Wer darf Gorman übersetzen? : Es geht vor allem um Machtpolitik
LINKE TALIBAN / WOKO-HARAM
MESOPOTAMIA NEWS POESIE & PROSA : DIE ANTI-RASSISMUS RASSISMUS WILL DIE MACHT ERGREIFEN !
- Von Wolfgang Matz – FAZ – 10.03.2021–In der Debatte um die Übersetzung von Amanda Gormans Gedichten geht es nicht um die angemessene Vermittlung von Poesie. Es geht um Marktwert und die Inbesitzname von Kunst. Ein Gastbeitrag.
 
Soll man ernsthaft eingehen auf die Auseinandersetzung um Amanda Gormans Gedicht? Soll man ernsthaft mitdiskutieren, ob ein Künstler nur nach Überprüfung der Herkunft akzeptabel ist? Oder hat nicht die Verbotsfraktion bereits gewonnen, wenn man beginnt, ein Für und Wider abzuwägen? Tobias Dörings lesenswerter Beitrag dazu hat ein Manko: Er setzt voraus, es gehe um Fragen der Übersetzung und ihrer Poetik. Es geht aber um etwas völlig anderes: um Macht und um die Kunst. Es geht um moralisch verkleidete Machtansprüche und um die modische Anpassungsbereitschaft, mit der immer mehr Institutionen – Verlage, Kritiker, Veranstalter, Presse – diesen nachgeben. Und damit geht es um Kunst überhaupt. Amanda Gorman schreibt Poesie, also Kunst. Übersetzung von Poesie (sofern nicht auf interlineare Inhaltsangabe beschränkt) ist Teil der Poesie, also ebenfalls Kunst. Der Versuch, sie an irgendwelche ethnische Kriterien zu knüpfen, trifft also mitnichten nur die Übersetzung, sondern natürlich die Poesie, ja die Kunst als Ganzes.
Die Erinnerung zeigt eine Verlagskonferenz Ende des vorigen Jahrhunderts; es geht um einen Klassiker des neunzehnten Jahrhunderts, der Autor ein zünftiger großer weißer Mann mit Bart, die Übersetzerin sucht einen Verlag für ihr Projekt. Müsse, sagt ein kleiner weißer Mann ohne Bart, müsse das nicht eigentlich doch ein Mann übersetzen? Ja, sagt eine Kollegin, da ist womöglich was dran… Der Einwand verrinnt dann irgendwo im Sande, denn trotz intensiver Suche findet niemand ein Argument, das mehr ist als pures Ressentiment. Ein paar Jahre später, es geht um eine schwarze Amerikanerin, soll die Übersetzerin unbedingt eine Frau sein, wobei es dann auch bleibt. Ob das heute noch reichen würde?
Suchen wir nicht in den Niederlanden, sondern bei Gormans deutschem Verlag, der lut dem Kritiker Christian Metz „sehr wohl überlegt hat, wie der Diskurs, der in diesem Gedicht eröffnet worden ist, übertragbar ist”. Die Homepage von Hoffmann und Campe zeigt unter dem Stichwort „Gedichte” zwölf Bücher, Anthologien, darunter ein berühmter Lyriker (Bob Dylan) und zwei heute womöglich unbekannte (Heinrich Heine, Walter Helmut Fritz). Das Interesse beruht offenkundig nicht auf poetischer Kompetenz, sondern auf Gormans Marktwert. Als Übersetzerinnen werden genannt Kübra Gümüsay, Hadija Haruna-Oelker und Uda Sträfling; zwei davon laut allen zugänglichen Informationen ohne jegliche Erfahrung mit Poesie und deren Übersetzung; die dritte, eine routinierte Fachfrau, offenbar engagiert, um das Schlimmste zu verhindern.
Was aber begründet das Engagement der ersten beiden? Die Frage stellt sich besonders bei Kübra Gümüsay, die als weiße Deutschtürkin in keiner erkennbaren Verbindung steht zu einer schwarzen Amerikanerin.
Außer man bildet eine imaginäre Diskriminierungsskala, auf der solche realen Eigenschaften völlig gleich sind, sofern man irgendwelche Pluspunkte im identitären System aufzuweisen vermag. Doch die Sache hat noch einen Haken. Amanda Gorman, die ihr Gedicht bedenkenlos zur Feier eines alten weißen Mannes vortrug, schreibt poetisch und politisch in der Tradition der liberalen, libertären Bürgerrechtsbewegung der Vereinigten Staaten.
Kübra Gümüsay hat ihre Sympathien für Erdogans AKP öffentlich zu Protokoll gegeben, in Kritiken von Ronya Othmann und Anna Prizkau ist das nachzulesen. Als Autorin Sympathisantin autoritärer Regime, beim Übersetzen Bürgerrechtlerin?
Macht nichts, solange das Ranking stimmt..
Es geht um Machtpolitik. Ginge es tatsächlich um Übersetzung von Poesie, dann würde man aus alldem noch etwas ganz anderes herauslesen, nämlich die auch nicht gerade diskriminierungsfreie Botschaft:
Für Poesie und ihre Übersetzung muss man gar nichts können, nichts lernen, braucht keine Ausbildung, keine Erfahrung, nichts. Lyrik? Man versteht eh kein Wort! Einarbeitung in ein Werk, in Traditionen, literarische Entwicklung, ersetzt durch den Ahnenpass! Womit ihr armen Hascherl Jahrzehnte euer Brot verdient, Fortbildungsseminare besucht, mit euren Lektoren schwitzt, das machen wir mit Talkshow-Prominentenbonus im Handumdrehen, und nicht wie ihr Armen um ein Appel-und-Ei-Seitenhonorar, selbst schuld!
Täuschen wir uns nicht, genau das ist die Botschaft: die Inbesitznahme von Poesie, ob übersetzt oder nicht, von Literatur und jedem künstlerischen Eigensinn. Wollen wir wirklich ernsthaft mitwirken beim Für und Wider der Kriterien?
Wolfgang Matz war langjähriger Lektor im Hanser Verlag und übersetzt aus dem Französischen.