Sinn und Unsinn von E-Autos : Gehen wir der Sache auf den Grund!

MESOPOTAMIA NEWS : WEDER GRETA NOCH DIE GRÜNEN INTERESSIERT, UNTER WELCH MÖRDERISCHEN BEDINGUNGEN DURCH KINDERARBEIT LITHIUM & KOBALT ABGEBAUT WERDEN

Von Holger Appel und Lukas Weber  – FAZ  23 April 2019 – Wie umweltfreundlich sind E-Autos wirklich? Zwei Professoren stellen die EU-Gesetzgebung in Frage – und bringen Tesla in Rage. Die Frage, wer recht hat, ist nicht einfach zu beantworten. Ein Faktencheck.

Politik lebt vom Wettstreit der Meinungen. Die kann man zwar auch ohne Kenntnis der Fakten bilden, intelligente Menschen vertrauen indessen lieber auf die Expertise von Fachleuten, weil auch der Klügste nicht alles wissen kann. Davon leben Scharen von Gutachtern, die zu ungezählten Themen wissenschaftliche Beiträge beisteuern.Was veröffentlicht wird, ist freilich nicht immer erhellend, weil unterschiedliche Autoren zu gegensätzlichen Ergebnissen kommen können, selbst wenn sie auf dieselben Datensätze zurückgreifen. Die Frage, wer recht hat, ist oft nicht zu beantworten – alle oder keiner, denn in einer komplexen Materie arbeitet der Wissenschaftler mit Vereinfachungen. Die zugrundeliegenden Annahmen entscheiden dann über das Ergebnis.

Jüngstes Beispiel ist eine provokante These, mit der der Kölner Physikprofessor Christoph Buchal und der ehemalige Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sich gegen andere Studien stellen und seit dem Osterwochenende die Automobilbranche in Atem halten. Elektroautos entlasteten die deutsche Klimabilanz nur auf dem Papier, argumentieren die Wissenschaftler, in Wirklichkeit erhöhten sie den CO2-Ausstoß sogar.

Ein paar Fakten würden der Debatte guttun

Freunde des Elektroautos beschweren sich in Zuschriften an die F.A.Z., die Untersuchung sei unseriös, Kritiker desselben meinen, endlich sage jemand die Wahrheit. Die Pressestelle des Elektroautoherstellers Tesla sieht sich bemüßigt, die Parallele zu einem „gewissen Dr. Köhler und 100 Lungenärzten“ zu ziehen, die kürzlich auch eine Menge Wirbel verursacht hätten, nach ihrer Meinung letztlich ohne Substanz. Und jetzt Sinn und Konsorten. „Alles Fake News“, wettert Tesla. Und wieder zeigt sich: Die Frage, ob die Mobilität der Zukunft batterieelektrisch sein soll, entzweit die Gesellschaft und wird fast nur noch schwarz oder weiß geführt.

Versuchen wir, der Sache auf den Grund zu gehen. Buchal und Sinn behaupten, berücksichtige man den zur Herstellung der Batterien anfallenden CO2-Ausstoß und den deutschen Strommix, dass ein Elektroauto das Klima um 11 bis 28 Prozent mehr belaste als ein Diesel. Lithium, Kobalt und Mangan würden mit hohem Energieeinsatz und unter teils kritikwürdigen Bedingungen gewonnen und verarbeitet.

Eine Batterie, etwa für das neueste Modell 3 von Tesla, belaste das Klima mit 11 bis 15 Tonnen CO2. Bei einer Haltbarkeit des Akkus von zehn Jahren und einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern im Jahr bedeute allein das 73 bis 98 Gramm CO2 je Kilometer. Hinzu kämen die CO2-Emissionen des Stroms. In Wirklichkeit stoße der Tesla zwischen 156 und 181 Gramm CO2 je Kilometer aus und damit deutlich mehr als ein vergleichbarer Diesel, zum Beispiel von Mercedes-Benz.

Sind zukünftige Vorgaben überhaupt erreichbar?

