THEO VAN GOGH SOCIETY: DAS OLYMPISCHE VIRUS – US WUHAN ! ROT CHINA.

Interview – Ursprung der Pandemie: «Der Begriff ‹Verschwörungstheorie› wurde nicht von den Medien in die Welt gesetzt, sondern von Wissenschaftern – sie führten die ganze Welt in die Irre»

Ist Sars-CoV-2 aus einem Labor in Wuhan entwichen?

Verschiedene E-Mails, die kürzlich in den USA offengelegt wurden, werfen ein neues Licht auf die Debatte um den Ursprung der Pandemie. Der Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger ist überzeugt, dass das Rätsel mit der Freigabe von zwei weiteren Dokumenten gelöst werden könnte.

Marcel Gyr 3.2.2022, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

Das Wuhan Institute of Virology steht im Zentrum der Debatte um den Ursprung der Pandemie.

Der Titel seiner Arbeit tönte harmlos: «Studie zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie». Doch die Schlussfolgerung, die der Hamburger Physikprofessor Roland Wiesendanger vor einem Jahr daraus zog, war explosiv: Höchstwahrscheinlich stamme Sars-CoV-2 aus einem Labor in Wuhan. Damit widersprach er der damals vorherrschenden Meinung, wonach das Virus, dem inzwischen mehr als 5,6 Millionen Menschen erlegen sind, natürlichen Ursprungs sei.

Entsprechend blies Wiesendanger ein eisiger Wind entgegen. So wurden ihm zum Teil antichinesische Ressentiments vorgehalten. Kritisiert wurde zudem, es handle sich nicht um eine eigentliche Studie, vielmehr habe er einzig öffentlich zugängliche Quellen zusammengetragen. Ein Jahr nach seinem Coup hat der 60-jährige Wiesendanger nichts von seinem Eifer eingebüsst. Er ist überzeugt, das Rätsel zum Ursprung der Pandemie bald lösen zu können. Tatsächlich hat sich in der hitzig geführten Debatte eine brisante Wendung ergeben.

Herr Wiesendanger, vor einem Jahr mussten Sie sich von den Medien einiges anhören lassen – insbesondere stellte man Sie in die Ecke der Verschwörungstheoretiker.

Im Ausland wurde meine Arbeit durchaus positiv rezensiert. Was ich aber in deutschen Zeitungen zu lesen bekommen habe, das war zu einem grossen Teil beleidigend, diffamierend und in weiten Zügen von einem unterirdischen journalistischen Niveau. Ich bin einzig und allein der Wahrheit verpflichtet und nicht dem, was einige deutsche Journalisten aufgrund ihrer vorgefassten Weltanschauung hören möchten.

Manche warfen Ihnen vor, mit der Hypothese, das Virus sei aus einem Labor in Wuhan entwichen, antiasiatischen Rassismus zu fördern.

Das ist natürlich Unsinn. Als Nanowissenschafter bin ich in einem Forschungsgebiet tätig, das in China als sehr bedeutend angesehen wird. Seit über dreissig Jahren tausche ich mich mit chinesischen Kollegen aus. Die Technische Universität Harbin hat mir vor einigen Jahren eine Ehrenprofessur verliehen. Auch in Peking, Hongkong oder Schanghai habe ich viele Kontakte, ich fühle mich China und insbesondere den dortigen Menschen bis heute eng verbunden.

Ihre Publikationsliste umfasst über 600 wissenschaftliche Arbeiten – doch jene zum Ursprung der Coronavirus-Pandemie bezeichneten manche Journalisten als unwissenschaftlich.

Also da muss man ganz klar festhalten, was die Idee hinter dieser Studie war. Ich war ja nicht der Erste, der auf einen möglichen Ursprung der Pandemie in einem Labor hingewiesen hat, das waren viele andere. Zu ihnen gehört etwa der Kanadier Yuri Deigin, der ganz grosse Verdienste hat, auch die Italienerin Rossana Segreto von der Universität Innsbruck oder natürlich der französische Nobelpreisträger Luc Montagnier. Aber das Problem war, dass sie alle es nicht schafften, ihre Erkenntnisse in wissenschaftlichen Fachpublikationen zu veröffentlichen und sie so in der Community zu verbreiten.

Was haben Sie anders gemacht?

 

Roland Wiesendanger; Physikprofessor an der Universität Hamburg.

