THEO VAN GOGH NEU:  ZEITENWENDE ! – PUTIN DROHT OFFEN MIT EINSATZ VON NUKLEARWAFFEN

Angriff auf die Ukraine : Putins Krieg

  • Von Friedrich Schmidt, Moskau 24.02.2022 FAZ – Russlands Präsident verkündet eine „militärische Spezialoperation“ gegen die Ukraine, sein Militär greift an. Putin erinnert an den deutschen Überfall 1941 und droht jedem, der der Ukraine zu Hilfe kommen wolle, mit Nuklearwaffen.

Am Donnerstag, noch vor dem Morgengrauen, hat Russlands offener Krieg gegen die Ukraine begonnen. Präsident Wladimir Putin kündigte ihn in einer am frühen Morgen veröffentlichen, knapp halbstündigen Ansprache als „militärische Spezialoperation“ an. Der ukrainische Grenzschutz berichtete, Russland greife fünf Gebiete an, mit Unterstützung aus Belarus. Der amerikanische Sender CNN zeige ein Video, in dem zu sehen sei, wie Panzer aus Belarus von Norden Richtung Kiew rollen.

Bis in die vorige Woche waren westliche Warnungen vor den Truppenzusammenziehungen dort und in anderen Gebieten um die Ukraine sowie auf der annektierten ukrainischen Krim von Moskau als „Hysterie“ bezeichnet worden. Nun teilte das russische Verteidigungsministerium mit, man habe die Stützpunkte der ukrainischen Luftwaffe ausgeschaltet, und wies eine ukrainische Meldung zurück, nach der ein russisches Flugzeug abgeschossen worden sei. Außerdem, so das Verteidigungsministerium, leiste der ukrainische Grenzschutz den russischen Einheiten keinerlei Widerstand. Man plane keine Raketen-, Artillerie- oder Luftschläge auf ukrainische Städte, ziele nur mit punktgenauen Schlägen auf Militärinfrastruktur, Luftabwehreinrichtungen, Militärflughäfen und die ukrainische Luftwaffe. Niemand, so das Ministerium weiter, bedrohe die Zivilbevölkerung.

Die „Volksrepubliken“ von Donezk und Luhansk teilten mit, man habe mit der „Befreiung besetzten Gebiets“ begonnen. Putin hatte die „Volksrepubliken“ am Montag als Staaten anerkannt und am Dienstagabend hervorgehoben, dies sei in den von den Gebilden beanspruchten Grenzen erfolgt; gemeint sind die ostukrainischen Gebiete von Donezk und Luhansk, die zum größeren Teil bis Donnerstag von Kiew kontrolliert wurden. Russland schloss zwölf Flughäfen im Süden des Landes und auf der Krim, zunächst bis zum 2. März.

Putins Ansprache vom Donnerstagmorgen war die dritte in vier Tagen. Putin wandte sich an die „geschätzten Bürger Russlands“, die „lieben Freunde“. Ziel des „militärischen Spezialeinsatzes“ sei der „Schutz von Menschen, die seit acht Jahren Misshandlungen, einem Genozid von Seiten des Kiewer Regimes ausgesetzt sind“. Putin sagte zwar, sein Ziel sei nicht die „Besatzung ukrainischer Gebiete“. Man werde „niemanden etwas mit Gewalt aufzwingen“. Putin deutete aber an, dass er ukrainische Gebiete annektieren oder weitere „Volksrepubliken“ schaffen könnte.

„Grundlage unserer Politik ist die Freiheit“, sagte er. Niemand habe die Menschen, die heute in der Ukraine lebten, gefragt, wie sie ihr Leben gestalten wollten. „Die Freiheit der Wahl für alle, selbstständig seine Zukunft und die Zukunft seiner Kinder zu bestimmen. Und wir halten es für wichtig, dass alle Völker, die auf dem Gebiet der heutigen Ukraine leben, dieses Recht, das Recht der Wahl, in Anspruch nehmen können. Alle, die das wollen.“ In der Sitzung der Nationalen Sicherheitsrats am Montag, die sich mit der Anerkennung der „Volksrepubliken“ befasste, erschien die Annexion als Option, die Putin aber nicht erörtern wollte.

