MESOP MIDEAST WATCH: „IHRE MORAL – UND UNSERE !“  / SCHLACHTHAUS GHAZA 2023

Kimberly Dixon  Ärzte ohne Grenzen schreibt:

“Israel hat eingeräumt, dass das MSF-Krankenhaus bis 6 Uhr in der Früh geräumt sein muss. Außenministerin Baerbock deckt das Vorgehen Israels im Namen der Solidarität:

Meinie Nicolai, Generaldirektorin von Ärzte ohne Grenzen, am Freitag nach dem Ultimatum Israels.

Und weiter:

„Israels 24-Stunden-Ankündigung, dass die Menschen im nördlichen Gazastreifen ihr Land, ihre Häuser und ihre Krankenhäuser verlassen müssen, ist ungeheuerlich – dies ist ein Angriff auf die medizinische Versorgung und auf die Menschlichkeit. Wir haben immer wieder eine entmenschlichende Sprache erlebt, und diese Gewalt ist ein Ausdruck davon.“

Israel hatte über eine Million Menschen aufgefordert, binnen 24 Stunden Gaza-City und den Norden des Gazastreifens zu verlassen, um ungehindert zuschlagen zu können. Schon zuvor waren wegen der massiven Bombardements Hunderttausende geflohen. Um 20 Uhr Ortszeit wurde die Deadline gesetzt. Druck von Seiten der westlichen Unterstützerstaaten, die ansonsten vorgeben, für Menschenrechte und Völkerrecht einzutreten, gab es nicht. Vielmehr ließ man Israel freie Hand beim Zurückschlagen, um die furchtbaren Massaker der Hamas mit noch größeren Massakern zu beantworten.

 

Perfid war auch, dass dem überall von Zäunen eingeschlossene Gazastreifen Wasser-, Lebensmittel- und Stromversorgung abgeklemmt wurde, was notwendig zu einer humanitären Katastrophe für die mehr als zwei Millionen Einwohner führen wird. Zudem verhinderte Israel humanitäre Hilfe aus Ägypten, indem der Rafah-Grenzübergang mehrmals bombardiert wurde. Die Menschen sitzen dann auch im Süden in einer Mausefalle fest. Für die Hamas ist das Vorgehen Israels eine richtige Vorlage, um den Widerstand und die brutalen Angriffe zu rechtfertigen. Sowohl Israel als auch die Hamas nehmen die Bevölkerung als Geisel für ihre Zwecke.

 

In Gaza-Stadt befindet sich auch das Al Awda-Krankenhaus, das von den Ärzten ohne Grenze (MSF) betrieben wird. Die Bombardierungen haben Tausende von Verletzten mit sich gebracht, da die Bomben keineswegs nur militärische Ziele treffen, sondern auch Wohnhäuser und auch Krankenhäuser. „Zwei der von Ärzte ohne Grenzen unterstützten Einrichtungen, das al-Awda-Krankenhaus und das Indonesische Krankenhaus, wurden durch Luftangriffe getroffen. Die Klinik, die Ärzte ohne Grenzen selbst betreibt, wurde am Montag bei einer Explosion beschädigt“, so MSF.

 

Auch das Al Awda-Krankenhaus sollte auf Drohung von Israel mitsamt den Patienten in aller Eile geräumt werden. „Der Gazastreifen wird dem Erdboden gleichgemacht, Tausende von Menschen sterben, das muss jetzt aufhören. Wir verurteilen die Forderung Israels auf das Schärfste“, sagte Meinie Nicolai, Generaldirektorin von Ärzte ohne Grenzen, am Freitag nach dem Ultimatum Israels.

 

Und weiter:

 

„Israels 24-Stunden-Ankündigung, dass die Menschen im nördlichen Gazastreifen ihr Land, ihre Häuser und ihre Krankenhäuser verlassen müssen, ist ungeheuerlich – dies ist ein Angriff auf die medizinische Versorgung und auf die Menschlichkeit. Wir haben immer wieder eine entmenschlichende Sprache erlebt, und diese Gewalt ist ein Ausdruck davon.“

Es ist unmenschlich zu verlangen, dass in kurzer Zeit Schwerverletzte verlegt werden und Operationen unterbrochen werden sollen. Zudem kommen wegen der Bombardierungen laufend neue Patienten in die Krankenhäuser.