Ich wählte einen neuen Ansatz. Ich erstellte ein Dokument, das nicht für die Publikation in einer Fachzeitschrift gedacht war. Stattdessen sollte es allen Interessierten, nicht nur Akademikern, die Möglichkeit geben, die Fakten zu studieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. Ich habe ja auch viele Originaldokumente in die Studie eingebaut, in voller Länge. Das macht man natürlich nicht bei einer Fachpublikation, dort verweist man nur im Literaturverzeichnis darauf. Aber die Absicht dahinter war, dass sich auch Leute ein Bild machen können, die keinen Zugang zu Fachzeitschriften haben. Es hat offenbar funktioniert, die Reaktionen waren überwältigend – sieht man einmal von den Medien ab.

Was hat Sie als Nanophysiker veranlasst, sich auf fremdes Terrain zu begeben und den Virologen ins Handwerk zu pfuschen?

Die Nanowissenschaft ist eine interdisziplinäre Fachrichtung, wo sich Physik, Chemie, Biologie, teilweise auch Ingenieurwissenschaften und Informatik treffen. Wir befassen uns mit Teilchen in der Grösse von Millionstel von Millimetern. Es ist nicht so, dass ich überhaupt keine Ahnung von Viren hätte. Ich habe auf ganz unterschiedlichen Gebieten anerkanntermassen qualitativ hochwertige Forschungsarbeit geleistet.

Und dann kam Corona.

Durch meine engen Verbindungen nach China, aber auch nach Japan, Südkorea und Taiwan hatte ich mich sehr früh mit dieser Pandemie beschäftigt, lange bevor sie im März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als solche eingestuft wurde. Es war mir schnell klar, dass da etwas völlig Neues auf uns zukommt. In sozialen Netzwerken in China, aber auch von chinesischen Wissenschaftern wurde schon früh die Vermutung geäussert, dass das neuartige Coronavirus von einem Forschungslabor in Wuhan ausgehen könnte – dass es also nicht natürlichen, sondern künstlichen Ursprungs ist.

In der Debatte um den Ursprung der Pandemie ist sich die Wissenschaft zumindest in einem Punkt einig: Sars-CoV-2, wie das neue Coronavirus getauft wurde, stammt von einer Fledermaus. Heftig debattiert wird aber die Frage, auf welchem Weg sich der Mensch erstmals infiziert hat. Von der Wissenschaft bis heute favorisiert wird eine sogenannte Zoonose: Demnach hat sich das Virus zuerst von der Fledermaus auf ein anderes Tier übertragen, auf einen sogenannten Zwischenwirt. Bei Sars-1 zum Beispiel gilt die Zibetkatze als Zwischenwirt, bei Mers, einem hochansteckenden Coronavirus, das bis heute im arabischen Raum existiert, ist es das Kamel. In diesen Zwischenwirten mutiert das Virus so lange, bis es zufällig die Fähigkeit erhält, auch auf den Menschen überzuspringen.

Im Fall von Sars-CoV-2 hat man einen solchen Zwischenwirt noch nicht identifizieren können. Das ist ein gewichtiges Argument für die Hypothese, das Virus entstamme aus einem Labor. Das scheint schon deshalb nicht gänzlich abwegig zu sein, weil sich ausgerechnet in Wuhan, wo das neue Coronavirus Ende 2019 ausgebrochen ist, das weltweit führende Labor für die Erforschung von Coronaviren befindet. In diesem Labor, dem Wuhan Institute of Virology, werden die Gensequenzen Tausender von Coronaviren aus Fledermäusen gesammelt. In den vergangenen Jahren wurden damit auch umstrittene Experimente durchgeführt.

Mitte Februar 2020 setzten führende Virologen der aufkeimenden Debatte über den Ursprung der Pandemie ein abruptes Ende: In einem vielbeachteten Beitrag in der Fachzeitschrift «Lancet» bezeichneten sie die Laborthese als Verschwörungstheorie.

Das ist das Tragische an der ganzen Geschichte. Der Begriff «Verschwörungstheorie» wurde nicht von den Medien in die Welt gesetzt, sondern von Wissenschaftern – in unwissenschaftlicher Weise führten sie mit ihrer Stellungnahme die ganze Welt in die Irre. Zu diesem frühen Zeitpunkt konnte man eine derart absolute Aussage, die einen Laborunfall ausschliesst, unmöglich machen. Bei mir jedenfalls haben alle Alarmglocken geläutet. Später hat sich dann ja gezeigt, dass hinter der Stellungnahme Peter Daszak stand, ein Interessenvertreter, der zutiefst in umstrittene Forschungsprojekte am Institut für Virologie in Wuhan verwickelt ist. Inzwischen hat «Lancet» Daszaks massiven Interessenkonflikt in einem Addendum eingeräumt.

