THEO VAN GOGH NEUSTES: Wladimir Putin schlägt Europa vor, den „größten Gas-Hub“ in der Türkei zu bauen

BERLINER  ZEITUNG 12-10-22

Russland könne das verlorene Transitvolumen durch Nord Stream 1 auch in die Schwarzmeerregion umleiten, sagte Putin weiter. Dafür sei es möglich, den größten Gasknotenpunkt in der Türkei zu schaffen, über den die Lieferungen nach Europa erfolgen würden.

„Den verloren gegangenen Umfang des Gastransits über Nord Stream könnte Russland durch das Schwarze Meer leiten und so in der Türkei den größten Gas-Hub schaffen,“ so der russische Präsident. Die Schaffung eines solchen Knotenpunkts wäre wirtschaftlich machbar und sicher. Putin stellte jedoch klar, dass dafür die europäischen Partner Interesse zeigen sollten.

Putin erinnerte weiterhin daran, dass Russland über die Gaspipelines Turkish Stream und Blue Stream Gas in die Türkei liefert. In naher Zukunft sei auch geplant, mit dem Bau der Gaspipeline Power of Siberia-2 und deren Fortsetzung in der Mongolei – Sojus-Wostok zu beginnen. „Was das Gas betrifft, werden wir unsere Waren sicherlich auf den Weltmärkten platzieren“, versprach der Kreml-Chef.

Zum EU-Preisdeckel für russisches Öl sagte Putin weiter, dass Russland kein Öl an Länder liefern werde, die eine Preisobergrenze dafür festgelegt haben: „Russland wird nicht gegen den gesunden Menschenverstand handeln und für das Wohlergehen anderer bezahlen. Wir werden keine Energieressourcen an Länder liefern, die ihre Preise begrenzen“, sagte er. Wie lange die EU-Länder deswegen noch russisches Öl bekommen werden, bleibt offen. Im Moment liefert Russland auch nach dem Leck am polnischen Teil der Druschba-Pipeline weiterhin Öl nach Deutschland.

Am 6. September hatte die Europäische Union das achte Sanktionspaket gegen Russland verabschiedet. Dieses impliziert ein Verbot des Seetransports von russischem Öl in Drittländer zu einem Preis, der über der festgelegten Preisobergrenze liegt. Zum Beispiel, Griechische Tanker dürfen russisches Öl in Drittstaaten nur dann transportieren, wenn der Preis gedeckelt ist.

Der türkische Energieminister Fatih Dönmez sagte am Mittwoch, es sei noch zu früh, um sich zum Vorschlag des russischen Präsidenten für einen europäischen Gas-Hub in der Türkei zu äußern, fügte aber hinzu, dass das Thema diskutiert werden sollte: „Es ist das erste Mal, dass wir von der Frage der Versorgung Europas über alternative Routen hören, die Präsident Putin in seiner Rede erwähnt hat. Daher ist es noch zu früh, um eine Bewertung vorzunehmen“, so Dönmez.

Das Nato-Mitglied Türkei unterhält enge Beziehungen sowohl zur Ukraine als auch zu Russland und hat während des Konflikts in der Ukraine versucht, eine vermittelnde Rolle zu spielen. So lehnte die Türkei westliche Sanktionen gegen Moskau ab, kritisierte gleichzeitig Russland für den Einmarsch in die Ukraine und lieferte Kiew bewaffnete Drohnen. Gemeinsam mit den Vereinten Nationen vermittelte die Türkei im Juli bei der Freigabe der ukrainischen Getreideexporte aus Schwarzmeerhäfen, was der einzige bedeutende diplomatische Durchbruch in dem sieben Monate alten Konflikt bleibt.

Die Beziehungen zwischen Ankara und Russland bleiben komplex. Die beiden Länder arbeiten bei der Energieversorgung eng zusammen, sind sich aber in Bezug auf Syrien, Libyen und Aserbaidschan uneins.