiert.
Eingespeist bei der genannten KI, erklärt die Maschine den Spielplan und lässt spätestens nach der Auslosung der Gruppen am 2. Dezember auch Rückschlüsse auf die mögliche Qualifikation der Deutschen fürs Achtelfinale zu. Wir haben die Auslosung einmal fiktiv vorweggenommen. Einfache Abfragen wie „Wann spielt Deutschland, wenn es in der Gruppe A auf Position 1 gesetzt ist?“ funktionieren schon jetzt.
Einige weitere KI-Anwendungen:
– Der „Flow Speed Typist“ übersetzt fast jeden schnell dahingetippten Text mit vielen Tippfehlern in weitgehend richtiges Deutsch – ein nützlicher Agent für Leute mit Rechtschreibschwäche oder jene, die mit der Tastatur auf Kriegsfuß stehen, wie unser Beispiel des vorherigen Absatzes mit absichtlich eingefügten Tippfehlern unter diesem Link zeigt.
- „Cold Mail“ bewirkt, was wir neuerdings häufiger im Mailpostfach sehen: personalisierte Mails mit Werbung für Dienstleistungen, die sich tatsächlich inhaltlich passend auf den Empfänger beziehen. So bekommt Spam eine neue zweifelhafte Qualität, andererseits die Methode von Akquise-Mails neue Möglichkeiten.
- Ein „Drill Sergeant“ hilft beim Erledigen unliebsamer Aufgaben mit zackigem Ton und scharfen Anweisungen.
- Der GPT namens „How to Become a Millionaire“ berechnet, wie viel Geld man monatlich auf die hohe Kante legen muss, um Millionär zu werden.
- Ein „Task Breakdown Assistant“ unterstützt dabei, große Aufgaben in kleine Teile zu zerlegen. Eine KI, wie geschaffen für eine Ansage an den Praktikanten: „Mach es zu Deinem Projekt“.
- Der GPT „PhiloSongify“ interpretiert die Texte berühmter Songs der Musikgeschichte.
- Der GPT „Ugly Draw To Masterpiece“ macht aus einfachen Zeichnungen hochwertige Bilder. Wer zu Weihnachten ein gemaltes Bild vom Kind bekommt, kann sich so revanchieren.
- Ebenfalls auf der KI von OpenAI basiert eine Benutzeroberfläche von „tldraw“: Auf dem Whiteboard lassen sich Elemente anordnen, um beispielsweise eine Website zu gestalten oder ein einfaches Spiel wie „Pong“. Wer sich traut, seinen bei OpenAI eingerichteten persönlichen API-Key zu hinterlegen, erhält mit dem Befehl „Make Real“ die Umsetzung als Website.
- Und wie findet man solche Mini-KIs? Mithilfe von KI: Der „Supertools GPT Finder“ hat mehr als 100 solcher Mini-KIs bei ChatGPT gespeichert und wächst. Darüber hinaus listet der Dienst „There’s an AI for that“ inzwischen an die 10.000 Dienste auch außerhalb von ChatGPT auf.
Marcus Schwarze
Marcus Schwarze ist freier Journalist und Berater Digitales in Koblenz. Journalismus hat er bei der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ und der „Rhein-Zeitung“ in Koblenz gelernt. Thematisch hat er sich als Selbständiger zuletzt auf künstliche Intelligenz (KI) spezialisiert.
Nicht alles, was mit KI zu tun hat, erfüllt seinen Zweck. So hat das australische Unternehmen Canva, bekannt für seine simpel zu bedienende Gestaltungssoftware, zwar ebenfalls bei ChatGPT einen Dienst Canva gestartet – doch lassen die Ergebnisse in ersten Tests eher zu wünschen übrig. Damit lassen sich zum Beispiel Logos herstellen, doch versagt der Dienst meist dann, sobald Schrift enthalten sein soll. Manche KI braucht noch etwas, um mehr Qualität zu erzeugen.