Der britisch-amerikanische Zoologe Peter Daszak ist Präsident von Eco Health Alliance. In erster Linie ist die Nonprofitorganisation in der Erforschung der Zoonose tätig. Doch häppchenweise wurde im Laufe des vergangenen Jahres bekannt, welche enormen Summen Eco Health Alliance mit staatlichen Fördergeldern auch für umstrittene Forschungsprojekte einsetzt. So wurde publik, dass das US-Verteidigungsministerium Daszaks Organisation in den letzten Jahren fast 40 Millionen Dollar zugesprochen hat – für die Erforschung von Biowaffen.

Für Aufsehen sorgte auch ein Antrag für Forschungsgelder aus dem Jahr 2018. Mit genetischen Experimenten sollte in Coronaviren ein Element eingebaut werden, das sie für die Übertragung auf den Menschen noch gefährlicher machte. Exakt dieses Element – die Furin-Spaltstelle – fand sich später im Erbgut von Sars-CoV-2. Das war bis anhin für diese Art von Coronaviren nicht bekannt. Zwar war der Forschungsantrag der Eco Health Alliance in den USA von einer Abteilung des Pentagons abgelehnt worden. Doch das schliesst nicht aus, dass Daszak und seine langjährige Kooperationspartnerin in Wuhan, Shi Zhengli, stattdessen von anderer Stelle Forschungsgelder erhalten haben, etwa von chinesischer Seite.

Gab es im vergangenen Jahr eine neue Erkenntnis, die Sie an der Laborthese zweifeln liess?

Nein, in keiner Weise.

Lange galt RaTG13 als jenes Virus, das mit Sars-CoV-2 am nächsten verwandt ist. Dann entdeckte man in Laos in einer Fledermaus das Virus Banal-52, das mit 96,8 Prozent noch ein bisschen ähnlicher ist. Banal-52 soll über eine natürliche Furin-Spaltstelle verfügen – was die Zoonose-Theorie stützen würde.

Nein, da muss ich vehement widersprechen. Banal-52 verfügt eben gerade über keine Furin-Spaltstelle – ich weiss das aus allererster Hand. Einer der Autoren der Studie zum Fund von Banal-52 hat das jüngst bei unserem monatlich stattfindenden internationalen Workshop vorgetragen. Der Workshop fand im Rahmen eines weltweiten Netzwerkes statt, das den Ursprung der Pandemie in Eigenverantwortung erforscht. Die Gruppe ist als Paris Group bekannt und hat vier «open letters» publiziert, die unter anderem über die «New York Times» verbreitet wurden.

Sie haben wiederholt die Furin-Spaltstelle erwähnt. Ich fürchte, wir kommen nicht umhin, kurz zu erklären, was das ist – es scheint so etwas wie das virologische Corpus Delicti zu sein bei der Suche nach dem Ursprung der Pandemie.

Die besondere Eigenschaft von Sars-CoV-2 ist ja, dass sich das Virus gleich von Anfang an sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragen konnte. Zu dieser Qualität tragen wesentlich zwei Komponenten bei. Zum einen kann Sars-CoV-2 aufgrund seines Spike-Proteins – das ist dieser Stachel, den wir von der bildlichen Darstellung des Virus kennen – sehr leicht an menschliche Zellrezeptoren andocken. Das reicht aber noch nicht aus. Das Andocken allein ist nicht das Entscheidende, Sars-CoV-2 muss nach dem Andocken auch in die menschliche Zelle eindringen können. Und da hilft diese Furin-Spaltstelle. Es ist jene Stelle in der molekularen Struktur des Spike-Proteins, die durch das Furin, ein Enzym, gespaltet werden kann. In der Untergruppe von Coronaviren, zu der Sars-CoV-2 gehört, ist diese Furin-Spaltstelle nicht bekannt. Dem Sars-CoV-2 ermöglicht sie hingegen, leicht in die menschlichen Zellen einzudringen und sowohl obere als auch innere Atemwegsorgane anzugreifen, insbesondere die Lunge.

