UNTERSUCHUNGSAUSSCHÜSSE GEGEN „VON DER LEYEN“ &   KORRUPTIONSVERFAHREN GEGEN „LAGARDE“

Von Manfred Schäfers, Berlin und Philip Plickert  – FAZ Wirtschaft – 03.07.2019-

„Fahrlässigkeit im Amt“

In Deutschland wurde auch kritisch an Lagardes Äußerungen in der Euro-Krise erinnert. Nach Ausbruch der Schuldenkrise war sie als Finanzministerin beteiligt am Schüren der Rettungskreditpakete für Griechenland, die Kritikern als Verstoß gegen das „No Bailout“-Gebot ansahen. Lagarde wurde 2010 zitiert mit den Worten „Wir haben alle Regeln gebrochen, weil wir die Eurozone retten wollten“. Der langjährige Ifo-Chef Hans-Werner Sinn sagte dazu: „Es wird nun eine EZB-Präsidenten vorgeschlagen, die offen bekundet hat, sei richtig gewesen, die Verträge zu brechen, um den Euro zu retten. Diese Einstellung erfüllt mich mit Sorge.“ Weidmann wäre der bessere Kandidat gewesen.

Im Bundestag war das Echo gespalten. „Ich habe Frau Lagarde bei den IWF-Tagungen als starke Persönlichkeit erlebt“ sagte der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach. „ An der Spitze der EZB erwarte ich von ihr, dass sie anders als Herr Draghi eine dringend nötige, konsequente Stabilitätspolitik vertritt, wie sie von Jens Weidmann zu erwarten gewesen wäre.“ Zugleich ließ er Skepsis durchblicken „angesichts der Bestrebungen von Frau Lagarde während der Staatsschuldenkrise, die Eurozone zu einer stärkeren Übernahme von Lasten der Problemstaaten bis hin zur Teilvergemeinschaftung der Schulden zu drängen“. Der Grünen-Politiker Danyal Bayaz lobte die Französin: „Auch als Juristin hat Christine Lagarde sich viel ökonomische Kompetenz erarbeitet. Sie ist anerkannt.“

Eher skeptisch zeigte sich FDP-Chef Christian Lindner: Dass Weidmann mit seinen ordnungspolitischen Überzeugungen nicht zum Zuge komme, sei bedauerlich. Der AfD-Abgeordnete Peter Boehringer sagte, mit Lagarde werde „der Bock zum Gärtner gemacht“, denn sie habe zugegeben, Verträge zu brechen, um den Euro zu erhalten.

Der Linken-Abgeordnete Fabio de Masi erinnerte daran, dass der französische Gerichtshof der Republik sie für den fahrlässigen Umgang mit öffentlichen Geldern gerügt habe. 2016 war sie im Zusammenhang mit der Zahlung von 400 Millionen Euro in den neunziger Jahren an den Geschäftsmann Bernard Tapie der „Fahrlässigkeit im Amt“ schuldig gesprochen worden, das Gericht verzichtete aber „angesichts ihrer internationalen Reputation“ auf eine Strafe.

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