MESOPOTAMIA NEWS : EU KLIMAPOLITIK – DAS ERGIBT NUR VON DER LEYHENS NEUE BERATER !

Ursula von der Leyen, die Frau im Mond: In der Klimapolitik jagt die EU einer Schimäre hinterher

Die EU-Kommission glaubt, mit Zentralismus und Dirigismus die Energiewende erzwingen zu können. Das ist ein Irrweg, der Europa teuer zu stehen kommen kann. Die EU prescht vor – doch China und die USA profitieren davon. Gegen Ursula von der Leyens teuren Green Deal nimmt sich die deutsche Wiedervereinigung wie ein Schnäppchen aus.

18 Jan 2020 – Eric Gujer, Chefredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung»

Ursula von der Leyen setzt in Brüssel um, was sie in Berlin gelernt hat. Denken die deutschen Regierungsparteien über Wirtschaft nach, fallen ihnen Massnahmen ein, wie sie den Einfluss des Staates ausbauen können. So will Wirtschaftsminister Peter Altmaier europäische Grosskonzerne fördern und zugleich ausländische Direktinvestitionen schärfer kontrollieren.

Finanzminister Olaf Scholz liebäugelt mit einer globalen Digitalsteuer, und dann ist da noch die neue Wundertüte der SPD: Die Vorsitzende Saskia Esken kann dem Sozialismus positive Seiten abgewinnen und verwirrt Freund und Feind mit ihren Interviews.

Da will die Präsidentin der EU-Kommission nicht zurückstehen. Ihr New Green Deal ist ein gewaltiges Programm für Investitionen, Subventionen und neue Gesetze. Allein 260 Milliarden Euro soll es pro Jahr kosten, die Ziele bis 2030 zu erreichen – insgesamt 2,6 Billionen. In einer ersten Runde will Brüssel 1 Billion Euro ausgeben. Die Wiedervereinigung nimmt sich dagegen wie ein Schnäppchen aus.

Die CO2-Emissionen sollen in dieser ersten Etappe nicht, wie bisher geplant, um 40 Prozent, sondern um 50 bis 55 Prozent sinken. Im nächsten Schritt soll Europa dann bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden.

Ein Fest für Bürokraten

Das alles ist sehr ambitioniert, und hinter vorgehaltener Hand äussert so mancher Politiker und Spitzenbeamte seine Zweifel, ob sich die Ziele erreichen lassen. So erscheint der Green Deal auch als eine Ausrede für Bürokraten, endlich das tun zu dürfen, was bisher verpönt war. Denn der Klimaplan lässt sich nur mit viel Interventionismus verwirklichen.

Vielleicht gelingt es Europa tatsächlich, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu werden. Es dürfte auf lange Zeit der einzige bleiben. So ist der Kohleverbrauch zwar in Europa in den letzten zehn Jahren um 2,5 Prozent zurückgegangen. In Asien aber nahm die Nutzung des schmutzigen Energieträgers markant zu: in China um 2,6, in Indien um 5,4 und in Südostasien um 7,8 Prozent.

Dies bedeutet eine Wettbewerbsverzerrung. In China oder den USA können zumal energieintensive Produkte günstiger hergestellt werden, weil die Klimaziele mit grosser Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht so weitgehend formuliert werden wie in Europa. Um das auszugleichen, erwägt Brüssel einen Zoll auf weniger umweltfreundlich erzeugte Waren.

Die Idee ist nicht nur das, was Europa dem amerikanischen Präsidenten Trump am liebsten vorwirft: beinharten Protektionismus. Sie ist vor allem kompliziert. Für jede Komponente eines iPhone muss dann berechnet werden, wie viel CO2 deren Herstellung erfordert. Elektronikgeräte werden aber in unterschiedlichen Weltgegenden gefertigt – und überall ist die Klimabilanz eine andere. Manche Teile stammen aus den USA, andere aus Europa, zusammengesetzt werden sie in China.

Hier einen angemessenen Zoll festzulegen, erscheint nahezu unmöglich und ist auf jeden Fall mit immensem Aufwand verbunden. Vor allem werden weder Washington noch Peking dem tatenlos zuschauen, sondern sie werden selbst Strafzölle verhängen. Die deutsche Autoindustrie zittert seit langem vor Trumps Protektionismus-Keule.

Asien teilt Europas Klimaschutz-Euphorie nicht

Das Grunddilemma lässt sich ohnehin nicht aus der Welt schaffen. In Europa ist eine regelrechte Klimaschutz-Euphorie ausgebrochen. Das Europaparlament ruft den Notstand aus, von der Leyen bezeichnet den Green Deal als «Mann-auf-dem-Mond-Moment». Diese Stimmung wird aber in dieser Bedingungslosigkeit nirgends sonst geteilt. Inder und Chinesen pochen darauf, dass es für sie genauso wichtig ist, erst einmal wirtschaftlich mit den entwickelten Ländern gleichzuziehen.

Der Klima-Zoll ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Kommt er nicht, muss sich die EU fragen, ob sie Wettbewerbsnachteile in Kauf nimmt. In solchen Debatten, in denen Idealismus auf Interessen prallt, pflegten deutsche Politiker früher, dem Realismus den Vorzug zu geben.

Das ist vorbei, wie von der Leyens Kommission zeigt. Ihr Green Deal wirkt in seiner Regulierungswut, in seiner grandiosen Geste dogmatisch und stur, auch in dem ungebrochenen Vertrauen in die Gestaltungsmacht der Brüsseler Zentrale. Dabei hat die Flüchtlingskrise klargemacht, wie tief Europa gespalten ist. Deutsche, Polen und Ungarn konnten sich nicht auf verbindliche Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten verständigen, inzwischen ist das ganze Verteilungssystem klinisch tot.