Und jetzt stellt sich also die Frage: Verfügt Sars-CoV-2 dank zufälliger Mutation über eine natürliche Furin-Spaltstelle, oder wurde sie dem Virus im Labor experimentell eingepflanzt?

Exakt, das ist der entscheidende Punkt. Es gibt nach wie vor keinen abschliessenden Beweis, dass Sars-CoV-2 aus dem Labor stammt. Aber wie bereits erwähnt, beantragten Peter Daszak und andere US-Wissenschafter 2018, genau diese Furin-Spaltstelle experimentell einzubauen – übrigens nicht nur in Sars-, sondern auch in Mers-Viren, was noch viel gefährlicher ist. Es ist ein Projekt im Rahmen der berühmt-berüchtigten Gain-of-Function-Forschung, bei der Veränderungen in der Gensequenz durch biotechnologische Verfahren herbeigeführt werden. Während der Obama-Administration wurde für diese Forschung in den USA zeitweise ein Moratorium verhängt, weil sie als zu gefährlich gilt. Das Moratorium wurde aber zum Teil umgangen, insbesondere durch die Auslagerung dieser Art von Forschung nach Wuhan.

Wurde auch das konkrete Forschungsprojekt von Peter Daszak mit dem Einbau der Furin-Spaltstelle nach Wuhan ausgelagert?

Das wissen wir nicht. Aber lassen Sie es mich mit einem simplen Beispiel erklären. Wenn ich einen Antrag stellen würde, das Zürcher Rathaus grün anzustreichen, würde das natürlich aus guten Gründen abgelehnt werden. Wenn nun einige Wochen später dieses Rathaus eines Morgens plötzlich in grüner Farbe erscheinen würde – dann wäre ich bestimmt Hauptverdächtiger, bis nicht das Gegenteil bewiesen ist. Nicht anders verhält es sich mit dem Forschungslabor in Wuhan: In unmittelbarer Nähe des weltweiten Zentrums für die Forschung mit Coronaviren, da, wo nachweislich Chimären, also künstliche Hybriden, geschaffen wurden, die besser an menschliche Zellrezeptoren andocken können, und da, wo man vorhatte, in ein Coronavirus eine Furin-Spaltstelle einzubauen . . . genau hier bricht Sars-CoV-2 aus, ein Virus mit der aussergewöhnlichen Eigenschaft, über eine Furin-Spaltstelle zu verfügen. Es braucht schon sehr viel Kreativität oder Verdrängung, um den Verdacht von diesem Labor weg zu lenken.

Falls ein Zwischenwirt gefunden werden sollte mit einem Virus, das Sars-CoV-2 sehr ähnlich ist, bricht Ihre ganze Hypothese in sich zusammen.

Da gebe ich Ihnen recht. Aber wissen Sie, was? Auch nach über zwei Jahren intensiver Suche gibt es keinerlei Spur eines solchen Zwischenwirts. Sie können davon ausgehen, dass die chinesische Regierung das allergrösste Interesse hat, einen möglichen Zwischenwirt zu identifizieren, und alles daransetzt, um ihn ausfindig zu machen. Bereits vor einem Jahr waren bei über 80 000 Tieren Proben entnommen worden, bei allen erdenklichen Tierarten, in allen Landesgegenden – alle waren negativ. Inzwischen dürften es noch viel mehr sein. Wenn dann der deutsche Virologe Christian Drosten über irgendwelche Tierarten als mögliche Zwischenwirte spekuliert, die schon längst untersucht worden sind, ärgert mich das.

China ist riesig, da sind bestimmt noch nicht alle Tiere getestet worden.

Schon, aber nochmals: Die chinesischen Behörden haben die Suche nach dem Zwischenwirt bestimmt auf jene Tierarten konzentriert, die allenfalls auf einem der Wildtiermärkte in Wuhan verkauft wurden. Dann muss man wissen, dass die Ähnlichkeit von rund 96 oder 97 Prozent, die RaTG13 und Banal-52 zu Sars-CoV-2 aufweisen, nach viel tönt. Aber die virologische «Distanz» beträgt mehrere Jahrzehnte. So lange hätten RaTG13 oder Banal-52 im Zwischenwirt mutieren müssen, ehe sie als Sars-CoV-2 den Menschen infizieren konnten. Folglich müsste der unmittelbare Vorfahre von Sars-CoV-2 in einer ganzen Population des Zwischenwirts vorhanden sein, nicht bloss in einem einzelnen Tier, das zufällig auf einem Markt in Wuhan verkauft worden wäre.