Die Studienautoren folgern, dass die europäische Politik, die Elektroautos als Null-Emission-Autos einstufe, eine Täuschung sei. Der von dem Jahr 2030 an für Neuwagen vorgeschriebene CO2-Grenzwert von ungefähr 59 Gramm je Kilometer entspreche einem Verbrauch von 2,2 Liter Diesel oder 2,6 Liter Benzin je 100 Kilometer und sei „ingenieurtechnisch unrealistisch“. Deshalb müssten die Autohersteller den Großteil ihrer Fahrzeuge künftig als Elektroautos verkaufen. Für das Klima aber sei das kontraproduktiv.

Kritik entzündet sich nun an der Auswahl der Vergleichsfahrzeuge, worüber sich trefflich, aber ergebnislos streiten lässt. Außerdem greife der reine Blick auf die CO2-Bilanz zu kurz, alle Emissionen seien zu berücksichtigen – dabei war einzig der Klimaeffekt Gegenstand der Studie. Vor allem aber sind es zwei zentrale Annahmen, die der Berechnung zugrunde liegen und die von den Gegnern angegriffen werden.

 

Lithium : Weißes Gold der E-Mobilität

Zum einen der Verbrauch der beiden als Muster herangezogenen Fahrzeuge, hier wird die gerade auslaufende NEFZ-Norm zugrunde gelegt, für den Tesla lägen keine Werte nach dem realistischeren WLTP vor, schreiben die Autoren. Und zum anderen die Lebensdauer des im Elektroauto verbauten Akkus. Für die Einschätzung des tatsächlichen Verbrauchs hilft ein Blick in die Praxis; er liegt stets über den nach Norm ermittelten Werten. Dass dadurch der Diesel schöngerechnet werde, weil die Abweichung höher sei als die des Elektroautos, wie Kritiker meinen, bestätigen die Daten nicht.

Die Redaktion Technik und Motor von FAZ.NET hat beide in Rede stehenden Modelle kürzlich getestet. Für das Tesla Modell 3 in der Performance-Version ist ein Normverbrauch von 15,0 kWh angegeben. Der Testverbrauch lag zwischen 20,1 und 30,4 kWh, im Durchschnitt benötigte er 24,6 kWh auf 100 Kilometer. Die Abweichung zwischen Norm- und Realverbrauch beträgt mithin 64 Prozent.

Zu bedenken ist zudem, dass der Verbrauch des Tesla, wie der eines jeden Elektroautos, ab einer Geschwindigkeit von rund 120 km/h drastisch steigt. Autobahnfahrten mit höherer Geschwindigkeit sind also tabu, will man sparsam unterwegs sein oder weit kommen. Der Messzyklus mit ständigem Beschleunigen und Abbremsen bei relativ niedrigen Geschwindigkeiten komme eher dem Elektroauto zugute, schreiben deshalb die Autoren der Studie.

Der Tesla bietet andererseits dank seiner enormen Leistung atemraubende Beschleunigungswerte, die dem Mercedes mit Diesel eindeutig überlegen sind. Der C 220 d war als Cabriolet zu Gast in unserer Testredaktion, die Werte der geschlossenen Variante werden kaum signifikant abweichen. Mercedes-Benz weist einen NEFZ-Normverbrauch von 4,5 Litern Diesel aus, der entspricht 117 g/km CO2.

Tatsächlich ermittelten wir eine Spanne von 5,2 bis 7,4 Litern und einen Durchschnitt von 6,9 Litern Diesel auf 100 Kilometer. Die Abweichung von Norm- zu Realverbrauch liegt also in der gleichen Größenordnung wie beim Tesla. Wobei festzuhalten ist, dass sich der Vorteil mit zunehmendem Autobahnanteil zugunsten des Diesels verschiebt, während das Elektroauto seine größten Vorteile in der Stadt ausspielen kann – und dort außerdem lokal emissionsfrei fährt. Es kommt also auf die tatsächliche Nutzung an.

Batterien können an Kapazität einbüßen

Eine große Unbekannte ist die angenommene Lebensdauer der aufwendig produzierten Batterie. Es gibt keine belastbaren Erfahrungswerte, allenfalls Anhaltspunkte aus Laborversuchen mit Hochrechnungen. Ein Beispiel aus dem Alltag, ohne den Anspruch auf wissenschaftliche Haltbarkeit: Gerade schrieb ein von BMW enttäuschter Leser der Redaktion Technik und Motor, sein elektrischer i3 habe nach vier Jahren und 90.000 Kilometern Laufleistung nur noch eine Batteriekapazität von 16,6 kWh.

