THEO VAN GOGH WATCH: KUNST WIRD NICHT ZENSIERT – EGAL WAS SIE DARSTELLT! – L’art pour l’art!

Meron Mendel zur documenta: „Kunstfreiheit steht nicht im luftleeren Raum“ – Von: Lisa Berins HNA KASSEL  27.6.22

Herr Mendel, nachdem Sie auf die antisemitische Bildsprache im Werk „People’s Justice“ auf der documenta hingewiesen haben, steht die Ausstellung unter massiver Kritik. Wie erleben Sie die momentane Empörung?

Es passiert gerade alles Schlag auf Schlag, und es ist schwer, das in Echtzeit mitzuverfolgen. Die Tatsache, dass wir seit Sonntag vor einer Woche mit einem echten antisemitischen Kunstwerk auf der documenta in Kassel konfrontiert waren, bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass jeder Vorwurf, der seit Januar erhoben wurde, auch berechtigt und wahr ist. Wir müssen uns weiterhin jede Kritik genau anschauen und separat bewerten, sonst besteht die Gefahr einer Pauschalisierung, die leider gerade sehr in Mode ist. Wenn Sascha Lobo im „Spiegel“ von einer „Antisemita“ statt einer Documenta spricht, ist das eine Pauschalisierung, die keinem weiterhilft. Jetzt 1500 Künstlerinnen und Künstler als Antisemiten darzustellen, das ist grob falsch.

Die documenta-Verantwortlichen möchten nun untersuchen, ob es weitere antisemitische Kunstwerke in der Ausstellung gibt – und dabei sollen Sie als Experte helfen. Was genau haben Sie vor?

Ich wurde von der documenta-Leitung angefragt, ob ich ihnen und der Kuratorengruppe bei der Begutachtung von Kunstwerken helfen kann, bei denen sie selbst nicht beurteilen können, ob darin antisemitische Inhalte gezeigt werden. In den kommenden Tagen und Wochen werde ich mir die Werke anschauen und hinsichtlich des antisemitischen Gehalts beurteilen.

documenta in Kassel: „Wer weiß, was noch geschieht“

Sie sollen jetzt also richten, was Politik, documenta-Leitung und Kuratorenteam vermasselt haben?

Der Zeitpunkt ist natürlich komplett falsch. Dieser Prozess wäre in der Zeit der Vorbereitung notwendig gewesen, und das ist offensichtlich nicht passiert. Da kann man sich bockig stellen, und sagen, jetzt müsst ihr halt alles schließen, oder, und das ist meine Haltung, konstruktiv sein und die im Interesse von allen Beteiligten diese documenta noch retten.

Halten Sie es für möglich, dass die documenta abgebrochen wird?

Ich denke, es würde keinem etwas bringen, wenn die documenta Ende Juni schließt und alle nach Hause fahren. Das wäre vermutlich nicht im Interesse des Zentralrats der Juden, nicht im Interesse des Publikums, der Künstler. Aber wer weiß, was noch geschieht. Es könnte natürlich auch sein, dass die Künstler abreisen wollen, weil sie nicht mehr unter Kritik oder unter dem Generalverdacht stehen wollen. Es gab die Befürchtungen, dass von der Politik die Reißleine gezogen werden könnte. Es gibt jede Menge Rücktrittsforderungen in alle Richtungen. Das ist natürlich eine sehr toxische und explosive Situation.

Haben Sie schon mit Ruangrupa darüber gesprochen, wie ihre Zusammenarbeit mit Ihnen aussehen wird? Und wie ist Ihr Eindruck: Gibt es Kompromissbereitschaft?

Ich hatte bisher noch keinen direkten Kontakt mit dem Kuratorenteam, was nicht an mir liegt, denn ich hatte es schon vor einiger Zeit angeboten. In der Erklärung, die Ruangrupa am Donnerstag abgegeben hat, sehe ich die Berei