Für eine mögliche natürliche Übertragung des Virus via Zoonose besteht eine weitere Lücke: Die Fundorte der zwei am nächsten verwandten Viren, RaTG13 und Banal-52, liegen beide mehr als tausend Kilometer vom Ausbruch der Pandemie in Wuhan entfernt. Wie hätte Sars-CoV-2 diese Distanz überwinden können?

Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Proben des Banal-52-Virus wurden zwischen 2017 und 2019 ins Forschungslabor in Wuhan geschickt – von Peter Daszaks Eco Health Alliance. Das geht aus dem E-Mail-Verkehr der NGO mit einer Abteilung der US-Gesundheitsbehörde hervor. Die E-Mails wurden im vergangenen November mithilfe des amerikanischen Öffentlichkeitsgesetzes vom White Coast Waste Project offengelegt – einem Verbund von Steuerzahlern gegen Tierversuche. Dass Proben von RaTG13, die in einer stillgelegten Mine in der südchinesischen Provinz Yunnan eingesammelt wurden, ebenfalls im Institut für Virologie in Wuhan lagern, ist ja seit längerem bekannt.

Fast alle Enthüllungen zum Ursprung der Pandemie werden von kleinen Organisationen oder Medienportalen gemacht. Die klassischen Medien hingegen stehen abseits.

Ja, das ist sehr enttäuschend. Gerade in Deutschland haben die Medien diesbezüglich total versagt, es ist eine Katastrophe. Es gibt da ja dieses Magazin, das derzeit aufgrund seines 75. Geburtstages stolz auf seine lange Geschichte des investigativen Journalismus verweist . . .

. . . Sie meinen den «Spiegel» . . .

. . . also wenn der «Spiegel» nach all den publik gewordenen Erkenntnissen als Letzter auch noch mit einer Titelgeschichte zu einem möglichen Laborunfall kommt, in dem die sieben Autoren nichts anderes machen, als das zusammenzufassen, was andere zuvor recherchiert haben, dann ist das nur noch ein Trauerspiel. Anderseits muss man die Medien auch ein wenig in Schutz nehmen. Sie wurden regelrecht fehlgeleitet durch die bereits erwähnte Stellungnahme in der Fachzeitschrift «Lancet».

Fehlgeleitet?

Ja, so etwas hat es vermutlich noch nie gegeben, dass eine Gruppe von mehr als zwanzig Vertretern eines Fachgebiets, nämlich der Virologie, die Öffentlichkeit derart in die Irre führt. Mitunterzeichner dieser Stellungnahme war ja auch Christian Drosten – wider besseres Wissen übrigens. Denn Drosten nahm nachweislich an der Telefonkonferenz vom 1. Februar 2020 mit Anthony Fauci teil.

Die Telefonkonferenz vom 1. Februar 2020 wirft ein völlig neues Licht auf die Frage, wie die führenden Virologen einen Laborunfall als möglichen Ursprung der Pandemie einschätzen. Insbesondere der anschliessende E-Mail-Verkehr, der in Auszügen bekanntgeworden ist, wirft heikle Fragen auf.

Die virtuelle Telefonkonferenz wurde von einem englischen Professor einberufen, rund drei Wochen nachdem die chinesischen Behörden die Gensequenz des neuen Coronavirus veröffentlicht hatten. Etwa ein Dutzend der weltweit führenden Virologen nahm am Meeting teil, unter ihnen auch Christian Drosten von der Berliner Charité. In diesem frühen Stadium – die Verbreitung von Sars-CoV-2 galt noch nicht offiziell als Pandemie – unterhielten sich die Experten auch über die mögliche Herkunft des Virus. Von der Telefonkonferenz liegt kein Protokoll vor. Doch wiederum mithilfe des amerikanischen Öffentlichkeitsgesetzes (Freedom of Information Act) ist kürzlich der E-Mail-Verkehr einiger Beteiligter aus den Tagen vor und nach dem virtuellen Meeting bekanntgeworden.

