THEO VAN GOGH NEUSTES: Zufriedenheit mit Ampel-Parteien bricht ein – Habeck verliert deutlich an Zustimmung

Claus Christian Malzahn – Vor 1 Std. DIE WELT  6-10-22

Der Krieg in der Ukraine sowie die Wirtschafts- und Energiekrise zehren an den Nerven der Deutschen. In der Bevölkerung machen sich Unsicherheit und Zukunftsängste breit, das Vertrauen in die Regierung und die Funktionsfähigkeit der Demokratie sinkt. Das sind die wichtigsten Ergebnisse des Deutschlandtrends für Oktober; die repräsentative Studie wird monatlich im Auftrag von ARD-„Tagesthemen“ und WELT erhoben.

Mit der wirtschaftlichen Lage sind nur noch 20 Prozent zufrieden – vor einem Jahr waren es 59 Prozent. Gerade mal elf Prozent äußern Zuversicht über die Verhältnisse in Deutschland. 85 Prozent hingegen äußern Beunruhigung – ein Höchststand, seitdem der Deutschlandtrend 1997 zum ersten Mal erhoben wurde.

Der trübe Blick in die Zukunft geht einher mit Sorgen um Inflation und Arbeitsplatz. Rund sechs von zehn Befragten befürchten, die galoppierende Preisentwicklung könnte sie finanziell überfordern; etwa jeder Fünfte sorgt sich um seinen Job. Mehr als die Hälfte der Deutschen (53 Prozent) rechnet damit, dass es ihnen in einem Jahr schlechter gehen werde als heute.

Der Pessimismus führt trotz Ankündigung verschiedener Hilfspakete und des Versprechens, die hohen Energiepreise zu deckeln, zu anhaltendem Verlust von Vertrauen in die Bundesregierung. Nicht einmal ein Drittel (29 Prozent) ist mit der Arbeit der Ampel-Koalition zufrieden; mehr als zwei Drittel (68 Prozent) sind das nicht. Nach den einzelnen Parteien betrachtet, trifft die SPD aktuell bei 27 Prozent der Befragten auf Zuspruch; das sind sieben Punkte weniger als im August. Zufrieden mit der Arbeit der Grünen sind 34 Prozent (minus neun Punkte). Die FDP kommt hier auf 20 Prozent (minus vier), fast drei Viertel sind mit ihr unzufrieden.

Nur etwas mehr als ein Viertel der Befragten goutiert die Bemühungen, die Energieversorgung im Lande zu sichern. Und nur ein Fünftel hält die angekündigte Entlastung bei den Energiepreisen und der Wirtschaft für ausreichend.

Union in Sonntagsfrage deutlich vorne

Diese Skepsis schlägt sich auch in der Sonntagsfrage nieder. Die Sozialdemokraten bleiben mit weiterhin 17 Prozent deutlich hinter ihrem Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 zurück (25,7 Prozent). Die Grünen liegen zwar noch immer vor der SPD, verlieren mit 19 Prozent aber drei Punkte im Vergleich zum September. Auch die FDP büßt weiter ein, sie landet im Oktober bei sieben Prozent (minus ein Punkt). Die AfD kann um zwei Punkte auf 15 Prozent zulegen – das sind fast fünf Punkte mehr als bei der Bundestagswahl. Die Union legt einen Punkt auf 28 Prozent zu.

Entsprechend mau sind auch die persönlichen Zustimmungswerte der Ampel-Spitzenpolitiker. Kein Mitglied der Bundesregierung erreicht ein mehrheitlich positives Urteil. Die Liste führt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mit 47 Prozent zwar noch an, sie verliert aber zwei Punkte. Auf Platz zwei erhält Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) 38 Prozent, ein Minus von fünf Punkten binnen eines Monats. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erhält 34 Prozent Zustimmung; 62 Prozent sind mit seiner Arbeit weniger oder gar nicht zufrieden.

Die schlechten Noten für die Ampel-Politiker nützen dem Oppositionsführer aber nicht: CDU-Chef Friedrich Merz, der die Unionsfraktion im Bundestag anführt, verliert drei Punkte, nur 27 Prozent äußern sich positiv über seine Arbeit. Lediglich Finanzminister Christian Lindner (FDP) kann seinen Wert um zwei Punkte auf 28 Prozent etwas verbessern.

Tendenziell aber befinden sich die politischen Eliten der Republik seit Monaten auf Talfahrt. Das hat offenbar Auswirkungen auf die Sicht der Deutschen auf das politische System. Zufrieden mit der Art, wie die Demokratie hierzulande funktioniert, sind demnach aktuell nur 51 Prozent; vor zwei Jahren waren es noch fast zwei Drittel. In Ostdeutschland ist der Wert sogar auf 35 Prozent gesunken.

Das mangelnde Zutrauen in die Lösungskompetenz der Regierung geht einher mit wachsenden Ängsten, die Bundesrepublik könne direkt in den Krieg hineingezogen werden. Das befürchtet inzwischen mehr als die Hälfte der Deutschen (56 Prozent). Die Zahl derer, die für einen zurückhaltenden Kurs gegenüber Russland plädieren, steigt denn auch im Vergleich zum Juni dieses Jahres um vier Punkte auf 47 Prozent. Entschlossenheit und Härte halten nur noch 43 Prozent für angebracht, ein Rückgang um sieben Punkte.

Bei der Bewertung der Sanktionsmaßnahmen gegen Russland sind drei Lager erkennbar: 36 Prozent gehen die Maßnahmen nicht weit genug, 31 Prozent halten sie für angemessen – und für 24 Prozent gehen sie zu weit.

Für den repräsentativen Deutschlandtrend hat Infratest Dimap vom 3. bis 5. Oktober 1307 Wahlberechtigte in 855 Telefoninterviews und 452 Online-Interviews befragt. Die Fehlertoleranz liegt zwischen zwei und drei Prozentpunkten.