Putin hob hervor, man werde eine „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ des Nachbarlands anstreben sowie diejenigen vor Gericht bringen, „die zahlreiche blutige Verbrechen gegen friedliche Bürger, unter anderem auch russische Staatsbürger“ verübt hätten. Seit Langem behaupten Putin und sein Macht- und Medienapparat, dass in der Ukraine „Nazis“ und „radikale Nationalisten“ ungehindert wüteten; das war 2014 eine der Erklärungen für die Annexion der Krim und begleitete auch die Landnahme im Donbass durch prorussische Milizen sowie den damals verdeckten Militäreinsatz.

„Neonazis“ und „Faschisten“

Besonders seit Ende voriger Woche ist die Zahl der Behauptungen, nun hätten es abermals „Neonazis“ und „Faschisten“ auf die „Volksrepubliken“ abgesehen, drastisch gestiegen. Kiew wies die Darstellung zurück, zuletzt durch Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer dramatischen Ansprache. Seit Langem ermitteln Russlands Strafverfolger wegen angeblicher ukrainischer Verbrechen, vorige Woche wurden neue Ermittlungsverfahren eröffnet. Eine Sprecherin nannte am Donnerstagmorgen zum Beginn der Invasion einzelne ukrainische Soldaten mit Namen, auch Russen, die in der Ukraine Unterschlupf gefunden hätten. Das ist auch ein Alarmsignal für zahlreiche Kremlgegner, die vor Putins Repression in die Ukraine geflohen sind.

Zudem steht den Ukrainern das Beispiel der „Volksrepubliken“ und der Krim vor Augen, wo Gegner der Landnahme respektive der Annexion seit 2014 brutal verfolgt werden. Laut Betroffenen und Anwälten werden auf der Halbinsel insbesondere Angehörige der Minderheit der Krimtataren unter Folter zu Geständnissen gepresst und dort oder in Russland zu langen Haftstrafen verurteilt. In den vergangenen Wochen hatten sich die Festnahmen gehäuft, mehrere Prozesse sind anhängig. Einen amerikanischen Bericht, Russland habe „Todeslisten“ für den Fall einer Invasion der Ukraine, hatte der Kreml jüngst zurückgewiesen.

Vermutlich, um die Russen von einem schnellen Sieg zu überzeugen, sagte Putin, man habe 2014 die Krim-Bewohner „unterstützt“ und 2015 in Syrien einen „zuverlässigen Schirm“ gegen Terroristen errichtet, die aus dem Land nach Russland hätten vordringen können. Jetzt habe man keine andere Möglichkeit, um „Russland zu schützen, unsere Leute, außer der, die wir heute gezwungen sind zu nutzen.“ Russlands Kraft liege in „Gerechtigkeit und Wahrheit“, sagte Putin. „Stärke und die Bereitschaft zum Kampf sind die Grundlage der Unabhängigkeit und Souveränität, sind das notwendige Fundament, auf dem allein man seine Zukunft bauen kann, sein Haus bauen, seine Familie, seine Heimat.“

Russlands Präsident begründete die Entscheidung für die „Spezialoperation“ mit „Hilfsersuchen“, welche die „Volksrepubliken“ noch am Mittwochabend an ihn gestellt hatten. Er berief sich auf die UN-Charta, nämlich deren Passus über das „Recht zur Selbstverteidigung“, auf die neuen „Freundschafts-, Zusammenarbeits- und Hilfsabkommen“ Russlands mit den „Volksrepubliken“ sowie auf sein Oberhaus, das ihn am Dienstagabend zum Militäreinsatz ermächtigt hatte. Am Mittwoch hatte es aus der Donezker „Volksrepublik“ noch geheißen, es seien keine russischen Soldaten dort, man werde sie zu Hilfe rufen, wenn eine „Aggression der Ukraine“ weitergehe. Am Donnerstagmorgen war die „eigene“ Offensive „in vollem Gang“, wie das Donezker „Oberhaupt“, Denis Puschilin, im russischen Staatsfernsehen sagte.