Einzig einer parlamentarischen Aufsichtsbehörde – dem Committee on Oversight and Reform – wurden die vollständigen E-Mails zur Einsicht vorgelegt. Aber auch die Aufsichtsbehörde durfte keine Kopien erstellen, erlaubt war einzig die Abschrift der E-Mails. Mitte Januar machten einige Mitglieder der parlamentarischen Aufsichtsbehörde diese Abschriften publik. Daraus gehen im Wesentlichen zwei Erkenntnisse hervor: Mehrere Virologen favorisierten damals die These eines Laborunfalls in Wuhan. Er sei «70:30 oder 60:40» für die Laborthese, schrieb beispielsweise einer der Teilnehmer. Als Argument gegen eine natürliche Entwicklung von Sars-CoV-2 wird in den offengelegten E-Mails mehrfach die Furin-Spaltstelle genannt.

Neben den Virologen hatten an der Telefonkonferenz vom 1. Februar 2020 auch zwei Verantwortliche der US-Gesundheitsbehörde (NIH) teilgenommen, Anthony Fauci und Francis Collins. Wie aus den E-Mails hervorgeht, versuchten die beiden in den Folgetagen, einen möglichen Laborunfall herunterzuspielen. Würden solche Stimmen der Verschwörung überhandnehmen, meinte Collins etwa am 2. Februar 2020, würde das «der Wissenschaft und der internationalen Gemeinschaft möglicherweise grossen Schaden zufügen». Unerwähnt liess er, dass im Falle eines Laborunfalls auch der US-Gesundheitsbehörde ein grosser Schaden drohen würde: Sie war es, die die Forschungsarbeit in Wuhan jahrelang mit Fördergeldern und auch mit Fachpersonal unterstützt hatte. Francis Collins war bis Ende 2021 Direktor von NIH.

In den Wochen nach der Telefonkonferenz erschienen in der Fachpresse zwei wegweisende Beiträge, in denen ein möglicher Laborunfall ausgeschlossen beziehungsweise als Verschwörungstheorie bezeichnet wurde. Beide Beiträge wurden von Autoren mitverfasst, die an der Telefonkonferenz teilgenommen hatten und dort zum Teil eine konträre Einschätzung kundgetan hatten. Dazu gehört die bereits erwähnte Stellungnahme in «Lancet», die von Peter Daszak initiiert wurde. Besonders frappant erscheint aber der Fall des amerikanischen Virologen Kristian G. Andersen. Mit einem Beitrag in der Fachzeitschrift «Nature Medicine» von Mitte März 2020 hatte Andersen grossen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung.

Kein anderer Beitrag hat die Debatte um den Ursprung der Pandemie derart geprägt wie jener von Andersen.

Das ist so. Dieser eine Beitrag hat die öffentliche Debatte über den Ursprung der Pandemie während Monaten abgewürgt. Alle verwiesen sofort auf Andersens Artikel, und damit war die Diskussion im Keim erstickt.

Was steht denn in Andersens Artikel?

Im Abstract schreiben er und seine Mitautoren ohne Wenn und Aber, bei Sars-CoV-2 handle es sich weder um ein Produkt aus dem Labor noch um ein absichtlich manipuliertes Virus. Dieser eine Satz war entscheidend im wissenschaftlichen und medialen Diskurs, er ist unglaublich oft zitiert worden. Im Laufe des Textes wird das dann aber abgeschwächt bis hin zur abschliessenden Aussage, es sei derzeit nicht möglich, die infrage kommenden Theorien zu beweisen oder zu widerlegen. Bloss, bis dahin las natürlich kaum jemand. Und jetzt kommt der Clou: Am Tag vor seiner Teilnahme an der Telefonkonferenz, am 31. Januar 2020, schrieb Andersen in einer E-Mail an Anthony Fauci, er und zwei seiner späteren Mitautoren (Edward Holmes und Robert Garry) seien sich einig, dass das Virus nicht natürlich entstanden sei, sondern aus einem Labor entwichen sein dürfte.

Das tönt ja wie ein Krimi . . .

Ja, aber leider ist es ein schlechter Krimi. Anhand der vorliegenden Dokumente muss man davon ausgehen, dass führende Virologen an den Tagen nach der Telefonkonferenz vom 1. Februar 2020 massiv beeinflusst wurden beziehungsweise sich beeinflussen liessen – von Anthony Fauci, Francis Collins und anderen Interessenvertretern. Sie alle entscheiden über grosse Summen von Fördergeldern, und sie sind mitverantwortlich für die gefährliche Forschungsarbeit an Coronaviren am Institut für Virologie in Wuhan. Sie haben sich offensichtlich dafür eingesetzt, das geht aus dem E-Mail-Verkehr hervor, die Laborthese unter den Teppich zu kehren. Ich muss es klar und deutlich sagen: Das hat nichts mit Wissenschaft zu tun, das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit. Hier stehen Dinge im Raum, die die Gesellschaft nicht mehr dulden kann. Das muss jetzt auch juristisch aufgearbeitet werden. Es gibt bereits einen ersten Strafantrag beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, selber den Ursprung der Pandemie gerichtlich zu untersuchen: Wo liegt der Schlüssel zur Klärung des Rätsels?

