THEO VAN GOGH NEUSTES: ELEKTROAUTOS VERBOTEN ! SCHWEIZ!
Im Extremfall ist der Kanton Zürich pro Tag zwölf Stunden ohne Strom – Fahrten mit Elektroautos könnten verboten werden, ausser es geht in die Kirche
Die kantonalen Verantwortlichen haben ansatzweise dargelegt, was alles passieren könnte, wenn der Schweiz die Energie ausgeht. – Zeno Geisseler27.09.2022, 17.14 Uhr NEUE ZÜRCHER ZEUTUNG
Elektroautos könnten in einer Mangellage weitgehend verboten werden.
Während in der Stadt Zürich schon die Brunnen abgeschaltet worden sind, um Strom zu sparen und vor allem um ein Zeichen zu setzen, herrscht beim Kanton immer noch eine fast schon demonstrative Normalität.
Es gelte nach wie vor der Bereitschaftsgrad 1, die unterste von vier Stufen im Eskalationsmodell der wirtschaftlichen Landesversorgung, sagte Daniel Bucher, der Leiter Netze beim kantonalen Stromversorger EKZ, am Dienstag vor den Medien. «BG 1», das sei der Normalzustand.
«Ob es dabei bleibt, kann natürlich niemand wissen», ergänzte der Zürcher Baudirektor Martin Neukom (Grüne), «aber der Kanton überlegt sich, was wäre, wenn.» Was also passieren würde, wenn es im Winter tatsächlich zu kleineren oder grösseren Energiedefiziten käme.
Dazu gibt es drei kantonale Szenarien. Sie tragen keine militärisch inspirierten Bezeichnungen wie «Bereitschaftsgrad», sondern heissen schlicht «gut», «mittel» und «schlecht».
«Gut» bedeutet, dass der Winter warm ist, die Stromimporte klappen und es beim Gas nur wenige Einschränkungen gibt. In diesem Fall reichen freiwillige Einschränkungen, um den Stromverbrauch um fünf Prozent zu senken und eine Umstellung von Heizungen von Gas auf Öl, um den Gaskonsum um 15 Prozent zu reduzieren.
Schon etwas kritischer wird es beim Szenario «mittel»: Der Winter ist kalt, Strom- und Gasimporte sind nur eingeschränkt verfügbar. Dann würden erste schärfere Massnahmen in Kraft treten, etwa die Reduktion von Öffnungszeiten von Hallenbädern. Das würde den Verbrauch um weitere zehn Prozent senken. Zudem würden Notstromaggregate und Reservekraftwerke in Betrieb genommen, was die Strommenge um 5 Prozent erhöhte.
Das dritte Szenario, «schlecht», beschreibt einen kalten Winter und stark eingeschränkte Strom- und Gasimporte. Dazu käme noch ein unerwartetes weiteres Ereignis, zum Beispiel ein Ausfall eines Schweizer Kernkraftwerks. Dann käme es zu Kontingentierungen. Grossverbraucher müssten ihren Stromkonsum zwingend reduzieren. Das könnte den Verbrauch um weitere 15 Prozent drücken.
Geheimpläne im Tresor
Sollten alle Stricke reissen, käme es sogar zu zyklischen Abschaltungen, was nochmals 20 bis 30 Prozent brächte. Grosse Gebiete des Kantons Zürich wären dann abwechselnd zeitweise ohne Strom. Die Pläne dafür lägen in einem Tresor bereit, sagte der EKZ-Mann Daniel Bucher.
Geplant ist erstens ein Modell, bei dem abwechselnd jeweils die Hälfte des Kantons während vier Stunden ohne Strom ist beziehungsweise während zwölf Stunden pro Tag. Bei einem zweiten Modell wird der Kanton gedrittelt; jedes Gebiet wäre dann jeweils während acht Stunden ohne Strom.
«Damit nicht immer die gleichen Gemeinden zu den gleichen Stunden ohne Strom wären, würden die Ausfallzeiten jeweils am Wochenende um eine Stunde verschoben», sagte Bucher. Er betonte, dass die Schweiz und Zürich derzeit weit weg von einem solchen Extremszenario seien.
Nicht nur der Bund und der Kanton sind gefordert, sondern auch die Gemeinden. Es gelte, sagte Jörg Kündig, der Präsident des Verbandes der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich, «für das Schlechteste zu planen und auf das Beste zu hoffen».
Als Hilfsmittel für die Gemeinden hat der Kanton Zürich jüngst einen Leitfaden veröffentlicht. Das Dokument beschreibt detailliert, was sie zu tun haben, wenn es einen grösseren Energiemangel geben sollte.
Dabei wird klar, dass es nicht unbedingt bei Appellen bleiben wird. So müssen die Gemeinden unter anderem ein Kontrollkonzept mit der Gewerbepolizei erarbeiten und «bei der Kontrolle und Durchsetzung der Massnahmen mitwirken». Zusätzliche Aufgaben würden auf Initiative der Kantonspolizei mit den Gemeinden abgestimmt.
Wäschetrockner könnten verboten werden
Von den Einschränkungen und Kontrollen tangiert wären in erster Linie Grossverbraucher, doch auch Privathaushalte könnte es treffen. Wie genau, würde der Bundesrat je nach Lage entscheiden. Im Zürcher Dokument finden sich im Anhang aber erste Hinweise.
Unter anderem könnten Wäschetrockner verboten werden. Ausserdem könnte die Nutzung von Elektroautos eingeschränkt werden. Sie dürften nur noch für «zwingend notwendige Fahrten» aus der Garage geholt werden. Dazu gehören Fahrten zur Arbeit, zum Arzt, zum Einkaufen, zu Gerichtsterminen – und, etwas überraschend, «für den Besuch religiöser Veranstaltungen».
Familie Müller dürfte bei einem Strommangel also sonntags zwar mit ihrem Tesla zur Kirche fahren, im Anschluss aber nicht auch noch ins Kino oder zu Kaffee und Kuchen bei der Grossmutter.
Diese Regeln, das betonen die Autoren des Leitfadens, seien nur beispielhaft und unverbindlich. Entscheiden müsse sowieso der Bundesrat. Doch sie zeigen, welche Einschränkungen auch für Private zumindest angedacht sind.
Kantonale Angestellte haben es wärmer
Energie sparen wollen die kantonalen Behörden auch bei sich selbst, dabei geht es aber wie bei den Stadtzürcher Brunnen mehr um Symbolik als um reale Beiträge: Der Kanton, sagte Neukom, verbrauche mit seiner gesamten Verwaltung und all seinen Anstalten nur 0,6 Prozent des Zürcher Stroms.
Insgesamt will der Kanton mit seinen Angestellten etwas weniger streng sein als die Stadt Zürich: Während die Temperatur in den städtischen Amtsstuben, Schulen und Behörden auf 19 Grad reduziert wird, soll in den kantonalen Verwaltungsgebäuden das Thermometer nicht unter 20 Grad fallen.