Das habe er mit einem Trick aus dem Bordcomputer ausgelesen. Ursprünglich waren der Herstellerangabe zufolge 22,0 kWh brutto vorhanden und davon 18,8 kWh nutzbar. Ob die 16,6 kWh der Brutto- oder Nettowert sind, war zunächst nicht in Erfahrung zu bringen. Im günstigen Fall hat der Akku also 12 Prozent, im schlechteren Fall 25 Prozent seiner Kapazität eingebüßt.

Gleichwohl ist aber der Einwand berechtigt, die Wissenschaftler Sinn und Buchal vernachlässigten, dass die Lithium-Batterien nach ihrem Einsatz im Elektroauto noch stationär genutzt werden können, etwa als Puffer für Solaranlagen, und dass am Ende der Lebensdauer wertvolle Inhaltsstoffe wiederverwertet werden können.

Ohnehin lohnt ein Blick darauf, was in der Studie alles nicht berücksichtigt ist und wohl auch nicht werden konnte. Weniger Produktionsaufwand für die Antriebskomponenten und geringerer Wartungsbedarf zugunsten des Elektroautos, aber auch einige Punkte, die seine Bilanz verschlechtern: Ständige Temperierung der Akkus, Heizung je nach Witterung, Ladungsverluste und Verluste im Leitungsnetz, deren Höhe von vielen Faktoren abhängt, und der Aufwand für den geplanten Aufbau der Ladestationen – die Tankstellen für Diesel, Benzin und Gas stehen schon, wie will man das sinnvoll vergleichen?

Schließlich hängen die Emissionswerte entscheidend von der Art der Stromproduktion ab, also vom künftigen Energiemix. Das Ganze müsste verglichen werden mit der kompletten Umweltbilanz des Verbrennungsmotors mit ebenfalls unübersichtlich vielen Variablen. Aussagen, das Elektroauto sei mehr oder weniger klimaschädlich als der Diesel, ohne zugleich auf die restriktiven Annahmen hinzuweisen, sind am Ende so seriös wie die Angabe von Toten durch einen Luftschadstoff, ohne zu erwähnen, um wie viel kürzer die Lebenserwartung ist.

Hersteller sind an aktuelle Gesetze gebunden

Angesichts der Unwägbarkeiten kann man fast verstehen, dass der Gesetzgeber es sich viel einfacher macht. Denn wie auch immer sich die Debatte entwickelt, für die heute zu treffenden Entscheidungen in der Autoindustrie ist das gleichgültig, weil sich die EU-Richtlinie, wonach die CO2-Emissionen zwischen den Jahren 2021 und 2030 um 37,5 Prozent gesenkt werden müssen, nur auf den Ausstoß des Autos selbst bezieht.

Die Berechnung „Quelle bis zur Verschrottung“ spielt für die Zulassung und eventuelle Strafzahlungen der Hersteller keine Rolle. Man kann das für falsch halten, was der Ökonom Sinn offenbar tut. Das freilich nutzt der Industrie wenig. Da Autos einen Entwicklungsvorlauf von vielen Jahren haben, muss sie sich jetzt an dieser Gesetzgebung ausrichten. Mit normalem Fortschritt an Diesel- und Benzinmotoren ist die geforderte Reduktion – darüber herrscht ausnahmsweise mal weitgehend Einigkeit – nicht zu schaffen. Das ist einer der Hauptgründe, warum VW-Chef Herbert Diess so deutlich das Elektroauto propagiert.

Die Vorstände anderer Marken sind weniger eingleisig. Sie denken auch in Alternativen, etwa E-Fuels oder die Brennstoffzelle, und fordern von der Politik die Beibehaltung von Technologieoffenheit. Für den Schwerverkehr ohnehin und wohl auch für Langstreckenfahrten führt am Diesel jedenfalls auf mittlere Sicht kein Weg vorbei.

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