Putin sagte in seiner Ansprache, „die heutigen Ereignisse hängen nicht zusammen mit dem Wunsch, die Interessen der Ukraine und des ukrainischen Volkes zu schmälern.“ Es gehe um den Schutz Russlands „vor denen, die die Ukraine als Geisel genommen haben und versucht, sie gegen unser Land und sein Volk zu benutzen“ Putin hat den Vereinigten Staaten mehrfach vorgehalten, die Ukraine als „Werkzeug“ gegen Russland zu benutzen. Putin warf „führenden NATO-Staaten“ vor, „für ihre eigenen Ziele extreme Nationalisten und Neonazis in der Ukraine in allem zu unterstützen“.

Die ukrainischen Soldaten, die Putin als „Kameraden“ bezeichnete, rief er auf, „verbrecherische Befehle“ nicht zu befolgen und den Eid, den sie einer „antivölkischen Junta“ geleistet hätten, nicht zu erfüllen. „Ich rufe euch auf, unverzüglich die Waffen niederzulegen und nach Hause zu gehen. Ich erkläre: Alle Soldaten der ukrainischen Armee, die diese Forderung erfüllen, werden ungehindert das Kampfgebiet verlassen und zu ihren Familien zurückkehren können.“ Alle Verantwortung für „mögliches Blutvergießen liege „ganz und gar auf dem Gewissen des auf dem Gebiet der Ukraine herrschenden Regimes“. Mit diesen Worten hatte Putin am Montag seine Ansprache zur Anerkennung der „Volksrepubliken“ beschlossen.

Wer an Mahnwachen teilgenommen hat, wurde festgenommen

Putin hatte in den vergangenen Jahren mit zunehmender Wut Versuche Kiews dargestellt, den russischen Einfluss im Land zurückzufahren, zuletzt etwa mit Schließungen prorussischer Fernsehsender und einem juristischen Vorgehen gegen Putins Weggefährten Viktor Medwedtschuk. Jetzt sagte Putin, er sei überzeugt davon, dass die Russland „ergebenen Soldaten und Offiziere ihre Pflicht mutig erfüllen werden“ und die Exekutive effektiv arbeiten werde. Er, Putin, zähle auf „die konsolidierte, patriotische Position aller parlamentarischen Parteien und gesellschaftlichen Kräfte“. In den vergangenen Tagen waren einige Moskauer, die Einzelmahnwachen gegen den drohenden Krieg gewagt hatten, rasch festgenommen worden. Die Umfrage eines kremlnahen Instituts hatte am Mittwoch Unterstützung für Putins Anerkennungsentscheidung ergeben.

Putin sagte nun zur Erklärung seiner Entscheidung, früher oder später würden nationalistische Kräfte einen „Krieg gegen die Krim“ beginnen. „Das ist nur eine Frage der Zeit. Sie bereiten sich vor, warten auf die passende Stunde. Jetzt wollen sie auch noch Nuklearwaffen bekommen“, sagte Putin. Selenskyj hatte vor Kurzem daran erinnert, dass die Ukraine freiwillig die auf ihrem Gebiet gelagerten sowjetischen Nuklearwaffen an Russland abgegeben und dafür von dem Nachbarland, den Vereinigten Staaten und Großbritannien 1994 im Budapester Memorandum Souveränitätsgarantien erhalten hatte.

Der ukrainische Präsident hatte Beratungen der Teilnehmerstaaten des Memorandums gefordert und gesagt, wenn daraus keine Sicherheitsgarantien erwüchsen, habe die Ukraine jedes Recht, die Entscheidungen in Zweifel zu ziehen. Daraus hat Russland in den vergangenen Tagen das Szenario einer ukrainischen Nuklearmacht entworfen, Verteidigungsminister Sergej Schojgu behauptete am Montag in der Sicherheitsratssitzung, die Ukraine habe genug Spezialisten, um Nuklearwaffen zu entwickeln, oder könne welche erhalten, die die Vereinigten Staaten derzeit in Deutschland lagern. Auch Putin hatte dieses Szenario in seiner Rede vom Montag zur Begründung der Anerkennungen angesprochen. In der am Donnerstagmorgen veröffentlichten Ansprache sagte er, man werde den Ukrainern „nicht erlauben“, sich nuklear zu bewaffnen.

