THEO VAN GOGH WATCH: Deutschland wird nach unten durchgereicht

FAZ  16-1-23

Deutschland fällt im internationalen Standortvergleich weiter zurück. Hierzulande haben Familienunternehmen zumeist mit höheren Steuerlasten, einem höheren Regulierungsaufwand und höheren Energiekosten zu kämpfen als ihre Konkurrenten an den meisten anderen Standorten. Hinzu kommt, dass die Arbeitskosten vergleichsweise hoch sind, was die Arbeitsproduktivität nicht ausgleichen kann.

Zudem bietet die Leistung des Bildungssystems zunehmend Anlass zur Sorge. Das sind zentrale Ergebnisse einer Studie des ZEW – Leibniz-Zen­trums für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut in Mannheim hat unter der Leitung des Ökonomieprofessors Friedrich Heinemann die Position von 21 Industriestaaten im internationalen Wettbewerb mithilfe von mehreren Indikatoren untersucht.

Nur noch auf Platz 18

Als erstklassig werden weiterhin die öffentliche und private Finanzierungssituation in Deutschland beurteilt. Die Infrastruktur und die Qualität der Institutionen werden als gut eingestuft, aber mit spürbaren Abstrichen im Vergleich zu leistungsfähigen kleineren europäischen Staaten wie der Schweiz, den Niederlanden und Dänemark.

In der aktuellen Rangliste steht Deutschland nur noch auf Platz 18, das ist vier Plätze schlechter als 2020. Allerdings liegen die Länder auf den Plätzen 14 bis 19 sehr nah beieinander. „Im internationalen Vergleich auf den hintersten Plätzen – das ist nicht das Feld, in das wir gehören“, urteilt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Gerade die hohen Energiepreise, an denen man wenig ändern könne, müssten Anreiz bieten, die übrigen Rahmenbedingungen für Investitionen zu verbessern, mahnt er. Seit 2006 gibt es den Länderindex. Seitdem ist Deutschland um sechs Rangplätze abgerutscht.

Die Vereinigten Staaten führen die aktuelle Rangliste an, ebenfalls den Subindex Energie. Sie profitieren von günstigen Energiepreisen und haben geringe Importrisiken für Öl, Gas und Kohle. Auch hier findet man Deutschland auf dem viertletzten Rang – und das dürfte die deutschen Probleme sogar unterzeichnen, da dem Vergleich zugrunde gelegte Gas- und Kraftstoffpreise aus der zweiten Hälfte 2021 und damit überholt sind. Der russische Überfall auf die Ukraine hat vor allem in Deutschland und anderen europäischen Ländern zu erheblichen Kostensteigerungen geführt.

„Vor dem Hintergrund dieser sich noch einmal stark verschärfenden Benachteiligung deutscher Unternehmen beim Faktor Energie gewinnen die vielfältigen Schwächen auf den anderen Gebieten noch einmal an Gewicht“, heißt es. Bei der Besteuerung belegt Deutschland den vorletzten Platz – nicht zuletzt weil andere Länder ihre Systeme inzwischen verbessert haben. Erst seien die Vereinigten Staaten und Frankreich durch umfangreiche Steuerreformen aufgefallen. Aktuell stächen Belgien und Schweden hervor.

Deutsche Reformträgheit

Mit seiner Reformträgheit sei Deutschland über die Jahre immer weiter ins Hintertreffen geraten, sodass nur noch Japan eine schlechtere Position einnehme. „Dies hat sich im Zusammenspiel mit den unverändert hohen Ertragsteuerbelastungen negativ auf die steuerliche Standortattraktivität Deutschlands ausgewirkt.“

Auch im Erbfall werden Familienunternehmen nach der Studie in Deutschland besonders hoch belastet. Nur Japan wird noch schlechter eingestuft. Mithilfe eines genormten Unternehmensvermögens wurde die Steuerlast nach dem Todesfall bei der Übertragung an ein Kind oder an den Ehegatten errechnet. Dazu mussten Annahmen gemacht werden, was das Privatvermögen des Erben betrifft.

Hohe Erbschaftsteuer belastet

Mit der Reform von 2016 sei die Erbschaftsteuerbelastung stark gestiegen. Vorher sei das Unternehmenserbe zu 85 oder 100 Prozent verschont worden, wenn die Lohnsummenregelung und die Behaltensfrist eingehalten worden seien. Nun gelte dies nur noch bis zu einem Wert von 26 Millionen Euro, danach falle die Verschonung geringer aus, von 90 Millionen Euro an könne dieser Abschlag jedoch nicht mehr einfach in Anspruch genommen werden. Dieser Nachteil werde teilweise durch die Verschonungsbedarfsprüfung abgefangen.

Mit dieser Neuregelung fällt Deutschland in der für Familienunternehmen wichtigen Erbschaftsteuerfrage zurück: „Österreich, Tschechien, Portugal, Schweden und die Slowakische Republik erheben keine Erbschaftsteuer“, heißt es lakonisch. In der Schweiz (Kanton Zürich), Ungarn und Polen seien Erbvorgänge an den Ehegatten und das Kind freigestellt.

In Kanada sei nur die Hälfte eines Wertzuwachses steuerpflichtig, doch Ehegatten würden verschont. „Relativ niedrige Erbschaftsteuerbelastungen ergeben sich auch bei der Vererbung von Familienunternehmen in Italien, dem Vereinigten Königreich, Belgien, Irland und den Niederlanden.“

„Wenig Problembewusstsein“

Das Gesamturteil ist düster: „Bezüglich der internationalen Benachteiligung deutscher Familienunternehmen im Bereich der Besteuerung ist heute nur wenig Pro­blembewusstsein erkennbar“, heißt es. Die Politik habe zwar in der Pandemie steuerpolitische Instrumente genutzt, um etwa durch erleichterte Verlustverrechnungen die Liquidität der Unternehmen in der Krise kurzfristig zu sichern. Darüber hinaus sei aber keine steuerpolitische Agenda erkennbar, durch die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden soll.

Die Hoffnung, dass sich der Wettbewerbsdruck durch steigende Steuersätze in anderen Industriestaaten abschwäche, habe sich nicht erfüllt. Im Gegenteil, es sei zu weiteren Senkungen der Körperschaftsteuer gekommen. Die Einigung zur globalen Mindeststeuer lasse zwar vermuten, dass der Steuerwettbewerb künftig bei 15 Prozent eine neue Untergrenze finden werde. Damit könnte er sich zur steuerlichen Bemessungsgrundlage verlagern. „Zur Sicherung der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit sollte sich Deutschland daher nicht allein auf die Einführung der avisierten Mindeststeuer verlassen“, lautet die Mahnung.