Merken Sie sich den 12. September 2019, 2 Uhr nachts chinesischer Zeit. Exakt zu diesem Zeitpunkt wurde am Institut für Virologie in Wuhan die weltweit grösste Datenbank für Coronaviren vom Netz genommen. Gefragt nach dem Grund, sagte Shi Zhengli, die Leiterin des Labors, später einmal, das Institut sei damals über 3000 Hackerangriffen ausgesetzt gewesen. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Denn wer hätte damals als Aussenstehender zu einem solch frühen Zeitpunkt Interesse gehabt an diesen Daten? Viel eher glaube ich etwas anderes: Den Verantwortlichen des Forschungslabors wurde zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass sich ein Zwischenfall ereignet hatte. Deshalb haben sie die Datenbank, die alle Informationen enthält, am 12. September 2019 um 2 Uhr nachts offline geschaltet.

Das ergibt aber keinen Sinn. Die WHO datiert die erste Ansteckung eines Menschen mit dem neuen Coronavirus erst auf Anfang Dezember 2019.

Ja, das steht im Untersuchungsbericht der WHO, den die chinesischen Behörden diktiert haben. Aber aus anderen Quellen sind mehrere Cluster von früheren Ansteckungen bekannt. Im WHO-Bericht stand ja auch, ein Laborunfall sei «extrem unwahrscheinlich». Bis der Leiter der Untersuchungskommission, Peter Ben Embarek, im vergangenen Sommer gegenüber dem dänischen Fernsehen TV 2 sagte, sie hätten nicht frei arbeiten können, für ihn persönlich gehöre ein Unfall im Zusammenhang mit dem Labor zu den «wahrscheinlichsten Hypothesen».

Das mögen ja alles spannende Indizien sein, aber den abschliessenden Beweis für einen Laborunfall haben Sie damit noch nicht erbracht.

Nein, den abschliessenden Beweis habe auch ich nicht. Aber das Beispiel mit der abgeschalteten Datenbank in Wuhan zeigt doch, wie wichtig es ist, dass nicht nur Virologen den Ursprung der Pandemie erforschen sollten. Kriminologischer Sachverstand kann sicher nicht schaden, denn hier spielen längst nicht alle Beteiligten mit offenen Karten, wie sich das Naturwissenschafter wünschen würden. Ich bin überzeugt: Wenn die Datenbank des Forschungslabors in Wuhan wieder online geschaltet würde – was ja ein Leichtes ist –, dann wäre das Rätsel im Nu gelöst. Und als Untersuchungsrichter würde ich noch ein zweites Dokument konfiszieren . . .

. . . welches?

Den gesamten E-Mail-Verkehr im Anschluss an die Telefonkonferenz vom 1. Februar 2020. Dann wären wir sogar neutral – ein Dokument aus China, eines aus den USA. Aus der elektronischen Korrespondenz könnte man herauslesen, wie es zum damaligen Meinungsumschwung der weltweit führenden Virologen gekommen ist. Dieser E-Mail-Verkehr liegt vor, Versatzstücke davon wurden ja freigegeben. Und dann wird es spannend. China behauptet ja etwas flapsig, das Virus stamme nicht aus Wuhan, sondern aus den USA . Das ist natürlich Blödsinn. Aber der Punkt ist: Auch wenn der Ursprung von Sars-CoV-2 nicht wirklich in den USA liegt – wenn man es im übertragenen Sinn anschaut, stellen sich durchaus brisante Fragen. So gab es tatsächlich Virenproben, die von amerikanischen Forschungslaboren nach Wuhan gebracht wurden. Und nicht zu vergessen sind die Abermillionen von Fördergeldern der US-Gesundheitsbehörde sowie das Know-how von Peter Daszaks Eco Health Alliance und dessen Partner, die ebenfalls ans Forschungslabor von Shi Zhengli geflossen sind. Also aus chinesischer Sicht steckt da sehr viel Amerika drin. Und hier kann man nicht einmal widersprechen.