Für Putin geht es um das Ringen mit dem Westen

Putin stellte das Vorgehen gegen die Ukraine als Teil seines Ringens mit den Westen dar. Er sprach von „fundamentalen Bedrohungen“ gegen Russland, die der Westen „von Jahr zu Jahr und Schritt für Schritt grob und ungeniert“ schaffe. „Ich meine die Erweiterung des NATO-Blocks nach Osten, das Heranrücken seiner Militärinfrastruktur an russische Grenzen.“ Er bekräftigte, Russland sei versprochen worden, dass sich die NATO „nicht einen Zoll nach Osten“ ausdehnen werde. Das Zitat stammt aus dem Februar 1990 von dem damaligen amerikanischen Außenminister James Baker, der mit Michail Gorbatschow über eine deutsche Wiedervereinigung sprach. Mit „Osten“ war damals das Gebiet der DDR gemeint. Der Warschauer Pakt bestand noch und war nicht Gesprächsgegenstand, wie Gorbatschow, der 1990 noch hoffte, die Sowjetunion und den Pakt retten zu können, später hervorhob. Putin wiederholte aber, Russland sei „betrogen“ worden. Er berief sich auf „amerikanische Politiker, Politologen und Journalisten“, die darlegten, „in den USA ist in den vergangenen Jahren ein wahres ‚Imperium der Lüge‘ entstanden“. Dem müsse man beipflichten.

Russland hatte Mitte Dezember „Vertragsentwürfe“ vorgelegt mit Forderungen, die auf eine Rückkehr auf den Stand von 1997 vor den NATO-Erweiterungen hinauslaufen. Die Vereinigten Staaten und die NATO hatten Verhandlungen über Rüstungskontrolle angeboten, wollten aber nicht die Souveränität von Staaten zur Disposition stellen. Putin bezeichnete seinen Vorstoß als „abermaligen Versuch“, sich mit den Vereinigten Staaten und deren Verbündeten über die europäische Sicherheit und eine Nichterweiterung der NATO zu verständigen. „Alles umsonst“, sagte er. „Die Position der USA ändert sich nicht. Sie halten es nicht für nötig, sich mit Russland über diese unsere Schlüsselfrage zu verständigen, verfolgen ihre Ziele, missachten unsere Interessen.“

Putin klagte über Washington als „Hegemon“. Alles, was Letzterem nicht passe, werde für „archaisch, veraltet, nutzlos“ erklärt. Er zählte westliche Einsätze im Irak, in Libyen und Syrien auf und sagte, „wo die USA auch immer ihre Ordnung errichten wollen, bleiben blutige, nicht verheilende Wunden, Geschwüre des internationalen Terrorismus und Extremismus“. Neuerlich warf er auch „dem kollektiven Westen“ vor, in den Neunzigerjahren und zu Beginn des Jahrhunderts „auf aktivste Weise Separatismus und Banden von Söldnern im Süden Russlands unterstützt“ zu haben. Ein jüngster Staatsfernsehfilm dazu war Belege schuldig geblieben, ein Zeitzeuge nannte die Arbeit von westlichen Hilfsorganisationen im unter Putin begonnenen, zweiten Tschetschenien-Krieg. Putin drohte nun aber: „Wir erinnern uns daran und werden es nie vergessen.“

Der Präsident wies auf das Auseinanderfallen der Sowjetunion, dem er in den vergangenen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit schenkte. Putin wirft der Führung um Gorbatschow schon lange vor, die Kontrolle verloren zu haben, nicht entschieden genug gegen die Ablösungsbestrebungen der Sowjetrepubliken vorgegangen zu sein und sich vom Westen betrügen haben zu lassen. Die gesamte Sowjetunion einschließlich der Ukraine hat Putin wiederholt als „historisches Russland“ bezeichnet; auch jetzt bezeichnete er an Russland grenzende Gebiete als „unsere historischen Territorien“.

Was am Ende der Sowjetunion geschehen sei, sagte Putin, sei eine „gute Lektion für uns heute“. Eine „Paralyse der Macht, des Willens, das ist der erste Schritt zur völligen Degradation und zur Vergessenheit. Damals mussten wir nur eine Zeit lang das Vertrauen in uns selbst verlieren, und das war’s, die Kräfteverteilung in der Welt wurde gestört.“

