MESOPOTAMIA NEWS : WUHAN 1 JAHR DANACH / Wie Frankreich China half das Labor für Biowaffen in Wuhan aufzubauen

29 April  2020 FAZ

Auf einem  Foto von der Eröffnung strahlt die Forscherin Shi Zhengli, inzwischen bekannt als „die Fledermausfrau”, in Schutzkleidung in die Kamera. Sie war an der Universität Montpellier im Jahr 2000 promoviert worden und in monatelangen Schulungen im Jean-Merieux Labor in Lyon in die strikten Sicherheitsauflagen der „P4″-Stufe eingewiesen worden. Doch aus der erhofften Gegenseitigkeit wurde nichts. Das Labor in Wuhan blieb für die französischen Forscher geschlossen. „Das ist wirklich schade, denn wir wollten unser Wissen teilen”, sagte die frühere Gesundheitsministerin Marisol Touraine jetzt im französischen Radio.

Der China-Fachmann Antoine Izambard ist der Ansicht, die Franzosen seien systematisch von der chinesischen Seite ausgebootet worden.

Das habe schon in der Bauphase begonnen, als plötzlich chinesische Firmen den Zuschlag bekamen und die französischen das Nachsehen hatten. Erklärungen habe es keine gegeben. „Peking war nur daran interessiert, über ein P4-Labor zu verfügen”, schreibt Izambard in seinem Buch „France — Chine: Les Liaisons dangereuses”.

Nur ein einziger Franzose, der Mikrobiologe Rene Courcol vom Universitätsklinikum in Lille, wurde seit der Eröffnung in den Hochsicherheitstrakt vorgelassen. Er sollte über die Einhaltung der Sicherheitsstandards wachen und zertifizieren, dass die Arbeitsabläufe den internationalen Regeln entsprechen. Noch hat das Institut nicht die Akkreditierung durch die Weltgesundheitsorganisation erhalten. Dafür kann die Fürsprache der französischen „Partnerorganisation”, des Institut Pasteur, hilfreich sein. Courcol hat bislang alle Presseanfragen ausgeschlagen.

 

Das chinesisch-französische Verhältnis gilt ohnehin als angespannt. Mitte April bestellte Außenminister Jean-Yves Le Drian den chinesischen Botschafter in Paris in den Quai d’Orsay ein, um seine „Missbilligung über einige kürzlich gemachte Äußerungen von Vertretern der chinesischen Botschaft in Frankreich deutlich zu machen.

 

 

In Lyon hatte Frankreich 1999 eines der größten P4-Labore eröffnet und galt neben den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Russland als führend bei sensiblen Forschungsprojekten zu hoch ansteckenden Krankheitserregern.

Die Idee, dem chinesischen Regime den Aufbau eines Labors der höchsten Sicherheitsstufe zu erlauben, war in Washington stets abgelehnt worden, zu groß galt das Risiko militärischen Miss-brauchs. Deshalb wandte sich der chinesische Präsident Jiang Zemin während der Sars-Epidemie hilfesuchend an den französischen Präsidenten Jacques Chirac. Den chinesischen Präsidenten hatte Chirac im Oktober 1999 sogar in sein privates Schloss in der Cortze eingeladen, ein Privileg.

 

Auch aus Washington wurde Chirac unter Druck gesetzt, einen derartigen Technologietransfer nicht zu genehmigen. Aber damals sonnte sich der Franzose im Ruhm seines ,Yetos” zum amerikanischen Irak-Krieg und dachte nicht daran, auf amerikanische Vorhaltungen Rücksicht zu nehmen. Premierminister Jean-Pierre Raffarin erlaubte 2004 den Export von vier mobilen Laboreinrichtungen der Sicherheitsstufe P3 an China, zum Arger des eigenen Verteidigungsministeriums. In einer vertraulichen Notiz wurde der Regierungschef gewarnt, dass alle P3-Forschungslabors in China direkt der Armeeführung unterstellt seien. Raffarin aber betrieb mit dem Selbstverständnis des Brückenbauers weiterhin Lobbyarbeit für die Chinesen, so beschreibt es Izambard in seinem Buch. Raffarin unterhielt enge Kontakte zu Jiangs Nachfolger Hu Jintao.

 

Zur Hilfe kam ihm dabei der Industrielle Alain Morieux, dessen Firma Bio

Morrieux Reagenzien, Geräte, Software und Dienstleistungen im medizinischen Bereich vermarktet. Dabei gab es etliche Warnzeichen, wie fahrlässig das chinesische Regime mit den Sicherheitsregeln umging. China-Fachmann Izambard zitiert einen hohen Beamten, der sich darüber beklagt, dass die chinesischen Baufirmen zu niedrigeren Preisen bauten und minderwertige Materialien benutzten. „Der Transfer von hoch ansteckenden Materialien innerhalb des Labors wurde nicht genügend abgesichert”, schreibt Izambard. Die französische Firma Technip, die den mit dem P4-Institut in Lyon identischen Bau in Wuhan zertifizieren sollte, zog sich zurück und verweigerte die Abnahme aus rechtlichen Bedenken.

Im Institut Pasteur zeigten sich For-scher bei Besuchen in anderen Laborein-richtungen in Wuhan „entsetzt” über den nachlässigen Umgang mit kontaminiertem Forschungsmaterial. Als Saudi-Arabien nach der Epidemie 2012 in Paris eine nach dem chinesischen „Vorbild” angelegte Forschungspartnerschaft mit einem P4-Labor in Saudi-Arabien anregte, gab es vehementen Widerstand. Präsident Hollande lehnte die Offerte aus Riad ab, setzte sich jedoch dafür ein, das chinesische Laborprojekt zu Ende zu bringen. Wuhan gilt als „französischste aller chinesischen Städte”, mehr als 100 Unternehmen vom Kosmetikunternehmen L’Oreal über den Pastishersteller Pernod-Ricard bis zum Autobauer Peugeot unterhalten dort Produktionsstätten. 2016 nahm der französische Botschafter in China, Maurice Gourdault-Montagne, Shi Zhengli und Yuan Zhiming vom Institute of Virology für ihre Verdienste für die chinesisch-französische Forschungskooperation in die Ehrenlegion auf.

 

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