THEO VAN GOGH KRITIK : Walter Benjamin & Karl May

Inzwischen hat sich auf einem Literaturblog auch ein sich ungeheuer progressiv dünkender Literaturwissenschaftler, dem man zu viel Ehre antun würde, wenn man seinen Namen bekannter machte, über Karl May geäußert und bar jeder eingehenden Analyse oder auch nur eines einzigen Belegs dekretiert, daß von Karl Mays Texten u.a. wegen “Rassismus” nichts zu halten sei.

Der Philosoph Ernst Bloch hatte zum Phänomen Karl May bekanntermaßen eine ganz andere Ansicht und sie u.a. in seinem Essay “Rettung Wagners durch Karl May” auch gut begründet. Man kann ihn in der erweiterten Ausgabe von Blochs Buch “Erbschaft dieser Zeit” (1935) unter der Überschrift “Rettung Wagners durch surrealistische Kolportage (1929)” nachlesen (FFM 1985, S. 372 ff.).

Weniger bekannt ist, daß auch Walter Benjamin dem Programm, das Bloch in seinem Essay entwarf und darin bestand, Kolportage unbedingt ernstzunehmen, zugestimmt hat. Warum? Er begründete es so: Die “substantielle, kräftige Nahrung könne”, so Benjamin, nicht “nur aus Meisterwerken eines Cervantes oder Dickens, Swift oder Defoe kommen”, sondern es gebe sie “genauso in gewissen […] Werken der Kolportage, wie sie gleichzeitig mit dem Aufschwung der technischen Zivilisation und jener Nivellierung der Kultur auftrat, die nicht ohne Zusammenhang damit war. Der Abbau der alten sphärisch gestuften Lebensordnungen war damals vollendet. In ihm waren gerade die feinsten, edelsten Substanzen oft zuunterst geraten und so kommt es, daß der tiefer Blickende gerade in den Niederungen des Schrift- und Bildwerks die Elemente findet, die er in den anerkannten Kulturdokumenten vergeblich sucht. Erst kürzlich hat Ernst Bloch in einem schönen Essay aus solchen Überlegungen heraus die Rettung des verrißnen Karl May vorgenommen.” (Ges. Schriften, Bd. VII.1, FFM 1989, S. 250 ff, hier: S. 256).

Der eingangs erwähnte, sich progressiv dünkende Literaturwissenschaftler weiß von derlei natürlich rein gar nichts, und ich warte jetzt nur noch darauf, daß Leute, die es lieber mit Bloch und Benjamin halten, von seinesgleichen als rechts tituliert werden.