Woher die Waffen in Syrien kommen

FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND 12.10.2012 – Die Freundschaft zwischen Russland und Syrien ist ein Erbe aus der Sowjetzeit, für Moskau militärisch aber zukunftsweisend. Sollte das Regime von Baschar al-Assad stürzen, hätte Russland keinen Partner mehr in Nahost. So liegt im Mittelmeerhafen Tartus demonstrativ der Flugzeugträger Admiral Kusnezow: ein Platzhalter in der letzten russischen Militärbasis außerhalb der GUS.

Leidtragende

Außenminister Sergej Lawrow betont stets, die Rüstungshandelsagentur Ros-oboronexport handle im Rahmen der Uno-Richtlinien. Doch hat Russland im Sicherheitsrat alle Versuche blockiert, ein Uno-Waffenembargo gegen Assad zu verhängen. So ist Syrien der siebtgrößte Kunde, Russland wiederum mit Abstand größter Lieferant von Kampfflugzeugen, Raketensystemen, Mörsergranaten und Landminen. Russische Waffenschmieden decken 78 Prozent des syrischen Bedarfs an konventionellem Gerät, fand das Friedensforschungsinstitut Sipri heraus.

Die Moskau zugeordneten Waffenlieferungen erreichten allein von 2007 bis 2010 den Wert von 1,2 Mrd. Dollar – das Vierfache der chinesischen Lieferungen an Syrien. Bereits abgeschlossene Rüstungsverträge, oder solche die kurz davor stehen, schätzt das russische Zentrum für Weltwaffenhandel Zamto auf bis zu 4 Mrd. Dollar. Der stete Geldstrom sichert der Armee auch Munition, Kampfhubschrauber und Trainingsflugzeuge. Offiziell verzichtet Moskau immerhin auf die schon vereinbarte Lieferung von S-300-Raketen, die Anfang 2013 beginnen und gut 100 Mio. Dollar einbringen sollte. Es sind die modernsten russischen Luftabwehrsysteme, die exportiert werden. Ob Moskau die Ankündigung einhält, wird von Experten im Westen allerdings bezweifelt.

Neben Russland ist Iran der verlässlichste Waffenbruder Syriens. Exportschlager sind Raketen und Granaten. Anders als Russland verstößt das Land gegen Völkerrecht, denn das Waffenexportverbot gehört zu den Uno-Sanktionen gegen das Regime in Teheran. Dem Sicherheitsrat zufolge hat der Iran bezüglich Syrien mindestens zwei Mal dagegen verstoßen. Nach US-Angaben liefern die Iran er nahezu täglich Waffen, Material und Personal nach Syrien – meistens auf dem Luftweg über den Irak. Aus Verärgerung darüber drohte US-Senator John Kerry jüngst sogar, Irak die Hilfsgelder zu kürzen, wenn Bagdad das nicht unterbinde. Doch die Regierung ist in der Syrien-Frage gespalten. Sie hat eine starke Beziehung zu den USA, fühlt sich aber den Nachbarn Syrien und Iran eng verbunden. Vergangene Woche gab man widerwillig dem Drängen aus Washington nach und zwang ein iranisches Flugzeug zur Landung. Gefunden haben die unfreiwilligen Waffeninspekteure allerdings nichts.

Während Assads Schergen im Kampf gegen den Aufstand mit containerweise Nachschub rechnen können, dürften sich die von Rebellen ins Land geschmuggelte Ware in Paletten messen. Solange die Versorgung der syrischen Armee nicht abzuschneiden ist, haben westliche und arabische Länder begonnen, diskret die Kampfkraft der Freien Syrischen Armee (FSA) zu stärken. Offiziell gibt das nicht einmal die Regierung in Ankara zu. Aber Abgeordnete aus der Grenzprovinz Hatay erzählen, wie türkische Ambulanzfahrzeuge nicht nur Verletzte am Grenzzaun abholen, sondern – versteckt unter Decken und Bahren – Gewehre und Granaten auf die andere Seite schaffen.

Sicherheitsexperten ist klar, dass ein Teil der Waffen für die FSA über die 900 Kilometer lange Grenze zu Syrien gehen muss. Die FSA-Führung erhält logistische Hilfe in einem der Grenzlager. Waffen, so heißt es in Hatay, würden von professionellen Netzwerken geschmuggelt – wie Menschen, Medikamente und Lebensmittel auch. Der türkische Geheimdienst MIT soll gar selbst in Syrien Waffen und Munition von korrupten Soldaten ankaufen und an die Rebellen weitergeben.

Die USA sind da weit zurückhaltender. Die Furcht, schwere Waffen könnten in die Hände islamischer Extremisten in Syrien fallen, überwiegt. US-Präsident Barack Obama finanziert aber Kommunikationssgerät im Wert von 25 Mio. Dollar und hat Geheimdiensthilfe für die Rebellen autorisiert. Auch dies läuft Berichten zufolge über ein “Nervenzentrum”, das die Türkei mit Saudi-Arabien und Katar in Adana eingerichtet hat. Die Stadt etwa 100 Kilometer von der syrischen Grenze beherbergt auch den amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik.

Über die “größte Ladung an Boden-Luft-Raketen und Granatwerfern seit Beginn des Aufstands gegen Assad” im März 2011 berichtete im September die britische “Times”. Sie sei Teil einer 400 Tonnen-Fracht aus dem ehemaligen libyschen Waffenarsenal Muammar al-Gaddafis und könnte, so sagte Abu Muhammed von der FSA dem Blatt, im Kampf gegen das Regime “die Wende bringen, wenn sie richtig eingesetzt wird”.

http://www.ftd.de/politik/international/:buergerkrieg-woher-die-waffen-in-syrien-kommen/70103408.html