 

Offenbar hat das israelische Militär zunächst zugestimmt, dass die Räumung des Krankenhauses zwei Stunden verlängert, um dann einzuräumen, dass sie bis 6 Uhr in der Früh am Samstag erfolgen müsse. MSF kritisiert: „Wir verurteilen diese Aktion, das anhaltende wahllose Blutvergießen und die Angriffe auf die Gesundheitsversorgung im Gazastreifen unmissverständlich.“

 

Aber Israel ist in Eile, möglichst schnell Hamas auszuschalten und zumindest den Norden des Gazastreifens in Schutt und Asche zu legen, bevor sich auch die westlichen Staaten von den Kriegsverbrechen distanzieren, die auch wegen der zuvor von Hamas begangenen Gräueltaten nicht gerechtfertigt werden können. Bislang sollen 1900 Bewohner der Gazastreifens getötet und fast 8000 verletzt worden sein, darunter 614 Kinder und 370 Frauen.

 

Vor ihrer Reise nach Israel sagte Außenministerin Baerbock: „Die Hamas bringt nichts als Leid und Tod über die Menschen – in Israel und in Gaza. Es ist Hamas perfide Strategie, die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde zum missbrauchen. Das Drehbuch des Terrors darf nicht greifen. Zivilistinnen und Zivilisten brauchen sichere Räume, in denen sie Schutz finden und mit dem Notwendigsten versorgt werden können.“

 

Aber jetzt ist es nicht mehr Hamas, jetzt ist es das israelische Militär, das den Terror gegen Zivilisten fortsetzt.

 

Natürlich ist Deutschland besonders dazu aufgerufen, für Israel und den Schutz der Juden einzutreten, aber eigentlich auch dafür, solche Verbrechen, die das Nazi-Deutschland begangen hat, zu verhindern. Es wäre Pflicht, Israel gegen Hamas zu unterstützen, aber Druck auf die israelische Regierung auszuüben, das Kriegsrecht einzuhalten – schon allein mit Blick darauf, dass Berlin eben die Begehung von Kriegsverbrechen Russland vorwirft, weswegen man dann nicht selbst die Augen verschließen kann, wenn es schwierig wird und die eigenen Interessen betroffen sind.

 

Baerbock ist natürlich in einer misslichen Lage, weil sie einen Doppelsprech meint pflegen zu müssen. Aber ein bisschen mehr Mut für eine „moralische Außenpolitik“ hätte man schon erwarten können. „In diesen schrecklichen Tagen stehen wir an Ihrer Seite und fühlen mit Ihnen. In diesen Tagen sind wir alle Israelis“, sagte sie in Israel, was implizit auch heißt, dass das Vorgehen Israels im Gazastreifen von ihr und der Bundesregierung gedeckt wird. Die Tagesschau berichtet ohne jede Distanz:

 

„Mit Blick auf Israels Gegenoffensive nach dem Angriff der Hamas vom vergangenen Samstag sagte Baerbock: ‚Israel hat das Recht – nein, die Pflicht, seine Staatsangehörigen zu befreien.‘“ Befreit man die Staatsangehörigen durch massive Bombardierung der Zivilbevölkerung und das Begehen von Kriegsverbrechen?

 

Update: Das israelische Militär fordert nun die Menschen im Nordteil des Gazastreifens auf, diesen zwischen 10 und 16 Uhr auf Korridoren zu verlassen. Man fragt sich, was dann geschieht, wenn 2 Millionen Menschen im Süden massiert sind. IDF kann dann zwar ohne Rücksicht auf verbliebene Zivilisten, da man sie ja gewarnt hat, Gaza-Stadt mitsamt den Tunnels zerstören, aber Hamas wird dann auch in den Süden abziehen. Das Blutbad würde nur noch schlimmer werden.

 

Ägypten will Flüchtlinge aus dem Gazastreifen nicht ins Land lassen, fordert Israel aber auf, humanitäre Hilfe zuzulassen. Das lehnt Israel bislang auch ab. Offenbar sind Verhandlungen im Gange, wenigstens Ausländer aus dem Gazastreifen ausreisen zu lassen.”