Warum soll die EU einen Alleingang wagen?

Beim Klimaschutz sind die Gräben ebenfalls tief. Deutsche und Franzosen streiten, ob die Atomkraft eine grüne Technologie ist. Die Polen bestehen auf Ausnahmeregeln für ihre Kohlekraftwerke. Energie ist eine Überlebensfrage für jede Industrienation, und deshalb werden sich die Nationalstaaten hier die Entscheidungsgewalt ebenso wenig aus der Hand nehmen lassen wie bei der Migration.

Ob der Green Deal eine Erfolgschance hat, entscheidet sich also nicht in Brüssel, sondern in Paris, Berlin und den 25 anderen Hauptstädten der EU. Die jüngste Vergangenheit hat uns aber gelehrt, wie schwer sich die EU-Staaten inzwischen tun, tragfähige Kompromisse zu finden.

Vor allem aber hält der Plan von der Leyens in zwei Bereichen wenig überzeugende Antworten bereit. Erstens: Inwieweit soll ein einzelner Akteur, und sei es ein wirtschaftlich derart potenter wie die EU, eine Vorbildrolle übernehmen und den Alleingang wagen?

Europa allein kann die Erderwärmung nicht begrenzen. Dafür sind der Energiehunger Asiens und das Bevölkerungswachstum Afrikas viel zu gross. Das Argument, die reiche EU habe die moralische Verpflichtung zu einer Pionierfunktion, überzeugt nicht.

Wenn die anderen Player wie China oder Indien nicht mitziehen, verpufft jeder Impuls höchster Moral. Einer Schimäre hinterherzujagen, ist noch keine Politik. In der Vergangenheit hätte deutsche Europapolitik diesen Realitäts-Check noch gemacht. Mit von der Leyen obsiegt der Moralismus über den Pragmatismus – wie am Kabinettstisch in Berlin auch.

Die Wirtschaft ist weiter als die Politik

Zweitens: Wie viel Staat und wie viel Markt sind erforderlich, um den evidenten, menschengemachten Temperaturanstieg zu begrenzen? Die Kommissionspräsidentin setzt vor allem auf Dirigismus: öffentliche Investitionen, Zölle und Vorschriften.

Dabei trägt die Privatwirtschaft schon heute viel mehr zu einer wirksamen Klimapolitik bei, als den meisten Menschen bewusst ist. Ich hatte diese Woche die Gelegenheit, mit den Chefs und Chefinnen der wichtigsten Schweizer Unternehmen über Klimapolitik zu diskutieren. Das Ergebnis war erstaunlich.

Nicht wenige der Firmen haben sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2050 auf null zu reduzieren, und sie übernehmen dabei sogar Verantwortung für ihre Zulieferer, auch in Asien. Zugleich entwickeln sie Technologien, die den Konsumenten helfen, den Energieverbrauch im Verkehr und in Gebäuden zu verringern.

Grosse Finanzinvestoren verlangen von den Aktiengesellschaften, bei denen sie Kapital angelegt haben, eine ökologisch schonende Geschäftstätigkeit. Nächste Woche findet das Weltwirtschaftsforum in Davos statt. Rechtzeitig davor schrieb Larry Fink, der Gründer des weltweit grössten Vermögensverwalters, Blackrock, den Konzernen einen Brief. Fink und seine Firma sind das, was man in Deutschland gemeinhin «Heuschrecken» nennt. Aber diese «Heuschrecke» betont in dem Schreiben, welchen Stellenwert heute Nachhaltigkeit habe. Greenwashing, also ein grünes Mäntelchen für dreckige Geschäfte, gehört zunehmend der Vergangenheit an.

Die Privatwirtschaft ist bei der Bekämpfung der Erderwärmung schon weiter als die Politik. Aber Brüssels Bürokraten massen sich an, besser als der Markt zu wissen, wo die Mittel für den Klimaschutz am effizientesten investiert werden sollen. Statt den Erfindungsreichtum des dezentral organisierten Europa zu nutzen, propagieren sie Zentralismus. Warum schmiedet die EU-Kommission nicht eine Klima-Allianz mit den europäischen Unternehmen?

Schliesslich bietet der Emissionshandel ein machtvolles Instrument, um Emissionen mit marktwirtschaftlichen Instrumenten zu begrenzen. Wenn CO2 einen spürbaren Preis hat, dann hat der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für alle auch einen Wert. Alle wissen, dass Freiwilligkeit allein nicht genügt. Es braucht eine finanzielle Lenkungswirkung – aber eine ordnungspolitisch vernünftige.

Kapitalismus ist die Lösung, nicht das Problem

Teile der «Fridays for Future»-Bewegung sehen im Kapitalismus einen Gegner. Dabei ist er das einzige bekannte Wirtschaftssystem, das den Schutz der Umwelt gewährleisten kann. Kapitalismus lebt davon, Kapital zu erhalten und zu mehren – finanzielles, physisches, aber eben auch natürliches. Notwendig ist allerdings ein angemessener Preis. Hier ist die Politik gefordert, denn sie muss die Rahmenbedingungen für den Emissionshandel definieren.

Angela Merkel hat sich im Lauf ihrer Kanzlerschaft der Wirtschaft entfremdet. Offenkundig kann auch von der Leyen mit liberalen Ansätzen wenig anfangen. Sie gilt in Deutschland als ein Geschöpf des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der sie zur Kommissionspräsidentin gemacht habe. Dabei vertritt niemand in Brüssel so überzeugt den Regulierungseifer, der in Berlin im Schwange ist.

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