THEO VAN GOGH NEWS: Schleuser werben für Fluchtrouten und sollen gefälschte ukrainische Ausweise nutzen

DIE WELT  25-3-22 –  Alexander Dinger  

Der Bundesnachrichtendienst hat Erkenntnisse, wonach kriminelle Schleuser-Strukturen die Fluchtbewegung aus der Ukraine ausnutzen

Der Bundesnachrichtendienst warnt in einer internen Meldung vor professionellen Schleuser-Strukturen, die die Fluchtbewegung aus der Ukraine ausnutzen. Es sei möglich, dass die aktuelle Lage auch von Mitgliedern terroristischer Gruppierungen genutzt werde.

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Sicherheitskreise gehen davon aus, dass die Fluchtbewegungen aus der Ukraine auch von Schleuser-Netzwerken ausgenutzt werden. Denn gemeinsam mit Flüchtenden aus der Ukraine wandern derzeit auch viele Menschen aus anderen Ländern über die Balkan- und Ostroute in Richtung Westen.

Den Erkenntnissen der Behörde zufolge vermischen sich die Flüchtlingsströme – und darin hätten professionelle, transnationale agierende Schleuserbanden Chancen erkannt – und ihren Modus Operandi entsprechend angepasst.  Das geht aus einem internen Dokument des Bundesnachrichtendienstes hervor.

Konkret bedeutet dies: Dem BND liegen glaubhafte nachrichtendienstliche Hinweise darauf vor, dass Schleuser sich bereits gezielt gefälschte ukrainische Studentenausweise verschaffen und Routen über das ukrainisch-polnische Grenzgebiet bewerben.

Angebote für Schleusungen in Lastwagen

Laut einem weiteren nachrichtendienstlichen Hinweis eines Partnerdienstes bewerbe ein solches Schleuser-Netzwerk den Transport von Flüchtenden nach Europa in leeren Lastwagen, die zuvor Hilfsgüter in die Ukraine transportiert haben.

Dieses Angebot ziele vorwiegend auf Migranten aus afrikanischen und arabischen Ländern ab, die bereits vor dem Krieg in der Ukraine gelebt haben. Zielländer seien die Niederlande und Deutschland. Der Preis betrage 5500 Euro pro Person. Laut Geheimdienst habe dieses Netzwerk bereits Schleusungen über Belarus in die EU organisiert.

Eine weitere Möglichkeit bieten in der Türkei ansässige professionelle Schleuser-Strukturen, die ukrainische Ausweisdokumente fälschen würden. Demnach habe die Polizei in Istanbul sich bereits mehrfach an das ukrainische Generalkonsulat gewandt, da bei der Kontrolle von Syrern und Afghanen vermehrt ukrainische Dokumente festgestellt worden seien.

Bekannt sei auch eine Telegram-Gruppe, in der ukrainische Ausweisdokumente für Migranten auf der Balkan- und Ostroute angeboten worden seien. Es werde damit geworben, dass die Einreisebedingungen für Schutzsuchende aus der Ukraine vereinfacht wurden und man davon profitieren könne. Damit werde vor allem der Transit durch Rumänien, Ungarn und die Balkanstaaten vereinfacht.

Transportkosten bis zu 5500 Euro

Ein weiteres Netzwerk bewirbt Schleusungen für in der Ukraine und in Rumänien gestrandete Migranten. Hier werde mit Fahrern, die einen europäischen Wohnsitz haben, geworben. Diese Schleusungen sollen bis zu 5500 Euro kosten.

Der Bundesnachrichtendienst kommt zu dem Schluss, dass Schleuser-Strukturen zeitnah auf die aktuellen Fluchtbewegungen reagieren und für ihr Geschäftsmodell nutzen werden. Einschätzungen über den Erfolg der bisher aufgedeckten Angebote lägen allerdings nicht vor. Man beobachte aber Aktivitäten von Schleusern in der Türkei, Irak, Russland, Belarus, Ukaine, Polen, den Niederlanden und Deutschland.

Von einer verstärkten Nutzung dieses erweiterten Angebotes sei „nahezu sicher“ auszugehen. Es sei auch möglich, dass die aktuelle Lage auch von Mitgliedern terroristischer Gruppierungen genutzt werde. Allerdings lägen hierzu noch keine Erkenntnisse vor.

Der Nachrichtendienst schätzt, dass seit Kriegsbeginn ungefähr 3,7 Millionen Menschen die Ukraine verlassen haben. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sollen sich bei Kriegsbeginn 60.000 Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis in der Ukraine aufgehalten haben.