Putin zog auch Parallelen zur Zeit vor dem Überfall von NS-Deutschland auf die Sowjetunion. Damals, 1940 und zu Beginn 1941, habe die Sowjetunion „alles versucht, den Beginn des Krieges abzuwenden oder weniges hinauszuzögern“. Putin hat den Hitler-Stalin-Pakt zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion, der kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen 1939 in Moskau geschlossen wurde und in dessen Folge Polen und weitere Länder aufgeteilt wurden, mehrfach als friedenssichernde Maßnahme dargestellt. Stalin ignorierte etliche Warnungen vor einem deutschen Angriff und war davon überrascht. Putin sagte nun aber, man habe damals, um den „potenziellen Aggressor nicht zu provozieren“, Vorbereitungen bewusst unterlassen, die nötig gewesen wären, um den unausweichlichen Angriff abzuwehren. Er erwähnte auch nicht, dass ein Großteil der Führung der Roten Armee kurz zuvor Stalins Großem Terror zum Opfer gefallen war. Russland bestraft seit einigen Jahren Leute, die Putins Darstellung des Geschehens Jahre 1939 bis 1941 in Zweifel ziehen.

Putin erinnert an den deutschen Überfall von 1941

Der Präsident berief sich für seine Entscheidung auf Lehren aus dem deutschen Überfall von 1941, wobei Amerika und die NATO in die Rolle von NS-Deutschland rücken. „Ein zweites Mal werden wir einen solchen Fehler nicht begehen, wir haben nicht das Recht dazu.“ Zwar verfügten, so Putin, „diejenigen, die die Weltherrschaft beanspruchen“ und „ohne jeden Grund uns, Russland, zu ihrem Feind erklären“, über „große finanzielle, wissenschaftlich-technologische und militärische Möglichkeiten“. Sanktionsdrohungen seien eine „gemeine und permanente Erpressung“. Doch sei man „eine der stärksten Nuklearmächte der Welt“, außerdem verfüge man über „bestimmte Vorteile bei einer Reihe neuer Waffentypen“. Für den Fall eines „direkten Angriffs auf unser Land“ kündigte Putin „Vernichtung und schreckliche Folgen für jeden potenziellen Aggressor“ an.

Erst am Wochenende hatte sich bei einem Manöver der strategischen Streitkräfte Russlands neuerlich gezeigt, dass Russland seine Nuklearstreitkräfte, zu denen seit Kurzem moderne Überschallraketen zählen, als Drohkulisse nutzt, um Gegner im Fall einer Auseinandersetzung mit konventionellen Waffen von einem Eingreifen abzuhalten. In diesem Sinne sagte Putin am Ende seiner Ansprache, alle die sich jetzt „einmischen“, oder versuchen wollten, „uns zu stören, oder Bedrohungen für unser Land, für unser Volk zu schaffen, müssen wissen, dass Russlands Antwort ohne Verzögerung kommt und für euch solche Folgen haben wird, wie ihr sie in eurer Geschichte noch nie erlebt habt. Wir sind bereit zu jeder Entwicklung der Dinge. Alle dafür nötigen Entscheidungen sind getroffen. Ich hoffe, dass ich gehört werde.“ Putin dürfte damit meinen, dass er seine Nuklearstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt hat. So hatte er es auch im Fall der Krim-Annexion gemacht, gab er später bekannt.

Putins Ansprache machte auch klar, warum er sich gerade jetzt zu einem militärischen Eingreifen entschließt. Russlands technologischer Vorsprung – gemeint war wohl der bei den Waffen – werde „rasch“ verschwinden, sagte er, „die Situation für unser Land wird mit jedem Jahr immer schlechter und gefährlicher“. Man könne „nicht länger einfach zusehen. Das wäre von unserer Seite absolut verantwortungslos.“ Was auf „unseren historischen Territorien“, in Russlands Nachbarländern, die früher zur Sowjetunion gehörten, geschehe, sei die Gründung eines „feindlichen ‚Antirusslands‘, das unter völlige äußere Kontrolle gestellt ist“. Es werde von NATO-Ländern mit Streitkräften versehen und „mit modernesten Waffen aufgepumpt“. Erst nach der Annexion der Krim waren Streitkräfte westlicher NATO-Mitglieder in die baltischen Staaten und nach Polen verlegt worden, auf Rotationsbasis, um die NATO-Russland-Grundakte von 1997 nicht zu verletzen; ihre Zahl überstieg nie die Zahl der russischen Soldaten, die allein in der russischen Exklave Kaliningrad stationiert sind.